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Glosse Nr.29 / 08. März 2008

Von der Ungeduld und ihren Gesichtern

Diesem Typ Mensch können Sie überall begegenen. Manchmal ist es unterhaltsam ihn zu beobachten, und zuweilen geht er einem richtig auf die Nerven. Ich meine jene Zeitgenossen (natürlich sind die Genossinnen auch vertreten) die sich so aufführen als sei die Sanduhr ihres Lebens mit ausgesuchten Goldkörnern gefüllt, während die übrige Menschheit nur ordinäres Streusalz hat um die verflossene Zeit zu messen. Ich selbst begegne in Bäckereien häufig solchen Leuten, denen Ungeduld die zweite Natur ist.

Kaum haben sie die berstend volle Bäckerei betreten, zücken sie das Portemonnaie. Ganz hinten sehen sie noch nicht einmal die Auslage bei der Theke, aber bereits nehmen sie eine Banknote raus und fingern unentwegt damit rum. Zugleich prüft ihr Adlerblick ob eine der Damen hinter der Kasse schon registriert hat, dass hier ein besonders eiliger Kunde steht. Wenn das Geflatter mit der Banknote nicht reicht, fängt man an auf den Zehenspitzen zu wippen, und genervte Blicke zur Kundschaft weiter vorn zu werfen.

Dieses Getue wird ergänzt mit ungeduldigen und vorwurfsvollen Seufzern, sobald jemand länger als eine Sekunde braucht um zwischen Gipfeli und Schwöbli zu entscheiden. Eine Spielart dieser personifizierten Ungeduld können sie auch in fast leeren Bäckereien beobachten, oder in Postämtern und an Kiosks. Und wenn nur ein einziger Kunde vor ihnen dran ist, tigern sie unentwegt auf und ab. Man möchte meinen sie harrten mit prall gefüllter Blase vor einem besetzten Pissoir.

Wenn sie nicht binnen dreissig Sekunden bedient werden, laufen sie mit einem verärgerten Stöhner davon, um dorthin zu eilen wo sie eigentlich hinwollten, bevor ihnen in den Sinn kam dass vorher sie noch schnell ein Brötchen, eine Briefmarke oder ein Zeitung kaufen könnten. Als ob solch hurtige Kunden der einzige Lebensinhalt der Leute an Kasse oder Schalter wären. Einen besonders hohen Unterhaltungswert haben die Ampelprügler, denn sie nerven niemanden ausser das tote Objekt an sich.

Man merkt ihrer ganzen Körpersprache an, dass sie so brennend begehren auf die andere Strassenseite zu gelangen. Aber wie ein reissender Strom trennt sie der dichte Verkehr von ihrem Ziel. Sie drücken den roten Knopf an der Fussgängerampel und erwarten dass sich der Verkehr sofort vor ihnen teile wie das Meer vor Moses. Nichts dergleichen passiert. Also drücken sie nochmal, und nochmal und dann fangen sie an auf den Knopf zu hauen als ob kalte leblose Materie auf Prügel reagieren würde. Auch hier gibt es eine Variante.

Die Nebenline der Ampelprügler stellen die Knopfdrücker dar. Auch sie gibt es in beiderlei Geschlechtsarten und sie tauchen vornehmlich in öffentlichen Verkehrmitteln auf. Die nächste Haltstelle ist noch weit weg, und der Haltknopf ist bereits gedrückt. Man ist eilig und hilflos zugleich, denn aussteigen kann man erst wenn das Gefährt hält und die Tür öffnet. Also drückt man weiterhin den Knopf in immer kleineren Abständen bis es sich anhört wie eine eintönige Morsebotschaft.

An Haltstellen trifft man übrigens auch auf das Gegenstück dieser Gattung - jene die ganz schnell einsteigen wollen, und zwar um jeden Preis und gegen alle Widerstände. Hauptsächlich findet man sie unter Schulkindern, wo die jugendliche Unbedachheit sich mit Ungeduld paart. Aber ich habe schon Exemplare von juvenil über adult bis matur und gar senil getroffen, die alle der Drang nach schnellem Einsteigen einte. Die ziehen nicht einmal in Betracht, dass auf dem Erdenrund auch Leute wandeln die aussteigen wollen.

Sie ärgern sich beim Hineinkämpfen in den Fahrgastraum lediglich darüber, dass sie so viele Hindernisse wegrempeln müssen. Das sind mühsame Begegnungen, aber ich tröste mich immer mit der Hoffnung, dass diese Drängler dergleichen einmal an einem Tramwagen probieren aus dem eine Horde enttäuschter und besoffener Hooligans gerade aussteigen will.

engel

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