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Glosse Nr.47 / 27. Januar 2015

Schnelle Worte - lange Reue

Dass Leute in der Politik Dinge unüberlegte Dinge von sich geben war schon zu Zeiten des Sokrates üblich. Bloss hat sich mittlerweile die Geschwindigkeit gesteigert, mit der solche Geistesblitze die Runde machen. Selten mussten so viele geistige Ergüsse der Classe Politique nachträglich relativiert werden wie heute.

Soziale Plattformen wie Twitter und Facebook haben dem modernen Menschen Werkzeuge in die Hand gegeben, mit denen jeder geistige Darmwind zeitnah in der Welt geschickt werden kann. Unglücklicherweise haben diese Hilfsmittel der rasenden Kommunikation weder Bremsen noch Airbags, so dass hurtige Eingebung bald nach der Eingabe zur schmerzhaften Frontalkollision mit der Realität der öffentlichen Meinung werden können.

Es ist wie bei einem schnittigen Supercar aus Top Gear, den man so über den Asphalt jagen will wie Jeremy Clarkson. Nicht weil man eilig wo hin möchte, sondern weil es möglich ist. Genau so wird oft und gern auf sozialen Plattformen agiert. Dass der normale Sterbliche etwa auf Facebook neben Katzenbildern, Fotos des eigenen Essens oder des ersten Schneefalls auch schon mal hölzerne Weisheiten einstellt ist Courant normal.

Tummeln sich dort die Damen und Herren der hohen Politik, kommt es vor, dass sie sich im albernen Katzenbildmodus auf der Ebene des gemeinen Volks wähnen. Da schlüpfen schon mal übelste Gedankengänge in die sozialen Medien. Abgründe tun sich auf, wenn mit flinkem Tastendruck ein Ereignis kommentiert werden kann. Dinge die einem in Gesellschaft nicht über die Lippen kämen, jagt man leichten Herzens in den virtuellen Raum.

Da giesst man Häme über Tragödien, flohlockt infantil über Missgeschicke politischer Gegner, oder wünscht auch mal allen die nicht die eigene Ideologie teilen den Tod. Ungefiltert drängt zuweilen nach aussen, was sich am Rednerpult hinter der Contenance einer sorgsam geschriebenen Rede verbärge. Offenbar glauben manche Politiker/innen, etwas auf dem Klo getwittertes, verlasse nicht die Intimität des trauten Raumes.

Hinterher schlägt die Stunde der Notärzte, die herbeieilen müssen, um den ausgeworfenen Unsinn mit der Kunst des Relativierens in weniger schädliche Bahnen zu lenken. Hilfreich ist dann, wenn das Ungeschick sich in einem grösseren Wortschwall offenbarte. Dann kann man nämlich behaupten, dass die peinliche Aussage von bösen Menschen aus dem Zusammenhang gerissen worden sei, und eigentlich etwas ganz anderes bedeutet habe.

Schwierig wird es, wenn der geistige Stromausfall sich mit wenigen Worten manifestiert. Dann zieht man sich verzweifelt auf den Standpunkt zurück, die Äusserung sei heftig falsch verstanden worden. Die rausgeschickte Katastrophe versucht man mit dem Prädikat "ungeschickt formuliert" zu veredeln, was verklausuliert, dass man seine tiefsten Gedanken zu ehrlich offenlegte, und die Welt bittet dies schnell wieder zu vergessen.

Ich lege mein besonderes Augenmerk auf diese überstürzten Stilblüten aus den Mündern der Machtberufenen. Sie haben viel mit den Unflätigkeiten von Betrunkenen gemein; weil sie tief in die Seele jener blicken lassen, die sie von sich geben. Eile und Suff fördern oft das Innerste in einem Menschen zu Tage. Dabei treten Defizite an den Tag, auf die man bei Leuten aus der Politik nicht genau genug achten kann.

engel

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