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Glosse Nr.38 / 17. Juli 2010

Von der Verteufelung des Schlafes

Es gibt unter der Sonne nur wenige Dinge die so notwendig sind und dennoch fortwährend derart diskriminiert werden wie den Schlaf. Wenden Sie sich hin wo sie wollen, unsere Gesellschaft steht ihm feindselig gegenüber. Nehmen wir Basel als Beispiel, wo Propheten aus Gesellschaft, Kultur und Politik unermüdlich den Schlaf als Feindbild vergewaltigen.

Ist Ihnen schon aufgefallen wie schlecht beleumdet Ruhe und Schlaf hier in Basel sind? Kreuzritter des Lebhaften verheizen sie in Schlagworten wie "Friedhofsruhe" und "Schlafstadt" - Termini die bereits blankgescheuert sind vor lauter eifrigem Gebrauch. Es fügt sich in unser allgemeines Lebensgefühl, welches stets betont was wir verpassen wenn wir nicht ständig auf dem Sprung sind. Der Schlaf wird bösegeredet.

Gebetsmühlenartig werden immer wieder abgegriffene Floskeln rund um den Schlaf in die Schlacht um Basels Interessen geworfen. Chancen dürfen nicht "verschlafen" werden, und jene die Möglichkeiten "verpennt" haben, haftet fortan der Ruf der Trägheit an wie ein Kaugummi an der Schuhsohle. Und die politisch ganz Beseelten fordern ständig "wacht auf" vom Volk, auf dass es sich schlaftrunken (also noch leicht steuerbar) wider diese oder jene Mißstände erhebe.

Selbst Henry V. bekam auf dem Feld vor Agincourt von Shakespeare in den Mund gelegt, dass die Noblen daheim in England sich vor Scham noch tiefer unters Kissen verkriechen mögten, wenn da einer der glücklichen Wenigen käme, der das blutige Schlachtfeld dem kuscheligen Bett vorgezogen habe? Wieso diese Abneigung wider das biologisch notwendige Ruhen in Morpehus Armen? Gegen Essen und Atmen wird bei weiten kein solches Theater gemacht.

Es gibt gute Gründe wieso dunkle Kreise sich gegen unser aller Schlaf verschworen haben. Der schlafende Mensch ist der Feind von Wirtschaft und Politik. Er kauft nichts, sieht sich keine Werbung an und er träumt nur von einer besseren Welt anstatt sie im Dienste einer beliebigen Ideologie wach und aktiv zu verändern. Und wenn man uns nicht am Schlafen hindern kann, so will man uns wenigstens ein schlechtes Gewissen einreden.

Diese dunkle Saat geht auf. Schlaf ist gesellschaftlich geächtet. Hätte er menschliche Gestalt, so würde man ihn mit faulen Äpfeln und kaputten Blumentöpfen bewerfen, um dann die Hunde auf ihn hetzen wenn er nur wagte anzuklopfen. Wie dem Tod geht man dem Schlaf oft solange aus dem Weg, bis er einem doch holt. Bloss dass gewisse Situationen weniger peinlich sind wenn man dabei tot aufgefunden wird und nicht bloss schläft.

Die oft zitierten "veränderten Lebensgewohnheiten" (Säulenheilige jener die rund um die Uhr Geld oder Party machen wollen) machen die Schlafenszeit zu einem Supplement des Lebensstils; fakultativ wie ein Gummibaum im Wohnzimmer. Dramatisch viele Leute ignorieren erfolgreich, dass ihr Körper den Schlaf dringend braucht, und wundern sie sich wenn sie mit dem Gesicht im Airbag und der Stoßstange im Strassengraben aufwachen.

Kinder fürchten in einem gewissen Alter ständig etwas zu verpassen wenn sie schlafen. Daher zögern mit allerlei Kniffen das Zubettgehen möglichst lange heraus. Wenigstens ist bei Kindern oft noch genug Instinkt erhalten, den künstlichen Drang wachzubleiben abzudrehen und irgendwann in den unmöglichsten Lagen einzuschlafen. Erwachsene sind hierbei disziplinierter. Die laufen lieber übernächtigt rum als klug zu schlafen.

Pubertierenden Jugendlichen ist der Tag oft zu kurz um alles erleben zu können was sie wollen. Da bietet die Nacht als längste Phase verfügbarer Freizeit die Spielwiese für alle möglichen Aktivitäten, ausser Schlafen. Das kommt häufig erst wie der Gang zur Toilette - wenn es nicht mehr anders geht. Ähnlich ungeliebt ist dann Morgens das Aufstehen, und dem entsprechend ist dann die Laune in der ersten Tageshälfte.

Ich kann Leute nicht leiden, die morgens mies drauf sind, einem an den Karren fahren und sich in der Mittagspause dann entschuldigend mit dem Schlafmangel von letzter Nacht rausreden. Ich bin morgens immer mies drauf und brauche keine plumpe Ausrede. Und es käme mir schon gar nicht in den Sinn, den Schlaf, von dem jeder genug bekommen kann wenn er will, für meine eigene Fehlbarkeit anzuschwärzen. Lasst mir endlich den Schlaf in Ruhe!

engel

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