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Denkmal der Dankbarkeit
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Spalenringlageplan denkmal der dankbarkeit

Tram 1 und 8 Schützenhaus / Bus 33 und 48 Schützenhaus


In seinem kleinen Buch über die Denkmäler von Basel erzählte 1975 der Lokalhistoriker Gustaf Adolf Wanner (1911-1984) auch die Geschichte der Frauenskulptur, die gegenüber dem Schützenhaus im Schützenmattpark steht. Die übergrosse Muttergestalt aus Stein, die ein kleines Kind hält welches erschöpft in ihren schützenden Händen liegt, erinnert an Kriegsnöte. Vier Kleinkinder recken sich auf jeder Seite des Sockels um Hilfe bittend zu ihr empor. Die Sockelinschrift enthüllt den Hintergrund.

das denkmal der dankbarkeit vom Spalenring aus

Das Denkmal vom Spalenring her gesehen. Die Muttergestalt Georges Salendres wurde am 27. Juni 1948 unter den Klängen der Marseillaise von einem Mädchen in Elsässertracht und einem Basler Kind enthüllt.

Die Inschrift lautet "A la Suisse généreuse, la France reconaissante / 1939-1945" (das dankbare Frankreich, der grosszügigen Schweiz / 1939-1945). Bemerkenswert ist bei diesem Denkmal das Detail, dass es im Grunde nicht an die Schweiz als Nation gerichtet war. Vielmehr entsprang die Hilfe, für die sich Frankreich mit dem Monument dankbar zeigte privater Initiative. Während des Zweiten Weltkriegs kümmerte die Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes sich um viele französische Kinder.

Bomben fielen über dem besetzen Frankreich und kündigten die Rückkehr alliierter Armeen auf den Kontinent an. Die Befreiung von der deutschen Besatzung wurde von der französischen Zivilbevölkerung teuer bezahlt, und viele Familien verloren ihr Obdach. Aus evakuierten Gebieten kamen damals viele Kinder in die sichere Schweiz, wo sie für jeweils für drei Monate von Schweizer Familien aufgenommen, verpflegt und oft auch bekleidet wurden. Zwei Basler Personen machten sich dabei besonders vedient.

Mathilde Paravicini und Marc Bernheim

Zum einen war dies Mathilde Paravicini (1875-1954), die sich mit Frankreich verbunden fühlte seit sie in Paris das Schneiderhandwerk erlernt hatte. In einem Atelier an der Malzgasse in Basel gab sie Schneidereikurse. Als während der erwähnten Kriegsnot Evakuiertenzüge aus Nordfrankreich über Schaffhausen in die Schweiz kamen, fehlte es dort an freiwilligen Helfern. Mathilde Paravicini nahm zeitweise täglich den weiten Weg auf sich, um dem schaffhauser Hilfskomitee als Helferin beizustehen.

Später wurden auch Züge über Basel geleitet. Paravicini wurde nun in ihrer Heimatstadt aktiv. Zunehmend kümmerte sie sich um Flüchlingskinder. Häufig war sie auf Bahnhöfen oder in Zügen anzutreffen, wo sie dafür Sorge trug dass die Kinder gut empfangen wurden. Sie wurde zu einer treibenden Kraft der Kinderhilfe des Roten Kreuzes. Nicht minder verdienstvoll wirkte der aus Mulhouse stammende Textilfabrikant Marc Bernheim (1875-1952), der sowohl Bürger der Schweiz wie auch Frankreichs war.

Bernheim, der Elsässer der mit 18 Jahren auch Basler geworden war, stellte in den Jahren des Zweiten Weltkrieges das Personal seines Speditionsbüros an der Elisabethenstrasse in den Dienst der Kinderhilfe. Nicht nur seine Angestellten halfen mit. Er legte auch persönlich Hand an beim Sortieren des gesammelten Geldes, und man sah ihn bei jedem Wetter am Bahnhof, wo er hunderte von Tafeln Schokolade an die Kinder austeilte, was ihm den Beiname "L'homme avec les chocolats" einbrachte.

Basel erhält ein Denkmal von Frankreich

Primär sei es der beseelte Einsatz Bernheims für das Wohl der französischen Flüchtlingskinder gewesen, welcher Anstoss dafür gab das Denkmal gerade in Basel aufstellen zu lassen. Er, und natürlich auch Mathilde Paravicini, gaben der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes starke Impulse. Dieser Einsatz wurde mit dem Denkmal im Schützenmattpark gewürdigt, auch wenn keine Namen auf dem Sockel erscheinen. Die feierliche Einweihung fand am 27. Juni 1948 vor viel Publikum statt.

Zur Zeremonie war Édouard Herriot (1872-1957), Präsident der französischen Nationalversammlung, nach Basel gekommen. Er erinnerte in seinen Dankesworten an die Helferinnen und Helfer, die in dunklen Nächten (wenn Eisenbahnzügen weniger Gefahr von Kampffliegern drohte) durch verwüstete Landstriche gefahren waren um Kinder in die Schweiz zu holen. Mathilde Paravicini hatte selbst weite Fahrten ins Ausland gemacht, um ihre Schützlinge unter dem Schutze des Roten Kreuzes abzuholen.

Der radikalsozialistische Staatsmann Herriot beendete seine Rede mit den Worten "Vive la Suisse, terre de travail, de liberté et de bonté". Als Vertreter der geehrten Schweiz sprach der liberalkonservative Basler Regierungspräsident Peter Zschokke (1898-1986). Er würdigte die Opfer Frankreichs im Kampf für die Befreiung, ohne die Europa und damit auch die Schweiz verloren gewesen wäre. Umrahmt wurde die Feier durch die Polizeimusik Basel und eine Fanfare der französischen Chasseurs alpins.

Die Basler Mutterskulptur und ihre Schwester in Lyon

Der Künstler der die Skulptur schuf hatte sein Atelier in Lyon, der Stadt aus der auch Herriot stammte. Die Muttergestalt von Georges Salendre (1890-1985) hat denn auch in Lyon eine ältere Schwester. Das 1946 entstandene Monument für die Toten der Befreiung auf der Place Lazare Goujon hat eine unübersehbare Ähnlichkeit mit der Basler Skulptur im Schützenmattpark. Lyon war im Zweiten Weltkrieg während der Deutschen Besatzung der Südzone Frankreichs 1942-44 ein Zentrum der Resistance.

In dieser Stadt erwarb sich etwa der grausame Gestapo-Leiter Klaus Barbie (1913-1991) bei der Unterdrückung des Widerstands seinen Ruf als "Schlächter von Lyon". Es erstaunt nicht dass Salendres Frauenskulptur in Lyon eine Marianne ist, energisch voranschreitend mit gesprengten Ketten an ihren Armen und einer Maschinenpistole in Händen. Es ist eine barbusige Widerstandskämpferin mit phrygischer Mütze, wie die Freiheit von Delacroix, die mit Muskete und Trikolore das Volk auf die Barrikaden führte.

das denkmal der dankbarkeit vom Spalenring aus

Der Blick vom Schützenmattpark aus offenbart Salendres Auge für Weiblichkeit. Der behauene Stein wurde zu würdevoller Eleganz, die mit wiegendem Gang die Tragik des Themas trägt.

Als Gegenstück zum kämpfenden Frankreich entstand zwei Jahre später die Basler Muttergestalt. Auch wenn der energische Gang Mariannes durch Helvetias würdevolles Schreiten ersetzt wurde, ähneln sich die Posen. Das Faible des französischen Künstlers für die Schönheit des weiblichen Körpers floss in beide ein. Im Gedenken an Mathilde Paravicini und Marc Bernheim hält die barbusige Mütterlichkeit schützend ein Kleinkind in Händen. Die martialische Waffe steht ihrer Schwester in Lyon besser an.

Zusammenfassung

Während Frankreich im Zweiten Weltkrieg die Nöte von Besetzung und Kriegsgeschehen erlitt, setzten sich in Basel Mit Mathilde Paravicini und Marc Bernheim zwei Leute für französische Kinder ein. Sie war Schneiderin und er Textilfabrikant. Ihren Möglichkeiten gemäss unterstützen beide die Kinderhilfe des Roten Kreuzes. Paraviccini reise persönlich mit der Eisenbahn weit durch Europa um Kinder (nicht nur aus Frankreich) für einige erholsame Monate in die sichere Schweiz zu holen.

Bernheim stellte seinerseits die Lieferabteilung seiner Basler Firma in den Dienst der Kinderhilfe und stand oft selbst am Bahnhof um hunderte von Schokoladetafeln an fremde Kinder zu verteilen. Die Schweizer Unterstützung aus Basel verdankte Frankreich nach dem Krieg mit einem Geschenk - dem Denkmal der Dankbarkeit. In Gegenwart des Präsidenten des französischen Nationalversammlung und des Basler Regierungspräsidenten wurde am 27. Juni 1948 das Monument im Schützenmattpark eingeweiht.




Querverweis zum Schützenmattpark:

>> Geschichte der Schützenmatte



Beitrag erstellt 07.12.12

Quellen:

Helene Vischer, Beitrag "Dr.h.c. Mathilde Paravicini / 9. Juni 1875 bis 10. Juni 1954", publiziert im Basler Jahrbuch 1955, herausgegeben von Gustav Steiner und Andreas Staehelin, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1954, Seiten 196 bis 200

Gustaf Adolf Wanner, Rund um Basels Denkmäler, Verlag Basler Nachrichten, Basel, 1975, Seiten 110 bis 112

engel

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