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Der Raub von Bruder Fritschi



Frau F. / 09. Januar 2008:

Ich habe in der Zeitung gelesen dass die Safranzunft früher eine Luzerner Fasnachtsfigur gestohlen haben und das in diesem Jahr nochmal machen wollen. Die Figur war der Fritschi. Wissen Sie etwas über diesen Diebstahl im Mittelalter.

Antwort von altbasel.ch:

Es handelt sich dabei um den Bruder Fritschi, eine Luzerner Fasnachtsgestalt die erstmals im 15. Jahrhundert in Erscheinung trat. Wahrscheinlich hängt der Name Fritschi mit dem Fridolinstag zusammen, dem 6. März. An diesem Tag 1446 fand bei Bad Ragaz die letzte Schlacht der Alten Zürichkriegs statt, bei dem ein eidgenössisches Aufgebot ein österreichisches Heer unter Hans von Rechberg (1410-1464) besiegte. Auch die Luzerner waren an diesem Sieg beteiligt.

Daher wurde in Luzern auf St.Fridolin die Jahrzeit der Schlacht mit einer Andacht und einer Musterung gefeiert. Nach dem Umzug in Rüstung und Waffen begab man sich auf die Zunftstuben zum heiteren Essen und Trinken. Der letzte Teil der Brauches fügte sich aber nicht so gut in die jeweils geltende Fastenzeit, so dass man die Musterung auf den Schmutzigen Donnerstag verlegte, an dem heute noch die Fritschfasnacht stattfindet.

Ähnlich wie die Basler Fasnacht viele Elemente den militärischen Musterungen der Zünfte und den anschliessenden Umzügen durch die Stadt verdankt, hat auch der als ältester Luzerner Fasnächtler geltende Bruder Fritschi seine Wurzeln im Wehrwesen. Diese Symbolfigur der Fasnacht wurde bereits im 15. Jahrhundert vermehrt auf schalkhafte Weise entführt. Seine Kidnapper verschleppten die Figur ab 1477 zum Beispiel nach Stans, Schwyz oder Altdorf.

Die Luzerner zogen dann jedesmal mit grossem Gepränge an den entsprechenden Ort um ihren Bruder Fritschi zu befreien. Dies geschah stets freundschaftlich, und feuchtfröhliche Feiern mit den Entführern wurden zum Brauchtum. Dabei wurde sowohl fasnächtliches Brauchtum gepflegt als auch der Waffenbrüderschaft in vergangenen Feldzügen gedacht. Basel war seit 1501 eidgenössisch und wünschte die Beziehungen zu Luzern zu vertiefen.

Der Raub durch die Basler

Um die Luzerner standesgemäss zur Fasnacht nach Basel einzuladen, wurde ein Fritschiraub beschlossen. Der Zunftmeister und spätere Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen (1482-1531) begab sich mit einer Basler Delegation im Oktober 1507 nach Luzern um Bruder Fritschi in Gestalt einer Strohpuppe (die Chronik von Diebold Schilling nennt 1513 eine Fritschimaske) zu entführen. Die rituelle Raub war mit der Einladung verbunden, Bruder Fritschi auf Fasnacht zurückzuholen.

Die Luzerner schrieben den Baslern am 8.September 1508 in diesem Sinne:

"Wir zweifeln nicht daran, dass Ihr venommen habt welche Beschwerden und Nöte vergangenes Jahr über und gekommen sind, wegen unserem lieben alten Bürger Bruder Fritschin, der altershalber aberwitzig geworden scheint und sich bereden liess zu verreisen, in derart hohem Alter wo man behutsamer wandeln sollte. Das hat er bei Nacht und Nebel so heimlich getan, dass wir eine zeitlang nicht wussten wo er hingekommen sein mochte.

Wäre er nicht so alt, hätten wir gemeint er wolle sich mit einer neuen Gattin versehen. Nun, getreue liebe Eidgenossen, haben wir erfahren dass zu Euch gekommen, wo ihm Eure Gastfreundschaft und Euer ehrlich Wesen wohl gefallen, und sich entschlossen habe, da es die Alten gerne haben wenn man ihnen gütlich tut, bei Euch zu bleiben. Wiewohl er auch gut versorgt bei Euch, sind doch seine Freunde samt Zunfbrüder in grosser Trauer um seinen Verlust.

Eher wäre es möglich den Rhein aufwärts fliessen zu lassen, als seine Abwesenheit länger zu erdulden. Dieselben haben uns also gebeten, ihnen wieder zu dem ihren zu verhelfen, und alles zu tun was man einem Bürger der der älteste ist pflichtig sei. So inbrünstig war ihr Bitten, dass wir uns ihm nicht verschliessen konnten. Da aus einer solchen Befreiung ein gross Weinvergiessen erwachsen könnte, haben wir es für richtig befunden Euch vorzuwarnen.

Wir verkünden daher, dass wir in Gottes Namen auf Freitag nach des Heiligen Kreuzes Tag, zu Ross, zu Schiff und zu Fuss mit anderthalbhundert Mann gegen Euch ziehen, um Euch am nächsten Tag auf das Nachtmahl anzugreifen um unseren oben genannten Bürger zurück zu erobern und in unsere Hand zu bringen. Und da derselbe unsere Bürger in den drei Waldstätten viel geweibt hat, erfreut er sich dort grosser Freundschaft.

Dieser Freunde haben wir uns versichert. Dieselben lieben Eidgenossen der Waldstätte werden mit samt unseren lieben Eidgenossen von Zug, die wir um Hilfe mahnten, uns beistehen. Danach wisse sich Euer Liebden zu richten, und uns dermassen zu begegnen, dass es viel leere Fässer geben wird."


Die Befreiung durch die Luzerner

Noch im September reisten dann die hundertfünfzig Luzerner mit Schultheiss und Altschultheiss sowie achtzehn der Räte nach Basel. Sie kamen kamen zu Schiff und landeten bei der Birsmündung wo heute Birsfelden liegt. Bürgermeister Peter Offenburg (1458-1514) empfing sie dort. Ihn begleiteten bewaffnet und gerüstet Vertreter der Zünfte und der Basler Jugend. Die Stadt wurde in einem Umzug durchschritten der auf den Marktplatz zum Richthaus führte.

Mit dem Richthaus könnten die Chronisten eventuell das seit 1504 in Bau befindliche Rathaus meinen, das allerdings erst um 1514 vollendet war. Auf dem damals noch Kornmarkt genannten Marktplatz grüsste der lange vermisste Bruder Fritschi seine Landsleute mit einem Nicken seines Strohkopfs, was den Luzernern sehr gefallen haben soll. Insgesamt feierte man in Basel fünf Tage ausgiebig lang die Verbüderung mit den Miteidgenossen aus Luzern.

Auf der Schützenmatte fand ein grosses Büchsenschiessen statt und auf dem Petersplatz hielt man einen Ball ab. In der Trinkstube zum Brunnen, in der Schmiedezunft und in der Safranzunft wurden die Gäste mit Banketten bewirtet. Der Bischof von Basel und der Abt von Lützel stifteten einen Teil der fast 8000 Liter Wein die während dieser Tag vom Fass liefen, und 1764 Hühner musste nebst anderem Getier für die Tafeln dran glauben.

Die Luzerner wurden schliesslich mit ihrem Bruder Fritschi ausgiebig und warm verabschiedet. Der Knecht der Stube zum Brunnen, der die Fritschipuppe auf seinen Schultern getragen habe, sei für diesen Dienst vom Rat mit einem Rock und einer Hose aus Londoner Tuch belohnt worden. Den Luzernern liess man 80 Krapfen zum Imbiss nach Liestal nachschicken. So endete der Fritschizug 1508, der in der Tradition eidgenössischer Freundschaftbesuche stand.

Genannt sei anbei noch die Tatsache, dass ein früherer Freundschaftsbesuch im Jahr 1504 einen anderen Gesellen nach Basel führte - der Zürileu kam zusammen mit den Zürchern an die Basler Fasnacht und wurde vom Basilisken unter Trommeln und Pfeifen herzlich empfangen. Zum 500. Jubiläum des Fritschizuges inszenierte E.E. Zunft zu Safran derzeit offenbar eine Neuauflage des Raubes aus. Was dahinter steckt wird sich noch zeigen.




Beitrag erstellt 10.01.08 / Korrektur Quellen 09.01.17

Quellen:

Eugen Anton Meier, "Die Fasnacht im alten Basel", publiziert in Die Basler Fasnacht, herausgegeben vom Fasnachts-Comité, Basel, 1986 (2.Auflage), ISBN 3-9060-7200-1, Seiten 41 bis 44

Paul Koelner, Die Basler Fastnacht, herausgegeben vom Fasnachts-Comité, Universtitätsbuchdruckerei Friedrich Reinhardt, Basel, 1913, Seite 15

Katja Zimmer, "in bökenwis und in tüfels hüten", 183. Neujahrsblatt der GGG 2005, Schwabe Verlag Basel, Basel, 2005, ISBN 3-7965-2092-8/ISSN 1423-4017, Seiten 46 und 93 bis 98

Website der Zunft zu Safran Luzern im Internet unter www.zunft-zu-safran.ch

engel

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