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Glosse Nr.20 / 01. August 2005

Der auf den Kohlen tanzt

Ein Amuse geule spezieller Art versprach mir Freund Grillchef zur vorverlegten Nationalfeier. Als guter Eidgenosse gab ich zu bedenken, dass eine 1.Augustfeier am 29.Juli ein Sakrileg sei für das man im xenophoben Lager der Hardcorepatrioten nichts weniger als eine Steinigung zu erwarten hätte, und auch liberalere Seelen wie die meine fänden es etwas daneben, wenn auch nur um 72 Stunden. Was würde Tell dazu sagen, oder Winkelried? Gerade letzterer würde es sicher würdigen, meinte der Chef de Grill, dass wir heute Unmengen von Spiessli auflegen.

Die kulinarischen Argumente überzeugten mich, und ich setzte mich mit mit einem kühlen Glas in einen der weissen Kunststoffstühle mit geblümtem Polsterkissen. Die Ambiance litt etwas unter der plötzlich eingebrochenen Kälte, und die Frau des Grillmeisters war noch dabei die Leichen der Zierpflanzen zu bergen, denen der Hagelschauer am frühen Abend körnigerweis den Garaus gemacht hatte. Auch die neckische Girlande an der Pergola mit Plastikfähnchen der Kantone sah aus, als hätte sie sich zu eilig einem amerikanischen Checkpoint in Downtown Bagdad genähert - heftig zerlöchert.

Mit ruckeligen Hüpfern rutschte ich meinen Stuhl weg vom orangen Kugelgrill, wo die glimmende Kohle peinigende Hitze verhiess. Ich sollte an diesem Abend einmal mehr eine Katastrophe zum 1. August miterleben. Wer meine Glossen kennt, erinnere sich an die Schilderung des misslungenen Feuerwerks vom August 2003. Die heutige Darbietung hatte nicht ganz denselben spektakulären Charakter, aber sie war auch sehr sehenswert. Ursache des Übels war der Grillrost, bei dem die Abstände zwischen den Stäben etwas gross waren, weil man im Herstellungsland Korea Riesenwürste hat.

Dafür war der Grill sehr günstig und nun sollte er eingeweiht werden. Die Glut glühte und bald schmorten die Spiessli auf dem Rost. Allerdings musste man sie genau in einem Winkel von 90 Grad zu den Stäbchen des Rosts legen, was Freund Grillchef bei drei Spiessli versäumt hatte. Gattin und ich schmatzten die erste Fuhre Grilliertes mit Sauce provencale, Härdöpfelsalat und Brot, als das Unglück geschah. Der Chef erhob sich um uns Nachschub auf den Teller zu bringen, und um neue Spiessli nachzulegen, auf dass uns nicht der Teller leer würde.

Die Gattin und ich plauderten am Tisch über den in der Südschweiz aufgetauchten Bären, der da laut allgemeiner Euphorie eine neue Ära der Fauna in der Schweiz eröffnen solle. Da drang vom Grill her ein Laut dem nichts Menschliches mehr anhaftete. Es war Grillchef, der mit dem heissen Grillrost am drei Fingern schauerlich klagend umherfuchtelte. Drei Spiessli waren synchron durch den Rost in die Glut gefallen. Gleich einem pawlowschen Hund griff der Chef reflexend hinterher, geschmeidig durch den Rost mit seinen weiten Abständen hindurch.

Anstatt wie Aale durch das Gitter herauszugleiten wie sie hineingekommen waren, blieben Grillchefs Finger im Rost stecken, als er seine Ungemach bemerkend zurückzuckte. Wie Wurfdolche flogen frisch aufgelegte Spiessli durch die Luft in die zerhagelte Botanik. Chefs Beine begannen autonom vom restlichen Körper wild zu veitstanzen, während die freie Hand versuchte den gefangenen Bruder vom anhänglichen Rost zu befreien. So begab es sich, dass ein ungelenker Fusstritt den Kugelgrill umwarf und den gekachelten Boden mit glühender Kohle übersäte.

Die Gattin und ich verharrten hinter dem Tisch, weil wir uns wegen des Minenfelds aus Glühkohle nicht an das wehklagende Opfer heranwagten. Diesem waren derweil, ob der heftigen Beinarbeit, die Schläppli davongeflogen (eines tötete eine Keramikschnecke im Garten), so dass er zuerst mit einem, dann mit beiden Füssen in heisser Kohle tanzte. Es zerriss mir das Herz zu sehen wie er schmorte, doch ich wusste nicht, was tun. Schliesslich entschloss ich mich aber den Krug Eistee über die Kohle am Boden zu schütten, was sich als effektive Massnahme erwies.

Derweil kam die Gattin mit einem durchnässten Frottiertuch und brachte Freund Grillchef Kühlung. Es war nichts passiert, was nicht mit der Hausapotheke kuriert werden konnte. Der Vorplatz sah allerdings aus, als hätte der vergangene Hagelschauer stundenlang gewütet und nebst Eiskörnern auch heisse Kohle abgeworfen. Mit den Spiessli war es auch vorbei. Dafür machten wir uns über die Erdbeertorte her, und ich war um einen ganzen Sack Rohstoff für eine weitere Glosse reicher.

engel

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