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David Joris alias Johann von Brügge
© by altbasel.ch

Ohne seinen Diener Hendrick van Schor wäre er vermutlich als ehrbarer und wohlhabender Herr mit grossem Immobilienbesitz in Erinnerung geblieben. Van Schor sorgte einige Jahre nach dem Ableben seines Herrn dafür, dass dessen wahre Idendität ans Licht kam. Der als Glaubensflüchtling unter seinem Alias "Johann von Brügge" in Basel Aufgenommene erlangte durch seinen treulosen Diener zweifelhaften Ruhm als "Erzketzer David Joris".

Sohn eines Krämers

Sein Geburtsdatum ist bis heute unklar. Joris wurde 1501 oder 1502 in der Grafschaft Flandern, möglicherweise in Gent oder Brügge, als Sohn des Georgius (Kurzform "Joris") van Amersfoordt geboren, weshalb man ihn in seiner Heimat (damals Niederlande, heute in Belgien) auch "Joriszoon" (Sohn des Georg) nannte. Sein Vater besass als Krämer einen Laden und wirkte als Amateurschauspieler bei einer Rederijkerskamer mit - einer Dichtergilde.

der spiesshof am heuberg wo david joris lebte und 1556 starb

Der Spiesshof am Heuberg, den Joris 1546 (wohl gemeinsam mit Joachim van Berchem) erwarb. Hier lebte er bis zu seinem Tod im August 1556. Der 1585/90 entstandene Renaissanceflügel des Spiesshof ist bis heute Schauplatz diverser Spukgeschichten um Joris.

In der Rolle des biblischen Königs David soll Gregorius Schauspielerruhm geerntet haben, die seinem Sohn den Namen gegeben haben soll, nebst dem zweiten Namen Johann. Seine Mutter war Maritje, die Tochter des Jan de Gorter von Delft. Joris sei ein kluges und aufgewecktes Kind gewesen, und legte eine natürliche Lernbegabung an den Tag. Allerdings habe er als Schüler manchmal lieber Männchen gezeichnet als dem Unterricht zu folgen.

Der zeichnerisch begabte Knabe beschritt vorab den naheliegenden Berufsweg eines Glasmalers. Joris beherrschte sowohl die flämische als auch die deutsche Sprache. Er habe als Glasmaler Fenster der Kirche in Enkhuisen geschaffen und begab sich berufsbedingt auf Reisen. Angeblich wäre er im Laufe seiner Berufstätigkeit bis nach England gelangt, von wo er 1524 als kränkelnder Mann in seine flandrische Heimat zurückgekehrt sei.

Reformation und neue Perspektiven

Im Jahr seiner Heimkehr heiratete Joris in Delft Dirkgen Willems. Zu jener Zeit scheint er sein Interesse an Glaubensfragen vertieft zu haben. Er habe zu den frühen Lesern von Luthers übersetzten Bibeltexte gehört und sich den Verfechtern der Reformation angeschlossen. Am Himmelfahrtstag 1528 habe er in Delft vor der Neuen Kirche stehend lauthals die Prozession zu Ehren der Jungfrau Maria gestört und die Monstranz verhöhnt.

Joris wurde festgenommen und elf Tage lang inhaftiert. Am 30.Mai verurteilte man ihn für die Störung einer Prozession zur Auspeitschung, zur Durchstechung der Zunge und zu einer dreijährigen Verbannung aus Delft (heute Südholland). Neue Perspektiven entdeckte er in der Täuferbewegung der er sich anschloss. Ein Schlüsselerlebnis soll dabei die Hinrichtung mehrere Täufer in Den Haag gewesen sein, der er beiwohnte und die ihn erschütterte.

Im September 1534 habe er sich zusammen mit seiner Frau von Obbe Philips wiedertaufen lassen. Philipps stand an der Spitze einer Gruppe von Täufern die sich von den radikalen Strömungen in der Bewegung abgewandt hatten um sich einem gewaltlosen Weg zu verschreiben. Vielleicht wurzelte Joris' Ablehnung bewaffneter Gewalt aus jener Zeit. Er kehrte zurück nach Delft, verliess jedoch die Stadt im März 1535 zusammen Frau und Tochter Clara wieder.

Verfolgung

Joris' Heimat wurde vom katholischen Spanien beherrscht und die Reformation setzte sich nur langsam durch. Vor den Lehren Luthers und später Calvins bahnten sich jedoch die Ideen der Täufer ihren Weg. Somit wurden hauptsächlich die Täufer von der Obrigkeit und der Kirche verfolgt. Wegen der wachsenden Bedrohung floh David Joris mit seiner Familie wieder aus Delft, allerdings nur vorübergehend. Seine Gattin Dirkgen war erneut schwanger.

Im Dezember kehrten sie nach Delft zurück wo im Februar 1536 ein Sohn zur Welt kam. Joris hatte sich zu einem wichtigen Kopf der Täuferbewegung in seiner Heimat aufgeschwungen. Allerdings erwuchs ihm in Menno Simons, der ebenfalls von Obbe Philips getauft worden war, ein Rivale. Zwei Monate nach der Geburt seines Sohnes musste Joris fliehen. Ein Gefolgsmann versteckte ihn in einem Korb unter Säcken in einem Boot, welches Delft verliess.

Als das Boot auf der Flucht kenterte, wäre David Joris beinahe ertrunken. Weiterhin musste er ein gehetzes Leben im Versteckten führen. Im Dezember 1536 überkamen Joris eine Reihe von Visionen die sein weiteres Leben veränderten. Er gewann die Überzeugung dass Gott ihn zum Propheten berufen hatte und ihn zu einem Knecht, gar Sohn auserwählt habe, der seinen Willen zu vollstrecken habe. Joris gründete eine eigene Gemeinde.

An der Spitze einer eigenen Gemeinde

Seine Gemeinde und Joris persönlich wurden zum expliziten Ziel von Verfolgung. Diverse Anhänger büssten ihren Glauben mit dem Leben, unter ihnen Joris' Mutter. Sie wurde im Jahr 1538 in Delft der Wiedertäuferei angeklagt und zum Tod verurteilt. Sie gehörte der Oberschicht an, weshalb man ihr die Wahl ihres Sterbens überliess - Ertränken, Verbluten oder Enthaupten. Die Verurteilte wählte das letztere als Art ihres Todes.

Sie setzte sich am 21. Februar 1539 im Celebroeder Kloster mit zu Gebet erhobenen Händen auf einen Stuhl. Der Henker trat hinter sie und enthauptete Maritje Jans de Gortesdochter mit seinem Richtschwert. Einige Finger ihrer betenden Hände trennte sein Hieb ebenfalls mit ab. Auf die Ergreifung von David Joris wurde eine hohe Belohnung ausgesetzt, aber auch unter der Folter verriet ihn keiner seiner Anhänger.

Trotz der Gefahr die man damit auf sich nahm, gewann Joris' Gemeinde neue Mitglieder. Eines davon war der wohlhabende Adlige Joachim van Berchem, der sich zuerst der Reformation zuwandte und sich heimlich eine der Bibeln in Deutsch erwarb. Mehr noch sprachen Van Berchem aber die Worte von Joris an, so dass er mitsamt Familie und Entourage zu dessen Gemeinde stiess und mit ihm bis zu seinem Tod in Basel verbunden blieb.

Der Kern der Gemeinde

Unter seinen Anhängern erfreute sich Joris einiger reicher Leute, aber mit Joachim van Berchem trat ein Mann an seine Seite der in seinem Leben eine herausragende Rolle spielen sollte. Van Berchem gehörte einer alten und einflussreichen Adelsfamilie an, die schon im 11.Jh im Herzogtum Brabant in Erscheinung trat. Joachim brachte nicht nur Geld mit in die Gemeinde, er ehelichte mit Clara auch eine Tochter von David Joris.

Neben der Familie Van Berchem kamen noch andere Leute zur Gemeinde, so der aus Roermond stammende Hendrik van Schor. Er begegnete in Paris französischen Anhängern von David Joris, für die er dessen Schriften übersetzen sollte. Dadurch wurde er mit Joris' Ideen bekannt und reiste schliesslich selbst nach Antwerpen um den Autor kennen zu lernen. Hendrik trat der Gemeinde bei und wurde Diener der Familie Van Berchem.

Um David Joris scharte sich ein Kreis von Leuten die zum Kern seiner Gemeinde wurden. Indes war sein Rivale Menno Simons dabei ihn an Bedeutung zu übertreffen. Er einte die verstreuten Täufer und binnen einiger Jahre nannte man die Täufergemeinden unter ihm bis hinauf nach Norddeutschland Mennoniten. Sein erfolgreiches Wirken degradierte die speziell geartete Gemeinde von Joris zu einer Splittergruppe der wachsenden Täuferbewegung.

Auswanderung

Schwindender Einfluss und nach wie vor gefährliche Verfolgung bewogen David Joris dazu die Heimat zu verlassen. Basel erlangte bei diesem Vorhaben besondere Aufmerksamkeit. 1542/43 habe Joris die Stadt und die dortigen Lebensbedingungen durch Leute seines Vertrauens erkunden lassen. Im März 1544 begab er sich zusammen mit Joachim van Berchen, dessen Bruder Renat und Cornelius van Lier sowie drei Dienern zu einem Augenschein nach Basel.

Zu dieser Zeit hatte David Joris bereits sein tarnendes Alias Jan van Brügge (Johann von Brügge) angenommen. In Basel nahmen sie anfangs April Fühlung mit einigen Ratsherren auf, denen sie sich wohlweislich nicht als Täufer zu erkennen gaben, sondern als reiche calvinistische Glaubensbrüder die in ihrer Heimat katholische Verfolgung litten. Die Täuschung hatte mehr Erfolg als erhofft, denn der Rat empfing sie bald sehr wohlwollend.

Die vorgetragene Tarngeschichte erschien plausibel und der offenbarte Reichtum tat wohl ein übriges. Der Rat sicherte Joris sowie Joachim van Berchem und Cornelius van Lier bei einer Übersiedlung nach Basel mit Familie die rasche Vergabe des Bürgerrechts zu. Sich durften sich sogar als Bürger Basels bezeichnen wenn ihnen dies im Zuge ihrer Auswanderung nach Basel hilfreich sein sollte. Die Reise nach Basel war ein voller Erfolg.

David Joris kommt nach Basel

Zurück in der Heimat veräusserten die Van Berchems ihren Besitz um das gewonnene Geld im Zuge der heimliche Auswanderung mit nach Basel zu bringen. Cornelius van Lier beschloss Joris nicht nach Basel zu folgen, dafür sammelte sich eine stattliche Gruppe aus der Gemeinde um ihren geistigen Führer, bereit auszuwandern. Unter ihnen war auch Heinrich van Schor, der später noch eine dramatische Rolle nach Joris' Ableben spielen sollte.

schloss brinningen, wo joachim van berchem wohnte

Schloss Binningen, welches 1545 von David Joris und Joachim van Berchem erworben wurde. Gleich nach dem Kauf wurden am Schloss Umbauten vorgenommen. Nach Joris' Tod 1556 lebte Van Berchem hauptsächlich hier.

Im Sommer 1544 kam er mit einigen Getreuen nach Basel, weitere Mitglieder des Gemeindekerns sollten folgen. Joris erhielt am 25. August als Johann von Brugg das Basler Bürgerrecht verliehen, und mit ihm wurde Joachim van Berchem aufgenommen. Einige Jahre später, im November 1549, erhielt ein anderer Schweigersohn das Basler Bürgerrecht. Niklas van Blesdijk hatte mit Jannecke eine weitere Tochter von Joris geheiratet.

Jannecke war eine Koseform von Anna, was aber auch nicht der echte Name der Tochter war. Sie trug eigentlich den Namen Susanna, der aber noch in der Heimat zur Verheimlichung der Identität geändert wurde. Ebenso erging es ihren Schwestern Thamar die zu Elisabeth wurde, und Abigail die fortan Maria gerufen wurde. Insgesamt Sollen Joris und seine Gattin elf Kinder gehabt haben; sieben Söhne sind namentlich bekannt.

Die Zugezogenen richten sich ein

Joris wollte dass seine Leute in Basel unauffällig und angepasst leben. Dazu gehörte auch das Besuchen von Gottesdiensten, obwohl sie dem Glauben der Gemeinschaftsmitglieder widersprachen. Auch sollte auf keinen Fall in Basel für die Gemeinschaft geworben werden. Es galt das wahre Wesen der Auswanderer geheim zu halten, denn als Täufer wären sie im evangelischen Basel nicht willkommen gewesen, und fürchteten daher Verfolgung.

Anfangs lebte Joris mit seiner Familie in einem Miethaus auf dem Petersberg, aber um 1546 erwarb er von Hans Bockstecher den Speisshof am Heuberg. Der wurde übrigens erst nach seinem Tod im Renaissancestil umgebaut. Auch das Schloss zu Binnigen brachte er in seine Hand, ebenso wie das Weiherhaus zum kleinen Gundeldingen das er 1555 Hieronymus Froben abkaufte. Ferner erwarb man das Rote Haus bei Muttenz und ein Gut in der Holee.

Letzeres liess Joris 1553 abreissen um an seiner Stelle das heute noch existierende Holeeschlösschen erbauen zu lassen. Auch wurde das Margarethengut und der Chor der profanisierten Margarethenkirche erworben. Es gibt Indizien dafür dass die Stadt weitere Käufe von Immobilien nicht zuliess. Die Kauflust schien verdächtig. Das Geld für die Erwerbungen kam vermutlich aus der Kasse reicher Gönner und der Familie Van Berchem.

Ein Bürger ohne Fehl und Tadel

David Joris und die Leute die ihn umgaben, verstanden es mit ihrem gut durchdachten Auftreten die Basler und ihre Obrigkeit zu beeindrucken. Thomas Platter, der das Gut unteres mittleres Gundeldingen besass, freute sich auf gute Nachbarschaft als Joris' Gemeinschaft das nahe Weiherhaus kaufte. Es gab einige wenige Misstöne, so als sich 1548 Müller darüber beklagten dass der Birsig einen zu niederen Wasserstand für ihre Mühlen habe.

Die Ursache sahen sie in einem Wuhr des Birsig, welches die Fremden dazu nutzten um den Weiher ihres Schlosses in Binningen und ihre dortige Felder zu bewässern. Mit ihren Vorwürfen brachten sie auch die Klage vor, dass die Fremden Stadt und Bürger Verderben bringen könnten, und sie um den Broterwerb brächten. Offenbar trübten solche Streitigkeiten das Ansehen von Joris und seinen Leuten nicht wirklich ernsthaft in Basel.

Als charismatischer Führer einer Religionsgemeinschaft wurde er von seinen Anhängern fortwährend mit finanziellen Mitteln versorgt und konnte in Basel als wohlhabender Herr von Welt auftreten - als Bürger ohne Fehl und Tadel. Er zeigte sich als frommer evangelischer Kirchgänger und verstand es seinen wahren religiösen Neigungen im Verborgenen nachzugehen. Mit seiner umfangreichen Gefolgschaft im Ausland stand er in Briefkontakt.

Geheimes Wirken im Dienste der Sache

Seine Gemeinde in der Heimat und seine Anhänger in Norddeutschland, Skandinavien oder Frankreich versorgte Joris ständig mit neuen Schriften zu seinen Erkenntnissen. Intensiv widmete er sich dem geschriebenen Wort und liess geheim zahlreiche Traktate religiösen Inhalts publizieren. Er predigte das Ideal dreier Reiche, von denen die beiden ersten sich im alten und neuen Testament spiegelte, und das dritte kommen werde.

Sich selber vermittelte er als demütiges Werkzeug Gottes. Ihm sei auferlegt Gottes Werk zu tun, wie es einst Jesus Christus tat. Allerdings hat er sich dabei nicht die Rolle von Jesus angemasst, wie später oft behauptet. Solche Behauptungen erwuchsen auch aus dem Umstand, dass Joris' Aussagen zuweilen wenig eindeutig daherkamen und Raum für Interpretationen liessen. Ein Hauptwerk war sein in der Heimat verfasstes Wunderbuch.

Dieses Werk offenbart den Wandel den Joris bei der Auslegung seiner Offenbarungen durchlief, denn das Wunderbuch überarbeitete und ergänzte er in Basel. Dabei wandelten sich alte Ideen, und ehemals greifbare kommende Ereignisse wichen Geschenissen die sich im Geiste abspielten. Joris tat was in der Geschichte viele taten - er deutete die Bibel in eigenem Sinne. Sein Erfolg gründete auf seinem Talent die Deutungen zu vermitteln.

Geschicktes Auftreten in Basel

David Joris und sein Kreis verstanden es Bindungen zur wichtigen Leuten in Basel aufzubauen. Davon zeugt zum Beispiel die Taufe des ersten Kindes aus Joris' Gemeinschaft das in Basel zur Welt kam am 1. Februar des Jahrs 1545. Es war der Sohn von Joachim van Berchem und seiner Gattin Clara, also ein Enkel von Joris. Pate bei der Taufe in der Peterskirche stand niemand geringerer als Bürgermeister Adelberg Meyer zum Pfeil.

Es lässt tief blicken, dass der Knabe auf den Namen "Adelberg" getauft wurde. Üblicherweise konnte man mehr als einen Paten haben, und bei der Taufe von Adelberg war der zweite Pate Bläsi Schölli, der noch im selben Jahr Oberstzunftmeister wurde. Als im April 1545 mit Theodor der jüngste Sohn von Joris und seiner Gattin Dirkgen getauft wurde, stand zweite der beiden Basler Bürgermeister, Theodor Brand, Pate zu St.Peter.

Umgekehrt standen auch Joris und die Leute seiner Gemeinde immer wieder als Paten oder Patinnen zur Verfügung. Bemerkenswert ist, dass sie diese Gunst überwiegend einfachen Leuten aus dem Volk gewährten. Ein herausragender Zug in Joris Umfeld scheint die Wohltätigkeit gegenüber den Armen gewesen zu sein. Sogar als das ihr aller Doppelleben 1559 bekannt war, lobte der Antistes am Münster ihre "...gütikeyt gegen den armen..."

Zerwürfnisse

Durch die in Basel nach aussen still wirkende Gemeinschaft um David Joris zog sich mit der Zeit ein Riss. Zum einen regte sich Missvergnügen im Kreis der Familie van Berchem, die eine gewaltige Summe an Geld in die Gemeinschaft gebracht hatten. Man warf Joris vor er habe das Geld in seine Hand gebracht, und es darf angenommen werden dass ein Grossteil der Geldes zum Kauf von Liegenschaften wie dem Spiesshof daher kam.

Joris verteidigte sich in einem Brief und betonte dass die Finanzen in Händen Joachim van Berchems ruhten, der sie für beide Familien verwalte. Wie dem auch immer gewesen sein mag, so billigten offenbar nicht alle in der Familie van Berchem die Opferung des Familienvermögens im Dienste von David Joris. Am Leben eines wohlhabenden Mannes, welches Joris in Basel führte, stiess sich vermutlich auch Nicolas van Blesdijk.

Van Blesdijk war 1544 nach Basel gekommen und gehörte schon in seiner Heimat zu den grossen Verehrern von David Joris, dessen Tochter Maria er ehelichte. Er war Joris ein tüchtiger Helfer und verbreitete dessen Lehre nach Kräften, die er selbst angenommen hatte als der Prophet noch ein enthaltsamer Prediger auf der Flucht vor seinen Feinden war. Doch das Vorbild Van Blesdijks hatte sich während der Jahren in Basel gewandelt.

Die Zweifel des Nicolas van Blesdijk

Zehn Jahre nachdem die Gemeinschaft von Joris nach Basel gekommen war, rang Nicolas van Blesdijk zunehmend mit Zweifeln. Diese betrafen sowohl die Lehre die sein Schwiegervater predigte, als wohl auch den Lebenstil der sich mit dem Ideal der Enthaltsamkeit wie der van Blesdijk verstand nicht vereinbarte. Joris hatte allen Grund über den drohenden Abfall seines einst loyalen Schweigersohns beunruhigt zu sein.

das holeeschloesschen welches joris 1553 erbauen liess

Das Holeeeschlösschen in Binningen. Davoid Joris erwarb eine Liegenschaft die früher an dieser Stelle stand und liess sie 1553 abreissen um dort das Schlösschen erbauen zu lassen. Sein Enkel Johann Georg von Brugg verkaufte es 1591.

Wenn ein Mitglied des innersten Kreises nach Jahren der Gefolgschaft sich von der Lehre abwandte, konnte dies fatale Auswirkungen auf die ganze Gemeinschaft haben. Joris befürchtete nichts weniger als eine Spaltung. Mehrfach wies er seinen Schweigersohn zu recht und mehrfach bat dieser um Verziehung und Verständnis. In der Familie von Joris als auch bei den Van Berchem stiess Van Blesdijk auf wachsendes Misstrauen.

Wahrscheinlich wollten weder David Joris noch Nicolaus van Blesdijk einen Bruch im Zorn. Von emotionalen Szenen des Streits wird ebenso berichtet wie von Versuchen der Versöhnung unter Tränen. Doch das einstige Vertrauen war nicht mehr herzustellen und trennte die beiden Männer zunehmends. Die Unruhe in seiner Gemeinschaft habe schwer auf David Joris gelastet. Zusätzlich litt er an einer Erkrankung des Unterleibs.

Dem Tod entgegen

Nicht nur die Zweifel seines Schweigersohns hatten Joris gequält; offenbar rang er auch mit sich selbst. Seine Töchter sagten nach seinem Tod aus, dass ihr Vater in seiner letzten Zeit nahezu nächtlich auf seinem Angesicht gelegen habe, um bei Gott um seiner selbst um Vergebung zu bitten und um dafür zu flehen dass seine Kinder nicht für seine Verfehlungen büssen müssten. Auch war seine Gattin Dirkgen schwer krank.

Sie litt schon länger an einer Erkrankung der Nieren sei im Mai 1556 bettlägerig geworden. David Joris lebte zum Ende hin als schwer belasteter Mann im Spiesshof am Heuberg. Die Sorge sein Doppeleben und seine Gemeinschaft könnten in Basel aufgedeckt werden, die Unfriede innerhalb der Gemeinschaft, der Abfall van Blesdijks - die Probleme summierten sich. Am 23.August starb nach langem Leiden seine Ehefrau Dirkgen.

Der gealterten Mann fühlte auch sein Ende nahen. Auf seinem Krankenlager bat er die kleinen Kinder, sie möchten um die baldige Erleichterung von seinen Leiden beten. Im Sterben zeigte er sich laut dem Historiker Paul Burckhardt weder als Prophet noch als Betrüger. Er sei in demütigem Gottglauben geschieden. Die letzten Gedanken von David Joris sollen seiner toten Gattin gegolten haben, die er hoffte nun bald wiederzusehen.

Keine Ruhe

David Joris alias Johann von Brügge starb in der Nacht vom 25. auf den 26.August 1556 im Spiesshof. Er wurde als angesehener Bürger der Stadt mit allen Ehren in der Leonhardskirche bei seiner Gattin Dirkgen bestattet. Wie er es vorausgesehen hatte, begann nach seinem Tod die Unruhe in seiner Gemeinschaft zu eskalieren. Die Kinder von Joris und die Angehörigen der Familie van Berchem gerieten in Streit wegen des Erbes.

Joachim und seine Mutter Anna van Berchem verliessen den Spiesshof, den sie zu dessen Lebzeiten mit David Joris zusammen bewohnt hatten. Stattdessen lebten sie nunmehr im Schloss Binningen. Offenbar trennte sich Joachims Gattin Clara vorübergehend von ihm. Eventuell blieb sie als Joris' Tochter mit ihren jüngeren Geschwistern vorerst im Spiesshof. Davids Sohn Georg zog seinerseits ins Weiherhaus zum kleinen Gundeldingen.

Der Diener Hendrick van Schor überwarf sich mit Joachim van Berchem, wobei es im Binninger Schloss zum ausschlaggebenden Streit gekommen zu sein scheint. Van Schor wurde im Laufe des Jahres 1557 aus dem entlassen und davongejagt und trat in die Dienste des Humanisten Ludwig Keil. Der gekränkte Diener fasste offenbar den Entschluss Rache zu nehmen und das Doppelleben der Gemeinschaft von David Joris öffentlich zu machen.

Hendrik van Schor macht sein Wissen öffentlich

Als einer der erste bekam Luwig Keil enthüllt wer Joris und seine Gefolgschaft wirklich waren. Van Schor streute sein Wissen weiter, so informierte er den früheren Oberstzunftmeister Bläsi Schölli, der wie erwähnt 1545 Pate eines Enkels von Joris wurde. Die Kunde erreichte mit Johannes Jung den Pfarrer von St.Peter, der 1558 eine erste Untersuchung einleitete. Dann erfuhr der Jurist Bonifacius Amberbach von der Affaire.

Bislang waren die beteiligten Basler Geistlichen die heikle Sache vorsichtig angegangen, bemüht niemandem der Angeschuldigten zu hart anzufassen. Amberbach indes sah keinen Grund zur Behutsamkeit und forderte ein hartes Vorgehen gegen die entlarvten Getreuen von David Joris. Bei einem Treffen im Spiesshof wurden die Angeschuldigten erneut und eingehender als bei der früheren Untersuchung von Basler Geistlichen befragt.

Nach wie vor leugneten die Angehörigen von Joris' Gemeinschaft je vom evangelischen Glaube abgefallen zu sein. Schwer wog aber, dass Nicolas von Blesdijk und der Mediziner Johannes Bauhin, der sich im Umfeld von Joris Getreuen bewegt hatte, die Anschuldigungen bezeugten. Die Mitwissender mehrten sich und die ganze Enthüllung wuchs in Basels Gassen zu einem öffentlichen Skandal. Erneut nahm Amerbach das Heft in die Hand.

Amerbach fordert einen Prozess

Bonifacius Amerbach fühlte sich als geschworener Advokat der Stadt Basel verpflichtet zu handeln, um die Ehre Gottes und den Namen Basels zu retten. Die Geistlichen waren für ihn in dieser Sache Versager, von denen einige gar David Joris in Schutz nähmen. Amberbachs Ziel war es, dass die Obrigkeit von Basel einen Ketzerprozess anstrengte. Das emotionsgeladene Engagement Amerbachs wirkt stellenweise befremdlich.

Der Jurist hatte sich in der Vergangenheit selbst gegen obrigkeitlichen Druck in eigenen Glaubens- und Gewissensfragen erhoben und mehrfach Glaubensflüchtlinge in Schutz genommen. In diesem Fall ging es aber um Leute die mit Lug und Trug die Stadt Basel und die Kirche hintergangen hatten. Auf jeden Fall wurde auf Amerbachs Bestreben hin die ganze Affaire am 23. November 1558 dem Rat der Stadt Basel vorgelegt.

Der Rat ordnete Untersuchungen. Hendrik van Schor wurde nach Basel zitiert, drei Tage lang befragt und aufgefordert einen Bericht zu verfassen. Dieser Bericht van Schors wurde zu einer Hauptsäule der Anklage, obschon er in vielen Dingen zweifelhaft war. Durchsichtig wirkt vor allem dass Van Schor seine Rolle in der Gemeinschaft im Bericht vielfach zu seinen eigenen Gunsten umdeutete um als Opfer zu wirken.

Festnahmen und Verhöre

Auf den 13. März 1559 wurden die Amtsleute der Gerichts mit Schreiber und Schlosser diskret auf acht Uhr zum Kloster St.Alban befohlen. Zur selben Zeit mussten die Angehörigen von David Joris Gemeinde ins Rathaus kommen um vor den Rat zu treten. Als es soweit war, eilten die Beamten vom St.Alban-Tal zu deren Liegenschaften wie dem Binniger Schloss, dem Holeeschlösschen oder dem Spiesshof um Hausdurchsuchungen vorzunehmen.

Der Rat liess die Angeschuldigten verhören, zuerst gemeinsam und dann einzeln. Joachim van Berchem versuchte die Ratsherren zu täuschen, die ihm aber misstrauischer gegenüberstanden wie zuvor die Basler Geistlichen. Zur selben Zeit sammelten die Suchtrupps des Obrigkeit in den Häusern der Gemeinschaft Beweismaterial. Auch die gut abgesprochenen Aussagen konnten den schriftlichen Beweisen nicht lange standhalten.

Nebst dem Bericht von van Schor lagen nun auch Traktanden, Briefe und andere Dokumente vor, die den wahren Charakter von David Joris und seiner Entourage an den Tag brachten. Elf Männer wurden nach den Verhören in Haft genommen, am 6. April auch Nicolas van Blesdijk verhaftet. Den Frauen blieb die Haft erspart und sie wurden schonend befragt. Wider alle vorliegenden Beweise stritten Männer wie Frauen alles Vorgeworfene ab.

Die Exhumierung von David Joris' Leiche

In der Stadt ging das Gerücht dass zu St.Leonhard nicht die Leiche des Johann von Brügge beigesetzt worden sei. Stattdessen sagte man dass der Sarg leer wäre, oder dass in der Gruft ein totes Tier an seiner Stelle bestattet worden sei. Die Leiche von David Joris würde stattdessen einbalsamiert an geheimem Ort verehrt. Da man ohnehin bereits erwog die Leiche des entlarvten Ketzers zu verbrennen, wurde das Grab geöffnet.

portrait joris und grabstein van berchem

David Joris nach einem Jan van Scorel zugeschriebenen zeitgenössischem Gemälde. Rechts: Grabstein von Joris' 1574 verstorbenen Schwiegersohn Joachim van Berchem auf dem Kirchhof St.Margarethen in Binningen.

Das Gerücht erwies sich als haltlos, aber die letzte Ruhe von Joris war ohnehin beendet. Bereits im Januar 1559 empfahlen akademische Gutachter, die Leiche des Urhebers der Ketzerei auszugraben und den Flammen zu übergeben. Nach kaiserlichem Recht sei die Hinrichtung durch das Feuer auch für tote Ketzer innerhalb von fünf Jahre nach deren Tod zulässig. Der Liechnam wäre also auch ohne Gerücht ohnehin exhumiert worden.

Indes bekamen die Verhörichter ihre lange erhofften Geständnisse. Joachim van Berchem, David Joris' Sohn Jörg und Nicolas van Blesdijk gestanden nach wochenlangem Leugnen was die Indizien schon längst belegten. Joachim erzählte den Untersuchungrichtern, dass Joris hier unter falschem Namen gelebt habe und einer religiösen Gemeinschaft eigener Lehren vorgestanden habe. Einige seiner Gefolgsleute seien auch nach Basel gekommen.

Die Geständnisse

Van Berchem betonte bei seinem Geständnis am 8. Mai 1559, dass er selbst als Gefolgsmann anfänglich die Lehren von Joris nicht richtig verstanden habe, und mittlerweile gründlich darüber nachgedacht habe und numehr nichts anderes mehr glaube was von Basels Kanzeln gepredigt werde. Auch Jörg gestand. Suspekt wirkt bei ihm, dass das Protokoll Aussagen wiedergibt welche sehr genau dem entsprechen was man von ihm hören wollte.

Man legte ihm, wie den anderen Verhörten, mehrere Artikel vor, in welche man nach dem Studium beschlagnahmter Schriften und nach Hendrick van Schors Bericht die Lehren von Joris im Sinne der Anklage zusammenfasste. Einzig Jörg von Brügge gab an dass diese Artikel der Wahrheit entsprächen. Vielleicht brach er unter der Last der langen Haft zusammen. Van Berchem wie auch Van Blesdijk wiesen die Artikel zurück.

Der Zweifler Nicolas van Blesdijk hatte vorerst ebenso wie die anderen geleugnet. Obschon er sich bereits zuvor der Gemeinschaft entfremdet hatte, teilte er ihr Schicksal und gestand schliesslich auch. Zusammen mit anderen Männern der Gemeinschaft wurden Van Blesdijk, Van Berchem und Jörg von Brügge am 12. Mai aus der mehrwöchigen Haft gegen eine geschworene Urfehde entlassen. Sie erwarteten nun das Urteil des Gerichts.

Das Urteil

Der Gericht verurteilte die Mitglieder der Gemeinde von David Joris zur öffentlichen Abbitte. Sie wurde am Dienstag dem 6. Juni 1559 bei der Wochenpredigt im Münster geleistet, wobei sie die Verurteilten öffentlich die Lehren ihre Propheten verdammten und auf Knien mit erhobenen Armen Gott und die Kirche um Verzeihung bitten mussten. Feierlich nahm sie danach der Antistes in den Schoss der Kirche auf.

Die Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche war mit einer Reihe von Bedingungen verbunden, so durften die Verurteilten keine Bücher mehr aus ihrer Heimat besitzen und Gäste aus ihrer Heimat mussten in einem Gasthaus nächtigen aber keinesfalls unter ihrem Dach. Ihre Kinder mussten in öffentliche Schulen geschickt werden, und es war ihnen verboten jemanden im Personenkreis der aufgelösten Gemeinschaft zu heiraten.

Gemäss Severin Erzenberger, Pfarrer zu St.Alban, habe Rat für die führenden Köpfe der Gemeinde hohe Geldbussen verhängt, die jedoch in den entsprechenden Finanzakten nicht erscheinen. Ein Indiz dafür dass sie wohl nicht wirklich eingefordert wurden. Ferner hätten die Besitztümer die unter dem Namen von David Joris erworben wurden beschlagnahmt werden sollen. Auch dies geschah nicht. Härte wurde indes gegen Joris geübt.

Ein schauerhaftes Spektakel

Am 13.Mai wurde im Hof des Rathauses eine Kiste mit Büchern von Joris aufgestellt. Aus ihr ragte eine Stange die das Bildnis des toten Angeklagten trug, über den Blutgericht gehalten wurde. Zuerst wurde das Urteil über die Bücher verkündet; der Henker sie als erzketzerische Schriften verbrennen. Über die Leiche von David Joris wurde das gleiche Urteil verhängt. Sie sollte verbrannt werden, als wäre Joris noch am leben.

Christian Wurstisen schildert in seiner Basler Chronik 21 Jahre später die befremdliche Szene auf der "gewöhnlichen Richtstatt" vor dem Steinentor. Der Henker öffnete den Sarg und man sah den Leichnam der trotz der drei Jahre seit seinem Tod durch die Verwesung noch nicht unerkenntlich geworden war. Joris' bärtiges Haupt ruhte auf einem Kissen trug eine seidene und rotgefütterte Haube sowie einen Kranz aus Rosmarin.

Der Leichnam war bekleidet mit einem Totenhemd aus Leinen über dem er einen Rock aus Kamelot (Stoff aus Kamelhaar) trug. Ferner hatte man dem Toten zur Bestattung Stiefel und Handschuhen aus Leder angezogen. Vor einer grossen Zuschauermenge wurde die Leiche von David Joris, die noch drei Jahre zuvor mit allen Ehren zu St.Leonhard bestattet worden war, den Flammen übergeben. Es war ein schauerhaftes Spektakel.

Der ruhelose Geist

Vermutlich fachte des Skandal um sein Doppeleben und die Verbrennung seiner Leiche die Fantasien um David Joris an. Jedenfalls kursierten schon bald Geschichten von übernatürlichen Erscheinungen um ihn. Wurstisen berichtet in seiner Chronik etwa von einem kalten Strahl der in der Stunde seiner Todesnot am Heuberg wo er wohnte eingeschlagen habe. Immmer wieder erscheint der Spiesshof als Ort seiner Umherspukens.

Mit zwei grossen schwarzen Hunden sei er dort schon umgegangen, merkwürdigerweise seinen Kopf unter dem Arm tragend. Um 1900 sei er im Keller des Spiesshofs erschienen, und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sei ein dort lebender Deutscher dem Geist mehrfach begegnet. Zuletzt habe sich Joris im Herbst 2007 über sein Schicksal klagend im Hof der Liegenschaft mit einem Bediensteten an seiner Seite materialisiert.

Auch in Binningen, wo seine Gemeinschaft das Binninger Schloss und das Holeeschlösschen sowie das Margarthengut besassen, sei David Joris umgegangen. Zu Fuss oder zu Pferd sei er immer wieder auf den Wegen vom Täuferloch oder vom Holeeholz, gemächlich dem Dorfe zustrebend, erschienen. Auch im Binniger Schloss habe er gespukt. Sein Landgut in Binningen habe er bei Sonnenschein und Nebel gleichermassen heimgesucht.

Résumé

Der Blick der Basler Nachwelt auf David Joris ist geprägt vom Zorn jener die sich damals von ihm getäuscht sahen. Der Blickwinkel derer die über ihn richteten beeinflusste für Jahrhunderte das was über ihn geschrieben wurde. Christian Wurstisen widmete Joris in seiner Basler Chronik 1580 fast fünf ganze Seiten und schrieb das skandalträchtige Bekanntwerden seines Doppellebens konkret dem rächenden Willen Gottes zu.

Im 1926 erschienenen XVII. Band über das Bürgerhaus in der Schweiz, beschrieben Karl Stehlin und Paul Siegfried Basler Baudenkmäler. Im Beitrag zum Spiesshof wird Joris ausführlich angesprochen und gehässig als nicht von ehrlicher Überzeugung erfüllter Schwärmer sondern ein auf seinen persönlichen Vorteil bedachten Betrüger mit zügellosem Sexualleben bezeichnet. Bemerkenswert für einen an sich bauhistorischen Artikel.

Löst man den Blick vom derart gewachsenen Bild des heuchlerischen Erzketzers, so kann man auch Dinge erkennen die David Joris nahbar machen. Beispielsweise hätte er es genossen Morgens auszuschlafen. Auch gutes Essen habe ihn erfreut, und er habe als liebevoller Grossvater gerne mit seinen Enkelkindern umhertollte. Er habe anderseits auch paranoide Züge an den Tag gelegt, vor allem zum Schluss, und sei gleichsam wenig kritikfähig gewesen.

Sympathisch mutet wiederum seine religiös motivierte Ablehnung bewaffneter Gewalt für das moderne Verständnis an. Die Geisteranekdoten lassen den einstigen Zorn spüren; die Hoffnung dass eine höhere Macht Joris büssen lasse. Die Spukgeschichten kamen bezeichnenderweise erst nach der Enthüllung des Doppellebens auf. Immerhin haben diese Geschichten die Erinnerung an eine schillernde Basler Gestalt über 450 Jahre am Leben gehalten.




Interne thematische Querverweise:

>> Der Spiesshof am Heuberg (Wohn- und Sterbestätte von Joris)

>> Das Holeeschlösschen in Binningen (1553 durch David Joris erbaut)

>> Schloss Binningen (Domizil des Joachim van Berchem)




Beitrag erstellt 15.04.08 / Flüchtigkeitsfehler korrigert 08.01.17

Quellen:

Friedrich Wilhelm Bautz, Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band I (1990), Spalte 1234, publiziert im Internet unter: http://www.bautz.de/bbkl/d/david_joris.shtml

Emil Blum/Theophil Nüesch, Basel Einst und Jetzt, Eine kulturhistorische Heimatkunde (Textband), Verlag Hermann Krüsi, Basel, 1913, Seiten 91 bis 92

Paul Burckhardt, Beitrag "David Joris und seine Gemeinde in Basel", publiziert in Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Band 48, herausgegeben von der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft zu Basel, Verlag der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft, Basel, 1949, Seiten 5 bis 106

Paul Burckhardt, Beitrag "David Joris", publiziert in Basler Biographien, Band 1, 1900, Verlagsbuchhandlung Benno Schwabe, Basel, 1900, Seiten 91 bis 157

Eugen Anton Meier, Das sagenhafte Basel, 1987, Litera Buch- und Verlags-Aktiengesellschaft, ISBN 3-906-701-02-6, Seiten 96 bis 98

Eugen Anton Meier, Basel Einst und Jetzt, 3. Auflage, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1995, ISBN 33-85815-266-3, Seite 164

Karl Stehlin/Paul Siegfried, Beitrag "Spiesshof, Oberer Heuberg 7", publiziert in Das Bürgerhaus in der Schweiz, Band 22, Kanton Basel-Stadt (II.Teil), herausgegeben vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein, Orell Füssli Verlag, Zürich, 1930, Seiten 57 bis 58

René Teuteberg, Basler Geschichte, 2.Auflage, Christoph Merian Verlag, Basel, 1988, ISBN 3-856-16-034-5, Seiten 233 bis 234

Christian Wurstisen, Bassler Chronick, Sebastian Henricpetri, Basel, 1580, Seiten 632 bis 636 (Jahr 1559)

engel

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