face

zurueck


glossen
Glosse Nr.2 / 29. Juni 2003

Hast noch der Helden ja...

In meinem nächsten Rundgang am 27. Juli möchte ich die Teilnehmer an einen Ort der Verwüstung führen. Es wird sich um einen Sommertag drehen, als es beim heutigen Fussballstadion zu blutigen Ausschreitungen kam. Dabei ging es rauh zur Sache. Sogar lokale Liegenschaften brannten bis auf die Grundmauern nieder. Es dauerte eine gute Woche bis die Sauerei aufgeräumt war. Man vernehme erstaunt, dass die ganze Sache nichts mit einem Fussballspiel zu tun hatte.

Wer wie ich in der Schule noch ein etwas von den eidgenössischen Mythen mitbekam, dem dürfte allmählich aufgehen dass ich den 26. August 1444 meine. Damals kam es zwischen Pratteln und Gundeldingen zu einer Serie von Gefechten, die später als "Schlacht von St.Jakob an der Birs" in die patriotischen Annalen einging. Der dramatischen Untergang eines eidgenössischen Aufklärungskorps' wurde im 19. Jahrhundert arg üppig mit vaterländischen Legenden gewürzt.

Diese Legenden fanden noch als erkaltende Leichen den Weg in mein Heimatkundeheft. Meine Klassenlehrerin war längst in Pension, als ich begriff wie sehr die populären Überlieferungen von den historischen Fakten abwichen. Um einen Rundgang vorzubereiten, begebe ich mich mehrfach an den Ort des Themas um die Route zu verfeinern und um nach interessanten Punkten Ausschau zu halten. Ich nutzten letzthin den Wunsch meiner Frau für eine solche Expedition aus.

Sie dachte an einen spitzweg'schen Sonntagsbummel mit Vater, Mutter und Sohn in sonnigen Auen und schattigen Wälder. Ich plante diesen und wir landeten zwischen Tramgleis und heissem Asphalt beim St.Jakobsdenkmal bei 31 Grad im Schatten. Es tröstete meine Frau wenig, zu hören dass hier die Katharinenkapelle stand, wo an jenem Augusttag die Basler, die den Eidgenossen zur Hilfe eilen wollten, zum Aeschentor umkehrten, weil ein französischer Verband sie von der Stadt abzuschneiden drohte.

Noch geringer war das Interesse meines 19 Monate alten Sohnes. Er griff wie der todwunde Eidgenosse am Denkmal zu einem Stein. Allerdings wurde damit nicht das Gesicht eines Ritters neu strukturiert. Vielmehr steckte sich Junior den verlockenden Kiesel zum Durchspeicheln in den Mund. Derweil warf meine Frau begehrliche Blicke auf die schattige Terrasse einer nahen Pizzeria und ich trat in meiner ausgeuferten Erzählfreude mitten in die dornige Bepflanzung vor dem Monument.

Ich liess mich nieder unter dem steinernen Armbrustschützen, der sich heroisch einen feindlichen Bolzen aus der Brust zieht, um ihn mit seiner am Boden liegenden Waffe in eine Armagnakenleib zu jagen. Da sass ich, zupfte mir nicht minder heldenhaft die Stacheln aus der Wade und genoss die volle Aufmerksamkeit meines Sohnes, der von meinem Gejammer angelockt worden war. Er drückte mir den speichelnassen Stein in die Hand und ich nahm's als eine Geste liebevollen Mitgefühls.

Dann aber packte er mich am Zeigfinger und zerrte mich von dannen, womit mir klar wurde dass es hier eher um eine Art Tauschgeschäft ging. Die Details blieben mir verborgen, aber ein Teil des Handels forderte deutlich, dass wir im Gegenzug für das Steinopfer diesen todlangweiligen Ort verliessen. So schickte ich mich in den Willen meiner Familie. Nach dem letzten rausgezogenen Dorn warf ich einen Blick auf den Hellebardier, dessen Waffe heute nur noch ein abgebrochenes Fragment ist.

Da kniet nun seit 1872 dieser wackere Mann, geschaffen von der Hand Ferdinand Schlöths. Saurer Regen und Vandalen kamen über ihn, doch er blickt noch immer trotzig empor. Dabei hat es ihn und seine drei Mitstreiter so nie gegeben. Keine Spur von wallenden Bärten bei einem eidgenössischen Heer dessen jugendliche Kämpfer wohl mehr Babyflaum als Rauschbart im Antliz trugen. Kriegshelden sieht man eben immer nur im Rückspiegel, und auch dann nur durch einen Schleier der Verklärung.

engel

zurück