face

zurueck


glossen
Glosse Nr.28 / 06. September 2007

Rechtschreibung à la SMS

Das war ein Lauschangriff im 15er Richtung Bruderholz. Dabei hatte ich wirklich nicht vor auf dem Weg zur Station Denkmal stiller Ohrenzeuge zu werden. Wer die Tramlinie kennt, weiss dass sich morgens Ströme von Schüler/innen beim Aeschenplatz ins Tram ergiessen um eine Station später wieder rauszufliessen. Sitzt man gerade neben der Tür, dann hat man es schon schwer mit dem Kopf nicht zwischen trendige Schultaschen zu geraten - die Plaudereien der Eleven zu ignorieren ist praktisch unmöglich.

Die kurze Zeitspanne zwischen beiden Tramstationen genügte um von zwei jungen Damen zu erfahren dass es nicht wichtig sei es mit zwei "n" zu schreiben, denn es wisse ja sowieso jeder was gemeint sei. Überhaupt waren sie der Meinung dass Rechtschreibung überbewertet würde und beim Eintippen von SMS-Botschaften zuviele diesbezügliche Direktiven nur hinderlich seien. Ich habe nicht rausgefunden was "es" ist, aber den Geist hinter dem ganzen Statement fand ich beängstigend. Es ist übrigens nicht so dass E-Mail und SMS die Totengräber der Rechtschreibung sind. Vielmehr sind sie die Bühne auf der sich die latent grassierende und trendige Dummheit austoben kann.

Zahllose Menschen leiden unter mental bedingten Rechtschreibschwächen und kämpfen täglich um Worte. Es muss ein Hohn für diese Leute sein, in einer Welt zu leben in der sie umgeben sind von Holzköpfen mühelos korrekt mit der Sprache umgehen könnten, aber dazu keine Lust haben. So muss sich ein Blinder fühlen, wenn er einem Sehenden begegnet der seine gesunden Augen nur dazu nutzt um damit Jim Carreys Girmassen nachzuschneiden. Ich will bei aller Bosheit nicht zu ungerecht werden; meine eigenen Kommasetzungen sind Akte wirrer Willkür und meine fehlerschwangere Grosskleinschreibung lässt einen orthographischen Serientäter hinter der Tastatur vermuten.

Johannes 8,7 folgend wäre mir also meine Steineschmeisserei untersagt. Allein fehlt mir die nötige religiöse Inbrunst um mich an die entsprechende Direktive zu halten. Man kann die Schluddrigkeit der Jugend nicht tadeln ohne zu bemerken dass die Gesellschaft ihr den laxen Umgang mit der eigenen Sprache vormacht. Nehmen Sie eine Zeitung und blättern Sie zum Beispiel in der Berichterstattung zu Experimentalflugzeugen die auf Wohnblocks und Kinderspielplätze abstürzen. Da werden Mieter und Kinder evakuiert. Der Haken bei der Sache ist dass man Menschen nicht evakuieren kann, allenfalls Wohnblocks und Spielplätze. Der lateinische Terminus "evacuare" bedeutet nämlich leermachen.

Wenn Leute leergemacht werden, so blendet mein geistiges Auge transsylvanische Nachtschattengeschöpfe ein, die mit spitzen Zähnen die Halsschlagadern unschuldiger Menschen heimsuchen. Aber Latein ist offenbar eine derart tote Sprache dass man es eher im Urnenhain am Hörnli als in den täglichen Gazetten suchen sollte. Und da wäre noch die Rechtschreibreform, deren Väter nicht länger versuchen wollten Narren weise zu machen, da es viel einfacher war die Weisheit auf Narrenniveau herunter zu schrauben. Vergessen wurde allerdings die Flexibilität der Narren, die sich nach diesem Luxusservice zweifelsohne ermuntert fühlen ihr Niveau noch weiter absacken zu lassen.

Die Folge dürfte sein, dass man in etwa zwanzig Jahren erneut den Schraubenzieher zum Runterschrauben ansetzen wird müssen um die Fehlerquote nochmals zu übertünchen. Nach genügend Umdrehungen wird uns die Schrauberei schliesslich wieder in jene Höhlen führen, auf deren Wände wir malen was uns bewegt. Dort sind wir eigentlich schon angekommen. Im Märchenwald der Wahlkampfplakate zeigen derzeit einige Schöpfungen wie man mit viel Bild und wenig Wort viel sagt was Stimmung macht. Wo dergleichen Wortkargheit ins Parlament strebt, muss man sich nicht wundern wenn die Jugend schon mal das zweite "n" weglässt, denn es weis ja sowiso jeter was kemeind isd.

engel

zurück