face

zurueck


glossen
Glosse Nr.12 / 02. April 2004

Spam

Die harten Zeiten fordern überall ihren Tribut. Auch bei den vier Reitern der Apokalyse mussten personelle Veränderungen vorgenommen werden, jedenfalls für die Wohlstandgesellschaft. Da Hunger und Pest in diesen Kreisen nicht mehr die einstige Drohwirkung entfalten können, wurden sie entlassen.

An ihrer Stelle hat man junge und talentierte Heimsuchungen entdeckt, die jetzt ihre Chance ergriffen haben. Die neue dynamische Quadriga heisst nun Krieg, Tod, Spam und Computerviren. Die letzteren haben sich an der Seite ihrer alten Kollegen schon sehr profiliert, und dürfen sich bereits während der Probezeit als vollwertige Plagen bezeichnen.

Da verspricht mir eine Mail der schlüpfrigen Art die Befriedigung meiner dunkelsten Begierden beim Besuch einer Website. Meine dunkelsten Begierden drehen sich aber um einen Unternehmensberater, wobei die Pest, die Lepra und Haarausfall tragende Rollen spielen. Nicht zu vergessen die Geige, die ich benötige um an seinem Krankenlager fröhlich tanzend zu fiedeln, spitze Lacher ausstossend.

Ich glaube nicht so recht, dass mir diese Website mit zungenfertigen vollbusigen Damen meinen oben genannten dunklen Begierden gerecht wird. Andere Spams möchten, dass ich ohne Rezept und kritische Fragen alle Medikamente zu günstigsten Preisen bei einem dubiosen Versand bestelle. Mir drängen sich da Visionen auf, die mich beim Aushauchen meines Lebens im Stile von Elvis zeigen.

Voll bis an die Koteletten mit Erzeugnissen der Pharmaindustrie, falle ich umnebelt von der Kloschüssel. Als man mich findet ist es zu spät. Die erkaltete Nase in einem Buch steckend habe ich diese Welt verlassen. Der erschossene Fernseher im Wohnzimmer zeugt von meinen letzten Emotionen. Also auch diese E-Mail für den Mülleimer.

Wenn ich endlich das Prestige und das Einkommen haben wollte welches mir zustünde, dann sei ich an die richtige Andresse geraten - so wird es jedenfalls behauptet. Um ganz vorne dabei zu sein, brauche ich nur einige tausend Dollar locker zu machen, um mir einen akademischen Titel von einer angeblich anerkannten Universität zu kaufen. Ohne Lernen und ohne Tests heisst es in dieser Mail.

Eine einfache Lösung mit einer gehörigen Portion Beschiss für alle die gerne die Nummer 1 sein wollen. Dass das nicht funktioniert demonstriert die aktuelle Aussenpolitik der Administration Bush zwo, aber dennoch versuchen Windeier das Prinzip per Spam an schlichte Gemüter zu verkaufen. Auch hier wartet bereits der Mülleimer.

Dann sind da noch die Mails von Unbekannten, die mich dazu bewegen wollen, einen ominösen Anhang per Mausklick zu öffnen, damit ich mir eine elektronische Filzlaus in den Pelz setze. Es wird gefragt, ob diese schockierenden Bilder wirklich mich zeigen - bitte Anhang öffnen. Oder dass ich auf illegalen Websites erwischt worden sei - bitte Anhang öffnen. Oder dass ich rasch handeln müsse weil die Zeit ablaufe - bitte Anhang öffnen. Hoppla - ungeöffnet in den Müll.

Ich werde mir bei einem Fortschreiten dieser Entwicklung einen dressierten Affen zulegen, der mir die stetig wachsende Bürde des Löschens solcher Zusendungen abnimmt. Vielleicht wandern dann auch echte Mails von Freunden in den Müll, aber das fördert schliesslich die vergessene Kunst des Briefeschreibens und Briefmarkenklebens.

engel

zurück