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Glosse Nr.32 / 09. September 2008

Die Plagen des Kabelfernsehens

Nebst der Radfahrerampel an der Kanonengasse zum Steinengraben ist das Fernsehen wohl der grösste Zeitvernichter unter der Sonne. Ich bin ja selber auch kein leichter Fall; zwinge ich doch in Komplizenschaft mit meinen Sohn die Gattin regelmässig zum Passivgenuss der Animationsserie Kim Possible. Während mein Junior die Hauptprotagonistin im Highschool-Alter favorisiert, bin ich ein Verehrer ihrer sarkastischen Nebenkontrahendin Shego. Aber genug davon.

Offenkundig um sich für die aufgenötigte Tagesdosis dieser Serie zu rächen, muss ich mittlerweile zu späterer Stunden Dinge auf dem Bildschirm ertragen, die meine Leidensfähigkeit ungebührlich belasten. Dann führt sich meine Frau nämlich Zeug zu Gemüte, die meiner Ansicht nach in einem Appendix des Neuen Testaments aufs schärfste verworfen werden. Bloss hat die Mattscheibenmafia diesen Anhang mit Hilfe einiger Maulwürfe und Schläfer in der Kurie verschwinden lassen.

Es geht um drei wirkliche Plagen die regelmässig über den Bildschirm flimmern, Castingshows, Innenarchitektursschnulzen und Auswandererepen. Bei den Castingshows stellen sich optimistische Hupfdohlen und Heulbojen einer Jury aus unbekannten Kompetenzen und unterbeschäftigter Bonsaiprominenz, um Musikgiganten oder ähnliches zu werden, während die Vorjahressieger an zerplatzen Seifenblasenträumen leiden, die abgebrochene Lehre beklagen und durch Bierzelte touren.

Niemand mit einem Minimum an Realitätssinn würde sein Talent in eine solche Quotenarena schmeissen um auf den Druchbruch zu hoffen. Man springt nicht aus der Bürolehre auf denselben Treppenabsatz auf dem Robbie Williams herumtaumelte. Und der Ruhm solcher Shows hat was mit Algebra gemeinsam - er ist nur innerhalb seiner selbst anwendbar. Mindestens so grässlich leide ich unter den Engeln aller Couleur die in gebeutelte Haushalte schweben um kameragerecht Glück zu verbreiten.

Eine tragische Vorgeschichte ist schon Bedingung um in den Genuss einer gehörig aufgepeppten Wohnung zu kommen. Da reicht das drückende Joch durchschnittlicher Probleme wie ein kaputter Toaster, eine chronische Entzündung der Kieferhöhle oder ein überfahrener Schosshund nicht. Es muss Dicke kommen, am besten eine Mischung aus Chemotherapie, Hartz IV und Fusspilz. Unglückliche Leute müssen es sein, so dass noch den letzten Soziopathen vor dem Bildschirm Mitleidstränen das Wohnzimmer fluten.

Das Rezept ist überall so gut wie identisch. Man schickt die tragische Wohngemeinschaft auf einen Traumurlaub wo sie vor laufender Kamera in einem Sprudelbad voller Wonnen versenkt wird. Derzeit wird aus der Sozialwohnung eine Wellnessinsel gemacht. Diese beneidet der beidere Normalverdiener vor seiner Glotze, da er sich seine Innenaustattung über Jahre hinweg anschaffen musste und nichts davon farblich harmonisch abgestimmt ist und die eigenen Zierpflanzen längst im Hausstaub erstickt sind.

Die Traumwohnungen werden immer erst fertiggestellt wenn die vom Leben geprüften Bewohner gerade um die Ecke kommen. Ich glaube das Drehbuch schreibt vor, dass der letzte Schraubenzieh nicht gemacht werden darf, bevor die Bewohner auf der Türschwelle stehen. Etwa achtundzwanzig mal von Werbung unterbrochen, weint sich dann die heimgekehrte Schar von Zimmer zu Zimmer, um am Schluss in ein neues Leben entlassen zu werden, dem das getunte Domizil die entscheidene Wende geben wird.

Um das Gegenteil geht es wiederum in den Auswanderershows. Gebeugte Menschen aus dem Lande von Hartz IV jagen das Glück in einer neuen Heimat. Da war einer der einen Ort suchte, wo er noch zwanzig Jahre von einem Spartopf leben kann, der daheim in vierundzwanzig Monaten Lebensabend weggeschmolzen ist. Die Beweggründe sind vielfältig, aber das interessiert nicht wirklich. Ebenso will niemand sehen wie ein emigrierter Tellerwäscher zum arroganten Geschirrspülbaron mit eigenem Flugzeugträger wird.

Keiner wird's zugeben, aber alle wollen sehen wie die Leute fern der Heimat mit einem Herz voller Zuversicht, einer Keksbüxe voller Ersparnisse und zwei Worten Fremdsprachenkenntnissen rausfinden, dass die Welt überall schlecht ist. Zum Glück sind solche Auswandereropern trotz Werbepausen auch einmal fertig, und dann kann ich wieder aus dem Badezimmer kommen, wo ich mich jeweils einsperre um die Kachelwand auswendig zu lernen. Alles ist besser als solche Sendungen.

engel

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