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Glosse Nr.33 / 17. Februar 2009

Das Glück des Narren

Die Unterjochung des Menschen durch die Maschine - ein uralter Albtraum der mir unvermittelt in den Montagabend trat. Es geschah kurz nach 19.00 Uhr, als der Knopf zum Einschalten des Monitors sich weigerte seinen Aufgaben nachzukommen. Wenn man bei irgend einem wichtigen Gerät auf den Knopf drückt und es geschieht nichts, dann denkt man sich noch wenig dabei. Das kann viele Gründe haben - vom schlecht gezieltem Fingertipp bis zum Wirken finsterer Mächte.

Das nimmt man im allgemeinen gelassen hin, und probiert es einfach nochmals. Mein Tintenstrahldrucker ist so einer. Den einzuschalten ist wie das Anwerfen einer kalten Motorsäge. Erst nach einigen Anläufen springt er jeweils hustend an. Vom Monitor war mir dergleichen Zurückhaltung zwar neu, aber ohne mir Gedanken zu machen, versuchte ich es einfach nochmals. Indes - nichts geschah. Das sonst so dienstbereit schimmernde grüne Lämpchen rechts unten blieb finster.

Zwei Festplatten hatte mein Computer im Laufe der Zeit verloren. Einmal weil die Kiste in einer engen Nische stand und überhitzte, ein zweites Mal weil ich nichts aus dem ersten Mal gelernt hatte und ihn weiterhin in seiner Gruft hatte stehen lassen. Schon damals war mir schlagartig gedämmert, wie sehr ich von dieser Ansammlung aus Drähten und Prozessoren abhängig war. Praktisch jedes meiner geschriebenen Worte war auf der verstummten Festplatte begraben.

Da kommt der moderne Mensch ins Rudern. Speziell wenn er oft per E-Mail kommuniziert, ja gar geschäftlich darauf angewiesen ist. Wie schön war es früher, als jederzeit loyale Heftordner und treue Notizblöcke bereitlagen, um einem auf Wunsch alle Informationen wiederzugeben die man ihnen je anvertraut hatte. Doch anders der Computer, der wie ein egomanischer Wikingerhäupling alles mit sich mit ins Grab zerrt um sich nach Wallhalla davonzumachen.

Ein Crash der Festplatte war ein mir bereits vertrautes Szenario. Eine üble Sache, aber man ist abgehärtet weil man es schon mehrfach durchgestanden hatte. Doch ein Monitor der nicht mehr ansprang war eine komplett neue Erfahrung. Meiner muss unmittelbar nach dem Computer selbst angeworfen werden, damit beide harmonisch aufstarten. Summend und ratternd tat jetzt der Computer brav wie gehiessen, doch der Monitor verweigerte jede Kooperation.

Beim starren Blick in den dunklen Bildschirm zählte ich im Geiste jene Kunden auf, die Morgen von mir Antwortmails erwarteten die nicht rausgehen können. Zugleich werden neue Kunden Mails schicken, von denen ich aber nichts zu sehen bekäme weil Monitor kaputt. Mein Computer und sein Monitor sind uralt. Angeblich wurde darauf schon die erste Fassung von De bello gallico geschrieben. Dafür kriegt man nicht ohne weiteres die notwendig antiken Ersatzteile.

Heute arbeitet die zivilisierte Welt mit eleganten Flachbildschirmen. Meine Kiste hängt noch an einem Röhrenmonitor der aussieht wie ein Kühlschrank und soviel Platz benötigt wie ein Öltanker. Einen neuen und modernen Monitor verdaut die Grafikkarte meines Mac nicht. Waren Kleinanzeigen, Flohmärkte und Anton Saxers Sperrgutmulden meine letzte Hoffnung? Wie stets in der Not rief ich meinen Schutzheiligen an, den rettenden Mentor in Sachen Computer.

Ich erreichte ihn per Natel und stellte fest dass er noch einige Tage im Wallis jenseits der Alpen weilt. Ich sass im tiefen Tal der Todesschatten ohne Kompass und Landkarte. Vielleicht sollte ich antiken Göttern opfern, auf dass sie meinen Monitor wieder in Gang setzten. Aber wer im Olymp ist zuständig, und was ist zu opfern? Da ich nichts anderes tun konnte, legte ich den Monitor auf den Operationstisch um persönlich ungeübte Hand anzulegen.

Immerhin hatte ich erörtert dass die Ursache des Defekts in der Mechanik lag. Also etwas das man mit Werkzeugen und dem Glück des Narren regeln konnte. Kaum war die Plastikverkleidung weg, wolkten mir Jahre der Staubablagerungen entgegen. Meine Hausstauballergie meldete sich begeistert, und das Atmen wurde Schwerstarbeit. Hilfreich war nun ein Restposten an Chirurgenmasken; fragen Sie mich nicht wieso sowas bei mir im Küchenschrank steht.

Mit Chirurgenmaske angetan sass ich im Schein der Pultlampe, um mit Pinzette, Aderklemme (noch ein Chirurgeninstrument das in jeden Haushalt gehört) und Superleim den gebrochenen Plastikbolzen des Einschaltknopfs zu flicken. Ich sah aus wie ein Bombenbastler im Hobbykeller. Um 22.48 Uhr war der Patient soweit dass er angeschlossen werden konnte. Da war es wieder - das dienstbereite grün leuchtende Lämpchen. Ha! Der Triumph des Geistes (und das Glück des Narren).

engel

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