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Glosse Nr.30 / 28. Mai 2008

Das Basler Wesen und die Euphorie

Es war einmal ein Minnesänger der glaubte mit seiner schönen Stimme und seiner betörenden Laute alles zum Schmelzen bringen zu können. Als eines Winters der Fluss seiner Heimatstadt zufror, ging er auf die Brücke um die Macht seiner Musik zu beweisen und mit ihr den Fluss freizuschmelzen. Er sang und lautete mit seiner Laute bis ihm fast die Nase abgefroren war, aber der Fluss blieb vereist. Er schimpfte das Gewässer einen törichten Banausen und zog beleidigt von dannen.

Doch kommen wir nun zu etwas komplett anderen. Gerade jetzt, wo sich Basel auf die turbulentesten Tage seit dem Erdbeben von 1356 vorbereitet, und König Fussball seinen europäischen Schatten nicht nur ins Joggeli sondern gleichermassen auf die Schweiz wie auch Tu felix Austria wirft, hört man immer wieder Klagen über den griesgrämigen Basler und seinen Mangel an Vorfreude. Dabei sollte er doch ungeduldig wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum auf seine Bescherung warten, die er gewiss bald hat.

Wie kommt es, dass der Homo sapiens basiliensis vielfach eher die Nase rümpft als frohlockend in die Hände zu klatschen, wenn er an die Meisterschaft denkt die ihn fast den ganzen Juni beglücken und ungefragt zum freundlichen Gastgeber machen soll? Stattdessen nörgelt er herum, und die berüchtigt spitzen Basler Zungen haben bereits behauptet dass es sowieso nur um Sponsorengelder, Übertragungsrechte und nur nebenbei um Fussball gehe. Indes ist das offizielle Basel nach bestem Willen um Begeisterung bemüht.

Natürlich will Basel im Rampenlicht dieser Grossveranstaltung nicht als Spielverderber dastehen. Aber man hat die Tiefen des baslerische Wesens ganz gehörig missverstanden, wenn man ernsthaft auf Jubel und Begeisterung gesetzt hat. Ich wende hier die Londoner Cockney-Regel an, und verstehe unter "Basler/in" alle die in Hörweite der Glocken von St.Martin geboren wurden, da auch viele die nicht bereits einen Grossvater aus der Spalen haben sich dem Wesen der Stadt nicht entziehen können.

Während anderorten der Karneval Anlass zu fröhlicher Juxstimmung mit Pappnasen und Schunkeln ist, kommt die Basler Fasnacht gemessenen Schrittes einher, ist gar in einigen Kreisen eine so ernste Sache wie Religion. Und doch zieht sie Abertausende in ihren Bann, auch wenn sie schon nach drei kurzen Tagen vorbei ist. Die Fasnacht hat gleich einem Opernball unumstössliche und eherne Regeln. Es gibt Dinge die man einfach nicht tut weil es sich nicht gehört. Tut man's trotzdem, steht man im Abseits.

Schon Albert Burckhardt-Finsler stellte 1906 fest, dass die baslerische Gefühlswelt von einem nüchtern rechnenden Verstand beaufsichtigt werde, der einem Wächter gleich mässigend daneben stehe wenn die Empfindungen überzuschwappen drohten. Gefühl kommt in Basel oft mit kühler Zurückhaltung einher. Nicht zu Unrecht hat vor über fünfzig Jahren der Stadtpoet Blasius mit scharfem Blick festgehalten, dass das höchste Lob aus Basler Mund sei "S'isch rächt gsi" (Es war akzeptabel).

Man springt hier nicht von den Sitzen, um pfeifend und laut zu applaudieren, es sei denn der FCB spiele. Die stoische Anhänglichkeit des Baslers an seinen Football Club (wie er bei der Gründung 1893 genannt wurde) würde sogar einen Abstieg überleben, und zuweilen treibt manch einer seine Ausbrüche über Siege und Niederlagen ins Unschickliche. Aber exklusiv diesem Verein gelten Emotionen. Zu glauben dass dergleichen aufgewallte Gefühle ebenfalls für die Nationalmannschaft aufkämen wäre ein arger Trugschluss.

Wer vor Basler Publikum auftritt hat Mut - oder keine Ahnung von dieser Stadt, in der es unüblich ist um der Gefälligkeit Willen das Füllhorn der Lobes auszuschütten. Lob ist in Basel kostbar wie Gold und teuer wie Erdöl. Sogar wer wirklich brilliant auftritt ist vor Kritik nicht gefeit, denn Beifall wird nie bedingungslos gespendet - das wäre billig. Und wenn wir beim Spenden sind; auch dies ist eine Tummelstätte baslerischer Zurückhaltung. Man ist in Basel übrigens durchaus nicht so geizig wie allgemein behauptet.

Aber hat man sich einmal entschlossen in den Geldbeutel zu greifen, dann geschieht dies unter dem Vorbehalt der Verschwiegenheit. Das öffentliche um sich Schmeissen mit klingender Münze gilt hier als plumpe Aufschneiderei, als primitives Geprahle unter dem Deckmantel der charité. Man gibt, aber man spricht nicht davon. Und wird man darauf angesprochen so hat man nichts und gibt man nichts. Ein fernes Erbe der sittenstrengen Reformation.

Und doch macht sich immer wieder Enttäuschung in unkundigen Kreisen breit, wenn ambitionierte Vorhaben am baslerischen Unwillen scheitern. Es ist schwer dem Basler Geist grosse und überragende Dinge schmackhaft zu machen. Was sich glanzvoll abhebt ist suspekt weil es baslerischem Wesen widerspricht. Und dann wundert man sich wenn Basel nicht vor Fussballfieber glühen will. Wer ist wohl in Wahrheit der törichte Banause - der vereiste Fluss oder der Minnesänger?

engel

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