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Glosse Nr.10 / 09. Februar 2004

Fasnacht

Als mich passionierte Fasnächtler baten, doch einmal etwas über die Basler Fasnacht auf altbasel.ch zu bringen, stiegen Memoiren aus der Kindheit auf. Die Fasnacht in den 70er und 80er Jahren war ein Panoptikum traumatisierender Momente. Das begann mit meiner Aversion als Kleinkind gegen alles was laut war.

In meinem Elternhaus pflegte man Genüsse auf Audioebene bei moderater Lautstärke zu konsumieren. Dröhnende Bässe waren mir unbekannt und selbst die Vietnam-Berichterstattung in der Tagesschau kam sittsam für das Ohr ins Wohnzimmer, auch wenn das Auge damals wegen mangelnder Zensur durch die Kriegsherren schwer belastet wurde.

Ich fürchtete als kleiner Bub laute Kirchenglocken, also können Sie sich vorstellen was los war als man mich zum ersten Mal an die Fasnacht mitnahm. Bei meiner bescheidenen Körpergrösse lagen die Ohrmuscheln auf selber Höhe wie die Trommelfelle der Tambouren. Freude wollte also beim Cortége am Montag nicht bei mir aufkommen.

Als ich etwas grösser war, lernte ich die Guggenmusiken fürchten. Es hatte sich nämlich begeben, dass ein Pauker mir beim Pauken zweimal rückhändig den Paukenschlegel ins Antlitz klopfte, als ich in der Aeschenvorstadt den Cortège verfolgte. Noch mehr erschreckte mich jedoch die Entschuldigung, die unter der Waggislarve dumpf wie eine Todesdrohung klang.

Mit neun Jahren war ich mit meinem kleinen Bruder kostümiert mit Laterne als Bubenzüglein am Morgenstreich unterwegs. Meine Larve war jedoch unglücklich angepasst und der fliessende Schweiss lief mir ständig in die Augen. Ich zog das Ding aus, und schon erklärte mir ein Fasnachts-Taliban dass es gegen die religiösen Sitten des Anlasses verstosse, unbelarvt im Kostüm herumzuwandeln, egal wie geschwollen die Augen seien.

Mit dreizehn wollte ich meine Begleiterin am Cortége beeindrucken. Sie hatte schon meine Plakette bekommen weil sie keine trug. Nun wollte ich für sie auch noch ein Sträusschen Mimosen von einem Waggiswagen erbetteln. Die wilden Gesellen betrachteten mich jedoch als einen Soziopathen der die Fasnacht genoss ohne sie durch eine gekaufte Plakette zu unterstützen. Ich kehrte ohne Mimösli dafür mit massig Räppli im Kragen zurück.

Immerhin kriege ich langsam meine verstörte Psyche in den Griff. Wenn mir heute eine trommelnde Einzelmaske zur Fasnachtszeit aus einer Gasse entgegenkommt, kann ich schon fast normal reagieren. Nur das panische Davonrennen mit Armewedeln muss ich noch effektiver zu unterdrücken lernen.

engel

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