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Die Pest von 1349
© by altbasel.ch

Als die Pest 1349 Basel erreichte, kam die Stadt mit einer Pandemie in Berührung, die europaweit ein Trauma hinterlassen sollte. Seit Menschengedenken hatte noch keine Seuche solchermassen schnell und tödlich um sich gegriffen. Etwa um 1340 in Zentralasien in Erscheinung getreten, gelangte die Pest wohl über die Seidenstrasse und die Halbinsel Krim am Schwarzen Meer nach Europa.

Die mongolische Goldene Horde unter Khan Dschani Beg (gestorben 1357), belagerte bis im Frühjahr 1347 die genuesische Handelsniederlassung Caffa (heute Feodossija) auf der Krim. Im mongolischen Heer ging damals die Pest um, was die Truppen des Khans zwang, die Belagerung aufzugeben. Vor ihrem Abzug hätten die Mongolen Pestleichen mit Katapulten in die Stadt schleudern lassen.

Entlang der Handelsrouten breitete sich die Pest danach von Caffa her aus. Mit verseuchten Schiffen erreichte sie um 1348 über die Hafenstädte Venedig, Genua und Marseille den Süden Europas. Die Pest-Pandemie sollte sich bis 1352 ihren vernichtenden Weg bis nach Moskau bahnen. Als sie im Jahr darauf erlosch, hatte sie etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung getötet.

pestdarstellung aus dem 19 jahrhundert

Pest auf dem Barfüsserplatz im Mittelalter nach Hieronymus Hess (1799-1850). Abgebildet sind überlieferte Elemente wie die Erteilung letzter Sakramente an Kranke durch Geistliche, Furcht im Volk und das Wegschaffen der Toten.

Verlauf der Pest

Diese neue und aggressive Form der Seuche kehrte in kommenden Jahrhunderten immer wieder, und bekam in späteren Zeiten die Bezeichnung "Schwarzer Tod". Begünstigt wurde ihre Ausbreitung durch die unhygienischen Zustände an Orten wo viele Leute lebten und zusammenkamen. Anfangs steckte man sich bei pestverseuchten Flöhen an, die durch Ratten verbreitet wurden.

Zwei bis sechs Tage nach der Infizierung befiel die Betroffenen ein Fieber von bis zu 40 Grad Celsius. Die Lymphdrüsen, in deren Nähe die Flöhe ihre Bisse hinterlassen hatten, schwollen zu Beulen an. Das war oft in der Leistengegend, in den Achselhöhlen, am Hals oder auch am Hinterkopf der Fall. Hinzu kamen Schüttelfrost und stets starke Gelenk- und Kopfschmerzen.

Dunkle Flecken zeichnete die Haut der Befallenen, die oft innerhalb von fünf Tagen nach den ersten Anzeichen starben. In der kalten Jahreszeit kam zur Beulenpest die Lungenpest hinzu. Sie verbreitete sich durch Tröpfcheninfektion über die Atemwege. Ein Husten, sogar ein Ansprechen, genügten zur Ansteckung. Die Lungenpest endete innerhalb von drei Tagen praktisch immer tödlich.

Die Medizin jener Tage war überfordert mit der Seuche. Mangels Wissen ergingen sich die Gelehrten in abenteuerlichen Theorien: Eine verhängnisvolle Konstellation von Gestirnen würde ungesunde Dämpfe aus der Erde in die Atemluft saugen. Erdbeben setzten tödlichen Dunst aus dem Erdinneren frei. Körpersäfte im Ungleichgewicht. Aderlass und Krötenpulver seien hilfreich.

Judenverfolgung

Die Heimsuchung der Pest führte zu irrationalen Reaktionen in der Bevölkerung. Dazu zählen vielfach Judenpogrome. Im deutschsprachigen Raum kam es schon im Vorfeld der Pest zu schweren antisemitischen Übergriffen. Oft wurde die selbe bösartige Verleumdung im aufgestachelten Volk herumerzählt; von Juden welche heimlich Bunnen vergiften würden um die Christen auszurotten.

Es gab Bemühungen, sich dem Strom der Judenfeindlichkeit entgegenzustemmen. So wurde etwa in Österreichischen Herrschaften den Pogromen entgegengewirkt. In Avignon nahm Papst Clemens VI. (geboren um 1290) mit zwei Erlassen 1348 die Juden gegen die Gerüchte in Schutz, drohte ihren Verfolgern mit Exkommunikation. Doch alle Anstrengungen hielten die Welle des Judenhasses nicht auf.

Auch in Basel kam es zur Verfolgung der jüdischen Minderheit im Zeichen der Pest. Der angefachte Volkszorn flackerte damals oft um die christlichen Feiertage auf. In jener Zeit waren die Kirchgänger besonders empfänglich für antisemitische Botschaften in Predigten. Noch bevor die Pest in Basel ausbrach, verwüstete ein Pöbel zu Weihnachten 1348 den jüdischen Friedhof.

Die Hetze wurde von einflussreichen Kreisen geschürt. Etwa von christlichen Geldverleihern, welche die jüdische Konkurrenz (die meisten anderen Gewerbe waren Juden verschlossen) skrupellos beseitigen wollten. Die oberrheinischen Städte Basel, Freiburg im Breisgau und Strassburg sprachen sich darüber ab, gegen die Juden vorzugehen. Der Rat Basels befleckte sich mit Schuld.

Chronisten schrieben später von kochendem Volkszorn, dem sich der Rat wider Willen beugen musste. Historiker Werner Meyer (geboren 1937) geht indes davon aus, dass es sich dabei um geschönte Versionen des Geschehens handle, verbreitet zur Reinwaschung der Herrschenden. Gewiss ist, dass Basel am 16. Januar 1349 die verbliebenen Juden in einem Holzhaus auf einer Rheininsel verbrennen liess.

sammelgrab fuer bestattungen vom 1348 verwuesteten juedischen friedhof

Gemeinschaftsgrab auf dem Israelitischen Friedhof Basels, für gefundene sterbliche Überrreste der Angehörigen der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde, vom Areal des 1348 verwüsteten Friedhofs am Petersgraben.

Der zehnte Teil von Basels Bevölkerung stirbt

Wie bereits erwähnt, entstand die Bezeichnung "Schwarzer Tod" für den europäischen Pestzug von 1346/53 erst später. Schriftlich ist sie für das 17. Jahrhundert erstmals belegbar. Die Urkunden des 14. Jahrhunderts sprechen hingegen von der "pestilencia maxima" (Pestinelcia = Seuche), "ain gemainer sterb", "ein grot sterven" oder "de grote dod", also das grosse Sterben.

Im Sommer 1349 brach die Pest schliesslich in Basel aus. Laut der später entstandenen Chronik des Erhard von Appenwiler (gestorben um 1473), seien von der Rheinbrücke bis hinauf zur oberen Freien Strasse nur drei Ehepaare von der Pest verschont geblieben. Die Basler Chronik des Christian Wurstisen (1544-1588) berichtet von 14'000 Todesopfern in der Stadt durch die Seuche.

Diese dramatischen Angaben relativiert Historiker Werner Meyer. Die Leere in der Stadt mag damit zusammenhängen, dass vermutlich viele Leute aus dem pestverseuchten Basel flohen. Die Zahl von 14'000 Toten sei schon daher unrealistisch, weil die Stadt damals maximal 7'000 Einwohner hatte. Zeitgenössische Urkunden lassen nicht auf ein derartiges Sterben schliessen.

Es gibt keine Mitteilungen über Friedhofserweiterungen und Massengräber, und es ist auch kein plötzliches Verschwinden so vieler Namen aus Urkunden nach der Pest erkennbar. Meyer weist darauf hin, dass keine endgültigen Angaben möglich seien. Er geht von rund 500 bis 700 Todesopfern aus, also 10% der Bevölkerung. Auf heute (2021) umgerechnet entspräche dies 20'000 Toten.

Basel wäre damit glimpflich davongekommen. Der Medizinhistoriker Klaus Bergdolt (geboren 1947) hält fest, dass beispielsweise in London im Zuge der ersten Pestwelle bis Frühling 1350 von den rund 50'000 Einwohnern 35 bis 40% an der Pest starben. Es sollte bis ins frühe 16. Jahrhundert dauern, bis die englische Metropole wieder so viele Einwohner wie vor der Pest zählte.

Die Schilderung eines Zeitgenossen

Wichtig für die Menschen im Mittelalter war geistlicher Beistand beim Sterben. Aber viele Priester waren selbst gestorben oder geflohen. Zahllose gingen alleine in den Tod. Um wenigstens die Furcht vor einem Tod in Verdammnis von den Leuten zu nehmen, erteilte Papst Clemens den Pestopfern eine Generalabsolution. Viele Menschen waren davon überzeugt, das Ende der Welt sei gekommen.

Der berühmte Schriftsteller Giovanni Boccacio (1313-1375) war in Italien Zeuge dieser Pest, und verewigte sie in der Einleitung zu seinem Werk "Decamerone". In der 1348/53 entstandenen Novellensammlung, flieht eine Gruppe junger Frauen und Männer vor der Pest in Florenz 1348 auf das Land. Hier die lebendige Schilderung der Schrecken der Pest von Boccacio's Feder:

"...wir wollen es übergehen, dass ein Bürger den anderen mied, sich keiner um den Nachbarn kümmerte, und die Verwandten einander kaum besuchten. Diese Not hatte solches Entsetzen in den Herzen von Männern und Frauen geweckt, dass ein Bruder den anderen verliess, der Onkel den Neffen, die Schwester den Bruder und vielfach die Frau den Gatten. Was noch unglaublicher ist, sogar Väter und Mütter scheuten sich, ihre Kinder zu pflegen, als wären sie Fremde...

... es waren genug Derer, die auf offener Strasse bei Tag wie bei Nacht starben, und von vielen die in ihren Häusern gestorben waren, erfuhren den Nachbarn erst durch den Gestank ihrer verwesenden Leichname, dass sie tot waren ... Sie selbst, oder mit Hilfe von Trägern, zogen die Leichen aus den Häusern und legten sie vor die Tür, wo man Morgens zahllose Mengen davon sehen konnte. Man liess Tragbahren kommen; und wo es keine gab, legte man die Toten auf ein Brett...

... Für die Bestattung der vielen Leichen, welche sich an jeder Kirche jeden Tag und zu fast jeder Stunde ansammelte, genügte die geweihte Kirchhoferde nicht, am wenigsten wenn man jeder Leiche ein eigenes Grab geben wollte. War ein Teil voll, machte man mächtige Gruben, in denen man die neuen Leichen zu Hunderten beisetzte. Sie wurden darin wie Kaufmannsware auf Schiffen schichtweise übereinander gelegt, und wenn die Grube voll war, mit ein wenig Erde bedeckt..."


Zusammenfassung

Aus Asien kommend, verbreitete sich mit der Pest von 1346/53 eine Seuche in Europa, die mit zuvor unbekannter Aggressivität vielfachen Tod brachte. Bis zu ihrem Erlöschen kostet sie ein Drittel der europäischen Bevölkerung das Leben. In Basel brach die Pest im Sommer 1349 aus, nachdem sie den Handelswegen der Rhône entlang aus Südfrankreich gekommen war.

Obwohl spätere Quellen von menschenleeren Strassen und über 10'000 Pestopfern sprechen, kann davon ausgegangen werden, dass weniger als 1000 Menschen an der Seuche starben. Man geht heute von rund 10% der Basler Bevölkerung aus (Basel hatte damals maximal 7000 Einwohner), die wegen der Pest ums Leben kamen, was noch immer einen traumatischen Verlust derstellt.

Im Vorfeld der Pest kam es in Basel zu einer Judenverfolgung. Man unterstellte man der jüdischen Bevölkerung eine Mitschuld an der Pest, und verbrannte im Januar 1349 jene Juden, die nicht rechtzeitig aus Basel geflohen waren. Im Zeichen der aufziehenden Pest gab es damals in vielen Städten vergleichbare antisemitische Verfolgungen durch Obrigkeit und aufgehetzten Pöbel.




Beitrag erstellt 24.09.03 / überarbeitet 11.12.21

Quellen:

Klaus Bergdolt, Der Schwarze Tod in Europa - Die grosse Pest und das Ende des Mittelalters, Verlag C.H. Beck, München, 4. Auflage 2017, ISBN 978 3 406 70594 6, Seiten 21 bis 26 (Medizin), 33 bis 35 (Ursprung der Pest), 79 und 80 (Pest in Schweiz und am Oberrhein), 130 und 131 (Judenverfolgung am Oberrhein)

August Bernoulli / Erhard von Appenwiler, "Die Chronik Erhards von Appenwiler 1439-1471, mit ihren Fortsetzungen 1472-1475", publiziert in Basler Chroniken, Band 4, herausgegeben von der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft in Basel, Verlag von S. Hirzel, Leipzig, 1890, Seiten 372 bis 374

August Bernoulli, "Die Grösseren Basler Annalen 238-1416", publiziert in Basler Chroniken Band 5, herausgegeben von der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft in Basel, Verlag von S. Hirzel, Leipzig, 1895, Seite 21 (Kurzerwähnung Judenverfolgung und Pest)

Albrecht Burkhardt, Demographie und Epidemiologie der Stadt Basel während der letzten drei Jahrhunderte 1601-1900, Universitätsbuchdurckerei Friedrich Reinhardt, Basel, 1908, Seiten 32 bis 44

Daniel Albert Fechter, "Topographie mit Berücksichtigung der Cultur- und Sittengeschichte", publiziert in Basel im vierzehnten Jahrhundert, herausgegeben von der Basler Historischen Gesellschaft, H. Georg's Verlag, Basel, 1856, Seiten 155 bis 168

Werner Meyer, Da verfiele Basel überall, 184. Neujahrsblatt der GGG, Schwabe Verlag Basel, Basel, 2006, ISBN 3-7965-2196-7/ISSN 1423-4017, Seiten 49 bis 52

Werner Meyer, Beitrag "Benötigt, geduldet, verachtet und verfolgt", publiziert in Acht Jahrhunderte Juden in Basel, herausgegeben von Heiko Haumann, Schwabe Verlag, Basel, 2005, ISBN 3-7965-2131-2, Seiten 25 bis 28 (Judenverfolgung)

Jacques Ruffié/ Jean-Charles Sourina, Die Seuchen in der Geschichte der Menschheit, Deutscher Taschenbuc Verlag, München, 2. Auflage 1993, ISBN 3-423-30066-3, Seiten 17 bis 42

Manfred Vasold, Pest, Not und schwere Plagen - Seuchen und Epidemien vom Mittelalter bis heute, Bechtermünz Verlag, Augsburg, 1999, ISBN 3-8289-0334-7, Seiten 70 bis 93

Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, Band 1, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1907, Seiten 266 bis 270

Christian Wurstisen, Bassler Chronick, Sebastian Henricpetri, Basel, 1580, Seiten 169 bis 171

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