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huelftenschanze
2. August 1833 - 15.00 Uhr bis Mitternacht

Der Sturm zieht auf

Basel-Stadt tat sich schwer mit der Anerkennung des Landkantons durch die Eidgenössische Tagsatzung im September 1832. Man hatte zuvor alle Register gezogen um eine Abspaltung des Landes von der Stadt zu verhindern. Dabei war man oft unsensibel vorgegangen, was Emotionen schürte und den Konflikt verschärfte. Ein Problem waren jene Gemeinden, die nach der Anerkennung des neuen Kantons loyal zur Stadt blieben. Etwa im Reigoldswilertal oder das isolierte Diepflingen im Homburgertal; umgeben von landschäftlich gesonnenen Nachbarn.

mentelinhof

Münsterplatz 14, der Mentelinhof, Amtswohnung von Bürgermeister Johann Rudolf Frey. Hier traf sich die Militärkommission und hierhin führte Emanuel Hübscher, Sohn des gleichnamigen Ratsherrn und Präsidenten der Kommission, am Abend des 2.August eine aufgestachelte Menge um den Ausmarsch zu fordern.

Der Grosse Rat Basels hatte im Oktober 1832 beschlossen, den loyalen Gemeinden Hilfe zu garantieren. Bei Feindseligkeiten gegen diese Dörfer war ihnen ein umgehendes militärisches Eingreifen der Stadt zugesichert worden. Bei Alarm sollten Basler Truppen ausmarschieren um den "Brüdern in Not" Hilfe bringen, und um Liestal den Hauptsitz des Gegners zu besetzen. Diese Garantie war die Keimzelle der Ereignisse vom 3. August 1833. Einige solcher Gemeinden lebten in ständiger Furcht vor gewaltsamen Übergriffen - allein ihre Existenz provozierte.

Um ihnen Hilfe zu bringen waren lange Märsche durch feindselig gesonnenes Gebiet nötig. Dies barg die permanente Gefahr einer Eskalation der heiklen Lage und war auch militärisch riskant. Auf einen Krieg war die Landschaft vorbereitet. Oberst Kottmann aus Solothurn hatte im Auftrag Liestals ein Verteidigungskonzept erstellt. Vier Kanonen waren in Luzern gekauft worden. Man hatte die Hülftenschanze verstärkt und zusätzlich die Birchschanze und eine Schanze ob der Griengrube bei Frenkendorf errichtet. Auch Basel hatte sich gerüstet.

Durch Anwerbungen war die Standeskompanie, das Basler Berufsmilitär, bis Januar 1833 auf eine stattliche Stärke von 390 Mann gebracht worden. In Liestal befürchtete man anfangs August 1833 eine Gegenrevolution konservativer Kräfte und mobilisierte bewaffnete Mannschaften. Derweil mündete im Oberbaselbiet das Misstrauen unter Nachbarn verschiedener Gesinnung in Schiessereien. Der Gewaltausbruch kostete einen Reigoldswiler das Leben. Der Baselbieter Regierungsrat Johannes Meyer wurde am 2. August ins Waldenburgertal geschickt, um die bewaffneten Landschäftler zur Zurückhaltung zu mahnen.


regierungsrat johannes meyer
Regierungsrat Johannes Meyer

Auf Johannes Meyers Schultern ruhten in den kommenden 24 Stunden schwere Lasten. Als Sohn eines Tierarztes und Gastwirts wurde er am 9. Oktober 1801 in Itingen geboren. Die kaufmännische Lehre absolvierte er in Basel, der Stadt die ihm nun zum Feind wurde. Bis vor wenigen Jahren war er noch Kaufmann in Lyon. Dann stellte er seine Fähigkeiten in den Dienst des neu gegründeten Kantons Basel-Landschaft. Als Regierungsrat war er in den Brennpunkt des Geschehens geraten. Er ahnte nicht dass er bald schon auf dem Schlachtfeld inmitten von Blutvergiessen stehen würde.

Auch in Basel trafen schlechte Neuigkeiten ein. Die Regierung bemühte sich um Augenmass. Weder Liestal noch Basel wollten einen bewaffneten Kampf. Die Basler Bürgerschaft forderte aber angesichts vermehrt eingehender Hilferufe vom Land entschiedene Schritte. Der Druck von der Strasse wuchs. Im Rat von Basel gewannen die Befürworter eines militärischen Eingreifens an Einfluss. Zu deren lautesten Stimmen zählte Emanuel Hübscher, Präsident der Militärkommission. Sein gleichnamiger Sohn Emanuel schürte auf den Strassen die Stimmung für einen Feldzug.

Ratsherr Emanuel Hübscher stammte aus einfachen Verhältnissen. Er wurde am 11. Dezember 1774 als Sohn des Kürschners und Pfundzollers Emanuel Hübscher-Ramsperger geboren und erlernte das Handwerk seines Vaters. Bis er vierzig Jahre alt war, quälten ihn oft wiederkehrenden Kopfschmerzen. 1799 heiratete er die 19jährige Maria Magdalena Stehelin, deren Tod im März 1818 er nie ganz verwand. Von seinen sechs Kindern überlebten nur gerade zwei ihren Vater. Als Ratsherr stand er nun vor einer Krise die ihn an seine Grenzen brachte.

Unruhe in Basels Strassen

Auf dem Martinsturm des Münsters gab es seit einiger Zeit einen Beobachtungsposten um den Vogelberg bei der Passwang im Auge zu behalten. Dort sollte im Notfall ein Höhenfeuer als Alarmzeichen Basler Hilfe anfordern. Die Stimmung in der Stadt war angespannt. Am 2. August liess die Militärkommission die milizpflichtige Mannschaft auf Pikett stellen. Eine Menschenmenge sammelte sich am Abend vor dem Stadtkasino wo die Militärkommission tagte. Dann zogen die Leute zum Mentelinhof am Münsterplatz, dem Sitz von Amtsbürgermeister Frey.

Laut forderte der vom jungen Hübscher geführte Volksauflauf nach militärischem Ausmarsch. Um 21.00 Uhr traf sich die Regierung im Rathaus zur Nachtsitzung um über die zugespitzte Lage zu beraten. Auf dem Marktplatz lief das Volk zusammen. Die Eifrigsten waren in den Hof des Rathauses vorgedrungen, wo sie ankommende Ratsherren heftig drängten, einen von der Volksstimmung verlangten Militäreinsatz zu unterstützen. Weitere Meldungen vom Land trafen ein: Diepflingen sei umzingelt, und Gelterkinden werde ohne rasche Hilfe aus Basel bald verloren sein.

Eine Erpressung ebnet den Weg zum Militäreinsatz

Die Hilferufe aus den bedrängten Gemeinden kamen nicht von verängstigen Dorfbewohnern. Sie stammten von baslerischen Beamten und Offizieren vor Ort, bei denen die Nerven blank lagen. Während Liestal mit seiner Mobilisation einer vermuteten Verschwörung zuvorkommen wollte, deuteten dies die Vertreter Basels als Aggression. Emanuel Hübscher schoss wütend auf und drohte dem Kleinen Rat, dass er dem ungeduldigen Volk die Namen jener nennen werde, welche den Bedrängten auf dem Land nicht Hilfe helfen wollten.

Die Erpressung von Ratsherr Hübscher war erfolgreich. Als er sich dranmachte, den Ratssaal zu verlassen um seine Drohung umzusetzen, wurde er zurückgehalten. Einigen Ratsherren war unwohl geworden beim Gedanke an die aufgehetzte Menge vor dem Rathaus. Alle Bedenken verflogen. Bis 24.00 Uhr einigte man sich, der Militärkommission unter Hübschers Präsidium freie Hand bei Hilfeleistungen zugunsten der stadttreuen Gemeinden zu lassen sei. Noch war kein militärischer Ausmarsch befohlen. Doch der Weg dazu war nun offen.

rathaus basel

Marktplatz mit Rathaus (um 1870 nach Ludwig Rohbock), wo sich am 2. August 1833 um 21.00 Uhr der Kleine Rat zur Krisensitzung traf, während sich daraussen das aufgebrachte Volk versammelte. Hier setzte Ratsherr Emanuel Hübscher seine Forderung nach einem Ausmarsch des Militärs mit einer Drohung durch.


dietrich wettstein
Wettsteins letzter Nachkomme

Eine Eilkutsche der Post preschte am Fusse des Schwarzwalds durch die Nacht. In ihr sass Dietrich Wettstein. Geboren 1795 als Sohn von Rudolf Emanuel Wettstein und Valeria Iselin, war er der letzte männliche Nachkomme des grossen Basler Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein. Als Kaufmann hatte ihn sein Beruf oft weit weg von Basel geführt, nach Schweden, nach Italien und sogar nach Brasilien. Dietrichs letzte Reise ging nicht so weit. Am 9. Juli war er zur Erholung nach Rippoldsau im Schwarzwald gefahren, ein beliebter Badekurort.

Seinen verhängnisvollen Hang zu soldatischer Ehre hatte er wohl von seinem Vater geerbt. Dieser trat nach seiner kaufmännischen Lehre in Lyon unvermittelt in das 77ème Régiment d'Infanterie de Ligne ein, auch bekannt als Régiment de La Marck. Zurück in Basel übernahm er als Oberstleutnant die Führung eines Bataillons. In seinen Fußstapfen wurde Dietrich Hauptmann. Als er von der Krise in seiner Vaterstadt vernahm, war es für ihn eine Frage der Ehre, sofort nach Basel zu eilen um seiner Pflicht als Milizoffizier nachzukommen.



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Beitrag erstellt 06.08.05 / Nachgeführt 31.07.23

Quellen:

August Bernoulli, Basel in den Dreissigerwirren, Band IV - Von der Anerkennung des Kantons Basel-Landschaft bis zur gänzlichen Trennung von 1833, 88. Neujahrsblatt der GGG, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1910, Seiten 31 bis 36

Martin Birmann, Beitrag "Der 3. August 1833", publiziert im Basler Jahrbuch 1888, herausgegeben von Albert Burckhardt und Rudolf Wackernagel, C.Detloff's Buchhandlung, Basel, 1888, Seiten 85 bis 88

Fritz Burckhardt, Beitrag "Johann Rudolf Wettsteins männliche Nachkommen in Basel" publiziert im Basler Jahrbuch 1911, herausgegeben von Albert Burckhardt-Finsler, Albert Gessler und August Huber, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1910, Seiten 83 und 85

René Chartrand, Louis XV's Army, Teil 3: Foreign Infantry, Serie Men-at-arms Band 304, 1997, Osprey Publishing, London, 1997, ISBN 1-85532-623-X, Seite 13 (Regiment La Marck)

Fritz Sutter, "Wo nä Stärn stoht uf em Stei" Blätter aus der Prattler Ortsgeschichte, Verlag Prattler Anzeiger, Pratteln, 1992, Seiten 28 bis 29

Eduard Schweizer, Beitrag "Der Sieg der Schweizerischen Regeneration im Jahr 1833", publiziert in Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Band 46, Verlag der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft, Basel, 1947, eiten 101 bis 104

Adolf Vischer, Die Geschichte des dritten August 1833, Verlag Felix Schneider, Basel, 1888, Seiten 23 und 24

Karl Weber, Die Revolution im Kanton Basel 1830-1833, Verlag Gebrüder Lüdin. Liestal 1907, Seiten 177, 179 und 209 bis 211

Diverse Autoren, Beitrag "Meyer Johannes", publiziert im Personenlexikon des Kantons Basel-Landschaft, Verlag des Kantons Basel-Landschaft, Liestal, 1997, ISBN 3-85673-251-9, Seite 111

Basler Portraits aller Jahrhunderte, Band 3, herausgegeben von W.R.Stahelin, Verlag Frobenius AG, Basel, 1921, Beitrag 56 (zu Dietrich Wettstein)

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