lampe_rheinsprung

zurueck

schlagwortsuche

huelftenschanze
3. August 1833 - 13.30 Uhr bis 15.00 Uhr, Abschnitt 1

lageplan

Bei der Basler Miliz beginnt die wilde Flucht

Wachtmeister Rudolf Hauser sah von der Wartestellung seiner Schützenkompanie aus den Zusammenbruch der Disziplin bei den Basler Truppen. Vor wenigen Minuten hatte er noch mit Oberst Vischer gesprochen, ihn beschworen nochmals angreifen zu lassen. Doch Hauser musste erkennen, dass der oberste Basler Befehlshaber resigniert hatte. Vischer hatte ihn gefragt, was man denn machen solle, nun da die Miliz den weiteren Vormarsch verweigert habe? Hauser meinte, dass man dann geordnet zurückgehen müsse um den Rücken frei zu haben.

Der Schützenwachtmeister hatte erkannt was zu tun gewesen wäre. Aber er begriff, dass Vischer keine Befehlsgewalt mehr hatte. Er sah Hauptmann Theodor Kündig, wie er geschlagen vom Gefechtsfeld kam. Ihm folgten verschwitzte und blutverschmierte Männer der Standeskompanie. Dann geschah es - anstatt die Zurückkehrenden schützend zu decken, begann die Miliz davonzurennen. Zurück blieb die abgekämpfte und geschwächte Standeskompanie. Nach hartem Kampf musste sie nun auch alleine die panische Basler Flucht decken.

Beunruhigt sah Hauser, dass auch der Feind die Lage erfasst hatte. Auf dem Erli und den anderen Höhen wurden die Baselbieter lebhaft und rannten hangab ins offene Rebgelände der Hard zu. Sie wollten den Baslern den Rückzug auf der Landstrasse abschneiden. Als dann eine 4pfünder Kugel von der Birch nahe den Basler Scharfschützen einschlug, brach auch hier Panik aus. Viele flohen mit einem Teil der Miliz den Hang hinunter am Verbandsplatz vorbei zur Strasse am Rheinufer. Hauser beobachtete das Spektakel mit Verachtung.

allgemeine ansicht

Blick von der vorderen Ruine auf dem Muttenzer Wartenberg mit der Lachmatt im Vordergrund. 1 bezeichnet den Anmarschweg der Mannschaften aus dem Birseck. 2 zeigt das brennende Pratteln. 3 markiert den Westhang des Erli, auf dessen anderer Seite sich der Kampf um die Griengrube abspielte.

Die Birsecker legen sich den Basler in den Weg

Joseph Gutzwiler marschierte mit seinen Kameraden ungeduldig dem Gefechtslärm entgegen. Die Birsecker unter Jakob von Blarer folgten der Landstrasse entlang der Hard, von der Lachmatt nördlich an Pratteln vorbei. Als sie dem Gefechtslärm näher und näher kamen, gerieten die Männer von Blarer ins Schussfeld der eigenen Artillerie. Begles Geschütze auf der Birch feuerten in die fliehenden Basler auf der Landstrasse. Dabei wurden diese wiederholt überschossen und zwei Kanonenkugeln gingen nahe der anrückenden Birseckern nieder.

Vor Pratteln sahen sich Blarers Männer unvermittelt dem Feind gegenüber. Die bespannte Basler Artillerie auf dem Rückzug kam direkt auf Joseph Gutzwilers Truppe zu. Erst auf ungefähr hundert Meter Distanz erkannten die Gegner einander. Jakob von Blarer schrie seinen Leuten zu, sofort von der Strasse runterzukommen. Die Birsecker warfen sich links und rechts der Strassegräben ins Gras und machten ihre Gewehre schussbereit. Gleichzeitig protzen die Basler zwei ihrer Kanonen ab um den sich im Feld verteilenden Gegner mit Kartätschen zu beschiessen.

Die Kanonen auf der Birch ziehen ab

Die auf dem Feld verteilten Birsecker boten dem Geschützfeuer kein Ziel. Als klar wurde, dass der Feind geschlagen war, hörte man von den Anhöhen Gejubel der Baselbieter, die begannen den Fliehenden zu folgen. Die Birsecker wichen ständig schiessend vor der Basler Kolonne auf der Landstrasse zur Hard zurück. In offenem Gelände hatten sie keine Chance. War aber Gutzwilers Trupp erst beim Wald angekommen, würden sie aus dem Schutze des Unterholzes den Weitermarsch der Basler bremsen. Deren Weg nach Muttenz führte am Waldrand entlang.

Hauptmann Martin Begle sah mit seinen Kanonieren von der Birch aus, dass die Basler sich zurückzogen, verfolgt von den Siegern. Auch Verstärkung aus dem Birseck war herangerückt und dabei ins Schussfeld seiner Artillerie geraten. Freund und Feind standen sich immer näher und waren ständig in Bewegung. Deswegen war es nun schlicht zu gefährlich geworden, dort hineinzuschiessen. Begle liess aufprotzen damit die 4pfünder über Augst nach der Hard gebracht werden konnten, um an der Verfolgung der fliehenden Basler aktiv teilzunehmen.

Der Verbandsplatz muss schnell evakuiert werden

Carl Gustav Jung und Emil von Speyer arbeiteten fieberhaft auf dem Verbandsplatz. Mehr und mehr Verwundete wurden gebracht. Auch Oberstleutnant Burckhardt war hier verarztet worden. Man hatte dem Kommandanten der Standeskompanie eine Kugel aus dem rechten Fussgelenk operiert. Danach eilte jemand zum Roten Haus um eine Chaise zu besorgen. Der hohe Offizier sollte nicht zusammen mit gemeinen Soldaten auf ein strohgepolstertes Fuhrwerk gelegt werden. Während Soldaten am Verbandsplatz vorbei flohen, waren die Ärzte noch intensiv beschäftigt.

Die Schüsse kamen näher. Dann war das Rasseln der Artillerie zu hören, die oben auf Landstrasse nach Muttenz vorbeifuhr. Die Truppe zog ab und liess die Ärzte zurück. Nur noch wenige Verwundetenwagen waren da. Letzte Verbände wurden angelegt; eilig vollendet was möglich war. Gehunfähige wurden auf Wagen gelegt. Für die Mediziner blieb am Ende nur die Flucht auf eigene Faust. Einige eilten zum Rhein, wo Dr. Karl Ryhiner ans deutsche Ufer entkommen konnte, während Dr. Carl Gustav Jung auf einem Weidling entkam und andere nach Augst flohen.

Tod beim Hohenraingut

Unter den Fliehenden sah Rudolf Hauser einzelne Fuhrwerke, mit Verwundeten beladen. Einer der Wagen kippte am Hang des Raines um bevor er auf die Strasse kam. Hauser half den Wagen aufzurichten und die herausgefallenen Verwundeten einzuladen. Auf der Strasse sah er auch den Wagen wieder, den die Scharfschützen am Morgen von St.Jakob mitgebracht hatten. Er war beladen mit vier Verwundeten und sollte später eine dramatische Rolle spielen. Die zurückgehenden Basler auf der Landstrasse erreichten das Gut beim Hohen Rain.

Remigius Frey-Werenfels, Vogt auf Münchenstein, hatte im 17. Jahrhundert auf dem Hohen Rain 20 Jucharten Land gekauft um dort ein Hofgut zu bauen - den ersten Basler Landsitz Prattelns. Mit Matthis Oswald erwarb 1807 der Oberbüchsenmeister der Basler Feuerschützen das Gut um es 1814 umzubauen. Die helle Fassade der Scheune mit ihrem Krüppelwalmdach war hinter einer Reihe kleiner Bäume von der Strasse aus zu sehen. Das Wohnhaus verbarg sich hinter grösseren Bäumen. Doch dafür hatten Vorbeihetzende wie Kaspar Oser keine Zeit.

Im Zivilleben war Oser kaufmännischer Angestellter bei der Firma Vischer & Söhne. Beim Feldzug im August 1831 war er mit sieben Mann kühn in die Gassen von Liestal vorgedrungen. Als Feldweibel der Miliz hatte er sich heute der Standeskompanie angeschlossen. Er übernahm die Führung des zweiten Zuges der Vorhut unter Lukas von Mechel. Vom ersten Zug war bereits Feldweibel Xaver Staub gefallen. Nun geriet Osers Zug ins Feuer der Birsecker, die sich im Feld verteilt hatten. Einer traf Kaspar Oser tödlich. Seine Leiche wurde liegengelassen.

Von Blarers Birsecker hatten sich vor den anrückenden Baslern als Schützenkette auf den Feldern beidseits der Landstrasse verteilt, wo sie bereits von zwei Kanonen beschossen worden waren. Ihr ständiges Gewehrfeuer motivierte noch einmal die Basler. Deren Vorhut stürmte zum Bajonettangriff über das offene Feld auf die gegnerischen Schützen. Von Blarers Leute hatten bereits vor den Basler Kanonen zurückgehen müssen. Auf einen Nahkampf mit der Infanterie liessen sie sich nicht ein und zogen sich schiessend zurück bis zum Waldrand der Hard.



Infobox - Die Baselbieter Infanterie am 3. August 1833

ein schuetze der mannschaft von blarers

Die Baselbieter Streitmacht war 1831 aus der Basler Landmiliz hervorgegangen. Sie zogen in Werktagskleidern ins Feld weil Ihre Miliz-Uniformen hätten zu Verwechslungen mit dem Truppen der Stadt führen können. Sie liessen sich auf keinen offenen Feldkampf mit den geschlossenen Basler Verbänden ein, sondern kämpften in lockeren und beweglichen Formationen. Die Landmiliz war von Basler Offizieren befehligt worden. Da diese nun fehlten, übernahmen andere die Führung. Dabei waren Männer wie Jakob von Blarer mit Erfahrungen in fremden Kriegsdiensten wichtig.


Beim Roten Haus

Remigius Merian sah einen Basler in Begleitung eines Soldaten zum Wirtshaus kommen. Sie baten ihn um eine Chaise für den verwundeten Oberst Burckhardt. Von den beiden erfuhr Merian von beginnenden Basler Rückzug. Die Bitte nach der Chaise schlug er ab. Er wusste, dass er später weder Pferd noch Wagen zurückbekäme. Freiwillig gäbe er nichts. Während des Gesprächs hallten immer lautere Schüsse. Im Wald war das Rufen der Baselbieter zu hören. Das Gefecht rückte beängstigend nahe. Der Basler und der Soldat gingen wieder ohne Wagen.

Die Knechte Merians verbarrikadierten den Hofeingang. Da zischten Kugeln an ihnen vorbei. Sie liessen alles fallen und rannten weg. Merian suchte beim Brunnen hinter dem Haus Schutz. Kugeln schlugen ins Dach; Ziegelsplitter fielen herunter. Ein durstiger Standessoldat kam zum Brunnen. Er erzählte vom Chaos bei den Fliehenden. Immer mehr Soldaten auf der Flucht kamen aus den nahen Reben zum Roten Haus. Unter ihnen der 30jährige Milizoffizier Ludwig Oswald. Aufgeregt ging Merian den Baslern entgegen und rief ihnen zu, dass sie weitergehen sollten.

Das Rote Haus war kein sicherer Ort. Baselbieter standen bereits in Rufweite. Wer hier blieb drohte umzukommen. Mit rasendem Herzen schritt Merian auf Aide-Major Oswald zu und herrschte ihn an "Um Gottes Willen, was habt ihr angestellt!" Der Basler Offizier antwortete betreten, dass man nun wohl im Dreck sitze. Merian beschwor ihn mit seinen Leuten weiterzugehen. Der Ort sei gefährlich und der Gegner nahe. Oswald fragte nach einem Boot, aber es war keines mehr da. Während des Gesprächs sah Merian mit Unbehagen mehr Basler ankommen.

Hauptmann Stehlin rettet eine Kanone

Von Blarers Männer zogen sich zwar zurück, aber eine andere Gefahr drohte der Rückzugskolonne auf der Strasse am Hohen Rain. Von den Hängen über Pratteln rannten weitere Baselbieter herunter. Aus den Prattler Reben schossen sie der Basler Kolonne in die linke Flanke. Die Masse bot ein leichtes Ziel. Um dem Rückzug etwas Luft zu verschaffen, protzte die vorletzte Basler Kanone ab. Mit einigen Kartätschen sollte der Feind in den Reben auf Distanz gehalten werden. Derweil rasselte die letzte Basler Kanone am abgeprotzten Geschütz vorbei.

Die Basler Artillerie hatte keinen militärischen Train. Stattdessen besorgten zivile Fuhrknechte mit ihren Pferden den Transport. Diese hatten kein Verlangen danach, Pferde oder Leben auf einer staubigen Landstrasse zu verlieren. Als das letzte Geschütz vorbeipreschte, schloss sich ein Fuhrknecht der feuernden Kanone mit Pferden und Protze an. Das Geschütz überliess er seinem Schicksal. Artilleriehauptmann Stehlin schrie ihn vergebens an zurückzukommen. Dann riss er eine Pistole aus dem Sattelholster und gab seinem Pferd die Sporen.

Johann Jakob Stehlin war 1803 geboren worden. Sein Vater starb als er neun war. Die Bubenjahre verlebte er in der väterlichen Schreinerei an der Malzgasse. Dort lebte auch sein Onkel, Ratsherr Johann Georg Stehlin, um nach dem Tod seines Bruders dessen Familie beizustehen. Johann Jakob erlernte das Handwerk des Zimmermanns und heiratete 1825 Margaretha Hagenbach. Sie kriegten drei Söhne von denen der älteste sieben und der jüngste zwei Jahre alt war. Wie sein Onkel war auch Johann Jakob Artillerist geworden. Gerade verlor er eine Kanone.

Stehlin hatte den fliehenden Fuhrknecht eingeholt und richtete seine Pistole auf ihn. Er drohte ihn niederzuschiessen, wenn er nicht sofort warte. Murrend zügelte der Knecht die Pferde. Artilleristen und helfende Infanteristen schleppten die schwere Kanone vierzig Meter zur Protze. Unterwegs wurden zwei Kanoniere angeschossen. Endlich fuhr das angehängte Geschütz weiter. Höchste Zeit. In der Nähe war ein Munitionswagen der Infanterie mit schwer verwundetem Trainsoldaten liegengeblieben. 12'000 Schuss Munition fielen dem Gegner in die Hände.

illustration gruppe standessoldaten

Die Standeskompanie auf dem Rückzug. Nach verlustreichem Kampf musste sie auch noch die Flucht der Basler Truppen decken. Im Gegensatz zur Miliz hielt die Standeskompanie ihre geschlossene Formation auf dem Rückzug lange aufrecht.

Schusswechsel am Rand der Hard

Joseph Gutzwiler hatte sich mit den Birseckern kämpfend zum Rand der Hard zurückgezogen. Mit Freunden aus seinem Dorf rannte er von Deckung zu Deckung um dazwischen einen Schuss auf die Basler Kolonne abzugeben. Einmal spürte er wie eine Kugel genau in jenen Baum einschlug hinter dem er Schutz gesucht hatte. Auf der gegnerischen Seite rannte Wachtmeister Hauser von den Scharfschützen über das Feld neben der Strasse am Prattler Rain. Von den Leuten seiner Kompanie folgte ihm als einziger Johann Jakob Bernoulli, der Apotheker vom Fischmarkt.

Bernoulli war nie zuvor im einem Gefecht. Er hielt sich einfach an den erfahrenen Unteroffizier Hauser. Gemeinsam gingen sie auf dem Feld in Stellung und begannen auf den Gegner zu schiessen, den man hin und wieder sah wenn er sich im Gebüsch bewegte. Für einige Minuten boten die beiden den Birseckern die Stirn und hielten im Kugelhagel aus. Dann bemerkte Hauser dass ihnen doppelte Gefahr drohte. Auf der Strasse am Prattler Rain hinter ihnen schossen Basler Soldaten auch auf den Waldrand. Hauser und Bernoulli lagen unter Feuer von beiden Seiten.

Durch die Schiesserei hörte Bernoulli Hauser rufen. Er schrie, dass sie die gefährliche Position verlassen müssten. Sie liefen Gefahr, von eigenen Leuten getroffen zu werden. So hetzten sie wieder auf die Strasse zu den anderen. Dort sah Hauser Major August Wieland heranreiten. Der Kommandant der Basler Artillerie geriet plötzlich unter sein Pferd als es getroffen zu Boden ging. Einige Soldaten kamen dazu und zogen ihn unter dem Tier hervor. Wie unter Schock ging Wieland zu Fuss weiter. Seine Pistolen liess er in den Sattelholstern stecken.

Unglück bei der zweiten Baselbieter Batterie

Mit einigen Infanteristen hatten die Kanoniere des Vierpfünders unter Mühen ihr Geschütz aus dem Graben an der Hülftenbrücke gezogen. Mittlerweile war die von Pferden gezogene Kanone samt Protze und Munition längst weitergefahren. Die Männer gingen wieder an die Zugseile um ihre kleine Kanone in Gang zu bringen. Das manuelle Ziehen einer Kanone war kompliziert. Der Zug musste von den Ziehenden auf beiden Seiten des Geschützes gleichmässig ausgeübt werden. Geschah dies nicht, gerieten die Räder aus der Spur

Der Vierpfünder den sie zu ziehen hatten war einer von vieren, welche die provisorische Regierung in Liestal im November 1832 für 11'000 Franken in Luzern kaufte. Es waren alte Modelle mit Lafetten nach dem System Gribeauval. Jedes einzelne der Geschütze wog beinahe eine halbe Tonne und war schwer zu ziehen. Bei den Wannenreben geriet der Vierpfünder erneut ausser Kontrolle. Die schwere Kanone kam unversehens aus dem Gleichgewicht und kippte. Einem Kanonier riss sie dabei ein Bein ab und auch ein Offizier wurde durch das Geschütz verletzt.

Zwischen Prattler Rain und dem Roten Haus

Der Wagen den die Scharfschützen am Morgen von St.Jakob mitgebracht hatten, war mit drei Verwundeten beladen. Ausserdem sass auf ihm ein betrunkener Adjutant-Unteroffizier der Miliz. Das von nur einem Pferd gezogene Fuhrwerk bewegte sich auf der Strasse zum Roten Haus im ständigem Gewehrfeuer vom nahen Waldrand. Jeden Augenblick konnte eine Kugel die Passagiere treffen. Der betrunkene Unteroffizier zwang den Fuhrmann die Strasse zu verlassen. Es brachte aber keinen Schutz, einige Meter neben der Strasse auf offener Wiese zu fahren.

Der Fuhrmann gehorchte dem Unteroffizier und versuchte den Wagen auf die Wiese zu lenken. Doch als die Räder durch den Strassengraben rumpelten, kam der Wagen aus dem Gleichgewicht und schlug um. Die Verwundeten fielen aus dem kippenden Gefährt. Der Adjutant rappelte sich rasch auf und rannte einfach davon. Soldaten eilten von der Strasse herbei, unter ihnen Wachtmeister Hauser. Gemeinsam richteten sie den Wagen wieder auf und betteten die Verwundeten auf das Stroh. Mit einem angeschossenen Kanonier kam ein weiterer Passagier dazu.

Inmitten des Feindfeuers wollte der Wagen die Fahrt zum Roten Haus fortzusetzen. Da traf eine Kugel das Pferd. Der Fuhrmann stopfte die blutende Wunde mit Papier; trieb das geschundene Tier verzweifelt weiter. Eine weitere Kugel traf den linken Vorderlauf des Pferds. Unter Qualen zerrte die leidende Kreatur den Wagen mit den Verwundeten stossweise weiter. Immer mehr gerieten sie ins Hintertreffen. Das Rote Haus war nahe, als mehrere Baselbieter über das Feld auf dem Wagen losgingen. Wachtmeister Hauser sah die Gefahr und handelte.

Vergebens bat er vorbeirennende Standessoldaten; zu helfen. Es längen welche von ihnen auf dem Wagen. Sie schossen auf den Feind und rannten weiter. Träfe er einen der Angreifer, dachte sich Hauser, wären die anderen mit ihm beschäftigt und der Wagen gewänne Zeit. Er kniete hin, zielte und verfehlte. Zeit für einen zweiten Schuss blieb nicht. Schon waren um die zehn Mann beim Wagen. Sie hielten das lahmende Fuhrwerk an. Ein Verwundeter nach dem anderen wurde rausgezerrt und vor den Augen der anderen umgebracht. Nur der Fuhrmann blieb verschont.

Alles ist auf der Flucht zum Roten Haus

Leutnant Johann Jakob Wick kämpfte um die Disziplin der Standeskompanie. Er ritt auf dem Pferd seines verwundeten Vorgesetzten Burckhardt ständig hin und her. Die Kompanie musste beisammen bleiben. Verfiel sie wie die Miliz in kopflose Flucht, war sie nicht mehr zu gebrauchen. Lange blieb die geschlossene Formation der Truppe intakt. Dadurch wurde der panische Rückzug der Miliz gedeckt. Doch immer mehr Standessoldaten fielen angeschossen zu Boden. Ihre Kameraden wollten nicht länger geopfert werden, damit die Milizsoldaten davonlaufen konnten.

Rudolf Hauser sah vor sich eine Gruppe Standessoldaten abmarschieren. Sie brüllten den hinter ihnen folgenden Milizsoldaten ihren Zorn entgegen:

"Nie hätten wir geglaubt, dass die Basler Bürger uns im Stiche lassen und uns so alleine kämpfen liessen!"

Hauser antwortete, dass sie Unrecht hätten. Er sei ja auch einer dieser Bürger und teile jede Gefahr mit ihnen. Doch die wenigen Milizsoldaten die mit ihnen aushielten täuschten nicht darüber hinweg, dass die meisten Bürger in Uniform die Standeskompanie erbärmlich im Stich gelassen hatten. Zu den Mutigeren der Miliz gehörte auch Hauptmann Stehlin, der bereits waghalsig eine Kanone rettete. Ihm begegnete Hauser an jener Stelle an der die Strasse nach Pratteln auf die der Landstrasse nach Augst dem Rhein entlang traf.

Stehlin war niedergeschlagen. Hauser regte an, abzuprotzen um einige Kartätschen ins vom Feind besetzte Gebüsch zu feuern. Der Hauptmann lehnte die Idee ab. Er hatte bereits fast ein Geschütz verloren. Nun lagen sie so weit im Hintertreffen, dass es zu gefährlich war nochmals abzuprotzen. Stehlin wusste genau, dass die um sie herum fliehende Infanterie nicht mehr dafür zu gebrauchen war um das Geschütz in Feuerstellung zu decken. Und ohne Schutz der Infanterie war es Wahnsinn die Kanone zum Schuss von den Pferden abzuspannen.

rothaus heute

Der Gebäudekomplex Rothaus (rechs von der Strasse) des Chemieunternehmens Clariant nahe der Bushaltestelle Schweizerhalle (2008). Hier befand sich 1833 das Wirtshaus Rotes Haus von Remigius Merian. 1907 erwarb die Christoph Merian Stiftung das Rote Haus und verkaufte es 1918/20 an die Sandoz.

Beim Roten Haus

Immer mehr Basler kamen auf der Landstrasse am Rhein zum Roten Haus. Einige von ihnen waren querfeldein geflohen. Andere gehörten zu den ersten von jenen die auf der Strasse den Prattler Rain hinab gekommen waren. Der Wirt Remigius Merian eilte den Soldaten entgegen um sie zu warnen. Er wusste, dass im nahen Wald bereits Baselbieter waren, und rief den Soldaten zu, dass sich machen sollten das sie wegkamen. Ein Basler trat auf ihn zu und setzte im drohend das Bajonett auf die Brust und sagte "Du kommst mir eben recht, du Insurgentenkaib!"

Merian erkannte dass diese Männer nicht mehr zwischen Kämpfer und Unbeteiligten unterschieden. Ein paar Standessoldaten brüllten "Schiess ihn nieder, schiess ihn nieder!" Merian erwartete den Tod. Doch Aidemajor Ludwig Oswald trat dazwischen. Die Soldaten liessen sich aber nichts mehr sagen und es kam zum Gerangel. Remigius Merian erhielt plötzlich von einem Basler das Gewehr an den Hals und die Hand ins Gesicht geschlagen. Dabei brach ihm ein Zahn aus. Die Basler zogen ab vom Roten Haus. Zurück blieb der benommene Gastwirt.

Zeit um sich zu erholen blieb ihm jedoch nicht. Er wollte eben zum Haus gehen als zwei Verwundete gebracht wurden. Einige Kameraden schleppten die beiden Artilleristen zum Roten Haus. Dort liessen sie die zwei auf einer Bank und einer Treppe zurück. Es waren die Kanoniere Johannes Berger von Gelterkinden und Jakob Breitenstein von Riggenbach. Beides Männer vom Land die für die Stadt in dem Kampf gezogen waren. Merian liess die beiden Verwundeten versorgen und ihnen Zuckerwasser bringen. Berger sagte dankbar, wie wohl die Hilfe täte.


lageplan


zurück zu 12.30 bis 13.30 Uhr | weiter zu 13.30 bis 15.00 Uhr Abschnitt 2



Beitrag erstellt 22.07.08 / Nachgeführt 31.07.23

Quellen:

August Bernoulli, Basel in den Dreissigerwirren, Band IV - Von der Anerkennung des Kantons Basel-Landschaft bis zur gänzlichen Trennung von 1833, 88. Neujahrsblatt der GGG, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1910, Seiten 52 bis 54

Walter Betschmann, Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817 - Artillerie III, Verlag Stocker-Schmid, Dietikon-Zürich, 1984, ISBN 3-7276-7059-2, Seite 126 (zu den Vierpfündern der Baselbieter Artillerie)

Martin Birmann, Beitrag "Der 3. August 1833", publiziert im Basler Jahrbuch 1888, herausgegeben von Albert Burckhardt und Rudolf Wackernagel, C.Detloff's Buchhandlung, Basel, 1888, Seiten 107 bis 108

Jakob Eglin, Beitrag "Das Kloster zum Roten Haus", publiziert in Heimatkundliches über Muttenz, neu herausgegeben im Auftrag der Gemeinde Muttenz, Druckerei Fredi Sommerhalder, Muttenz, Neuauflage 1983, Seiten 45 bis 46 (zu den Eigentümern des Roten Hauses im 20. Jahrhundert)

Rudolf Hauser-Oser, Beitrag "Der 3. August 1833 - Aufzeichnungen eines Augenzeugen", publiziert im Basler Jahrbuch 1884, herausgegeben von Albert Burckhardt und Rudolf Wackernagel, C.Detloff's Buchhandlung, Basel, 1884, Seiten 153 bis 160

Hans-Rudolf Heyer, Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 2 - der Bezirk Liestal, 1974, Birkhäuser Verlag, Basel, 1974, Seiten 381 bis 384 (zum Landgut Hoher Rain)

Eduard His, Basler Staatsmänner des 19. Jahrhunderts, Verlag Benno Schwabe & Co Basel, 1930, Seiten 145 bis 148 (zu Hauptmann Johann Jakob Stehelin)

Eduard Schweizer, Beitrag "Der Sieg der Schweizerischen Regeneration im Jahr 1833", publiziert in Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Band 46, Verlag der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft, Basel, 1947, Seiten 108 bis 112

Gustav Steiner, Beitrag "Bericht eines Therwilers über den 3. August 1833", publiziert im Basler Jahrbuch 1938, herausgegeben von Ernst Jenny und Gustav Steiner, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1937, Seiten 151 bis 152 (zu Erinnerungen des Josef Gutzwiler-Schaub)

Adolf Vischer, Die Geschichte des dritten August 1833, Verlag Felix Schneider, Basel, 1888, Seiten 35 bis 37

Fritz Vischer, Beitrag "Erlebnisse von Remigius Merian zum Roten Haus am 3. August 1833" im Basler Jahrbuch 1905, herausgegeben von Albert Burckhardt-Finsler, Rudolf Wackernagel und Albert Gessler, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1904, Seiten 165 bis 166

Bericht von Hauptmann Martin Begle zum 3. August 1833, Transkription aus Trennung A6, Matthias Manz im Aktenverweis Art.Hpm. Martin Béglé, StABL 98.02 Trennung, Datum 9.9.87

Karl Weber, Die Revolution im Kanton Basel 1830-1833, Verlag Gebrüder Lüdin, Liestal, 1907, Seiten 215

doppelstab