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Glosse Nr.24 / 21. April 2006

Teleshopping

Es kann uns allen passieren - besonders wenn wir ausserhalb der Hauptsendezeit zur Fernbedienung greifen: Ein Kanal zu weit, ein Knopfdruck daneben und schon stolpern wir ins Universum des Teleshopping wie einst Alice ins Wunderland. Freundliche Grinsemänner in Kurzarmhemden wollen hier unentwegt unser Leben mit ihrem ramschigen Produkten verändern.

Meine eigene handgestrickte Religion besagt in einem ihrer 42 Säulensätze, dass in diesem Sonnensystem kein kommerzielles Produkt existiert welches es wert ist am Telefon, an der Haustür, via E-Mail oder über den Fernseher erworben zu werden (mit Appendix für Senioren, der da ergänzt, dass man auch niemals kaufen solle, was einem bei Kaffee und Kuchen nach einer Fahrt im Reisenbus angeboten wird). Bei Dauerwerbesendungen überkommt mich jedesmal der Drang meinen Fernseher aus dem Fenster zu werfen.

Dort würde er aber garantiert auf das Dach eines Autos im Hof scheppern, und damit Folgeärger hervorrufen der in keinem Verhältnis zur gewonnenen Befriedigung stünde. Also zappe ich stattdessen einfach weiter wenn Anstiftung zum Teleshoppen über den Bildschirm flimmert. Dieser Reflex ist das Resultat vieler flüchtiger Sekunden Verkaufssendungen, die mir mit der Zeit zugeführt wurden. Paraceslus erkannte schon dass Gift nur eine Frage der Dosis sei.

In diesem Fall hat das Gift einen stark transatlantischen Goût. Eine begeisterte Stimme aus dem Off preist Produkte an, deren englische Namen jenseits jeder Grammatik auf Konsumenten von schlichtem Gemüt zugehobelt wurden. Das angepeilte Kundensegment kann sich offenbar nicht mehr als drei Silben auf einmal merken. Auf diesem Niveau bewegen sich die Spots - Will man Ramsch an Konsumzombies verkaufen, wird zuviel Information zur Belastung.

Unverzichtbarer Bestandteil solcher Werbung im Bereich Haushalt ist nebst smarten Moderatoren/innen die Houswife, die ob zäher Schmutzflecken in Textilien oder Fettresten im gewaschenen Geschirr gar heftig desperate ist. Dann kommt das mirakulöse Produkt, das aus Gewebe und Fugen den Dreck nur so raushext. Kritische Geister werden mit den vorher-nachher Sequenzen überzeugt, und die Hausfrau gerät in Extase wie Sally beim gemimten Orgasmus.

Dann sind da noch jene Menschen wie Du und ich, die englisch reden und in den USA leben (womit sie ausser gewissen atomaren Strukturen halt eben nur wenig mit Du und ich gemein haben). Sie litten unter Nikotinsucht, Übergewicht, Haarausfall oder nicht ganz weissen Zähnen. Dann trat dieses Produkt in ihr Leben und unerwartet wurden sie clean, schlank, dichthaarig oder weisszahnig - Erfolg und Glückseligkeit werden jeden Moment an ihre Tür klopfen.

Ein Bonsai-Prominenter erzählt mir anderorts von einer CD-Kollektion mit Klassikern des Country. Ins Bild tappert ein weiterer Prominenter, dessen Name nur südlich der Mason-Dixon Line bekannt sein dürfte. Im Duett betonen sie, dass ich tonnenweise verkratztes schwarzes Vinyl kaufen müsste, um diese einmalige Sammlung von Superhits auf anderem Wege zu erstehen. Eine Note davon würde genügen um meine heiligen Boxen dauerhaft zu schänden. Zum Glück kann man einen Fernseher abschalten.

engel

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