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Johann Jakob Schneider (1822-1889)
Die Erinnerung an Basel vor den städebaulichen Veränderungen ab 1850 wurde wesentlich vom Werk Johann Jakobs Schneiders mitgeprägt. Er hat mit Leidenschaft das vergehende Stadtbild gezeichnet und gemalt. Seine Darstellungen zeugen von einer tiefen Liebe zur Stadt. Eine Liebe die wohl auch dafür sorgte, dass alle seine Basler Bilder zu einer romantischen Gefälligkeit fanden.
Schneiders Ansichten kennen keine schmutzigen und düsteren Ecken. Sein Basel tritt uns fast immer als sonniges Idyll mit kleinen Genreszenen entgegen. Aber da der Künstler ja von seinem Werk leben möchte, sei ihm nicht vorgeworfen, dass er seine Motive attraktiv gestaltete. Wer hängt schon ein Bild mit Gammelhäusern, Strassendreck und Pferdeäpfeln ins Wohnzimmer?
Die Bilder von Schneider mögen eine geschönte Sicht seiner Tage wiedergeben. Behält man dies beim Betrachten im Auge, dann eröffnet sich eine verschwundene Welt, wie sie zu Zeiten des Künstlers aussah. Wohl nicht so aufgeräumt und idyllisch, aber mit jenen engen Gässlein, den Brunnen und den Plätzen, die er festhielt wenn er mit dem Zeichenblock unterwegs war.
Jugendzeit
Schneider kam im Februar 1822 in seinem Elternhaus an der Rheingasse zur Welt. Bis in seine späten Jahre fühlte er sich mit Kleinbasel besonders verbunden. Seine Eltern lebten in einfachen Verhältnissen, die sich etwas besserten als sein Vater beim Brunn- und Bauamt zum Brunnmeister aufsteig. Der Knabe besuchte nur einhalb Jahre die Schule und musste bald arbeiten.
Er zählte noch keine zehn Jahre, als er beim Aushelfen zum Anzünden und Löschen der Basler Öllaternen zum Einkommen der Familie beitragen musste. Sein Vater hatte es arrangiert, dass der kleine Johann-Jakob wenig später eine Arbeitsstelle in einer Tabakfabrik antreten sollte. Dank des Zeichentalents des Jungen nahm dessen Leben hier nun aber eine entscheidende Wende.
Die Freie Strasse beim Rüdengässlein um 1875. Ein Motiv nach Skizzen die Schneider selbst vor Ort gezeichnet hatte. | Lichtdruck v. Gebrüder Bossert nach Johann Jakob Schneider (Sammlung altbasel.ch)
Grafische Laufbahn
In jenen Zeiten waren die Fasnachtslaternen aufgekommen. Der junge Schneider bemalte einige von ihnen so gekonnt, dass sein Talent Aufmerksamkeit fand. Man bot ihm eine Lehre als Dessinateur in der Bandfabrik J.J.Bachofen in der Brunngasse an, wo seine zeichnerische Begabung vier Jahre gefestigt und vertieft wurde. Die Kunst sollte von nun an sein Broterwerb werden.
Neben seiner Berufsausbildung ging er auch dem gelähmten Maler Jakob Christoph Miville (1786-1835) zur Hand und erhielt zum Dank für seine Hilfe von ihm Zeichenunterricht. Nach der Lehre arbeitete Schneider für verschiedene Firmen als Dessinatur zur Verzierung von Textilien. Ausserhalb des Berufs wirkte Schneider in der Zunft zu Rebleuten und erforschte Basler Stammbäume.
Privatleben
Schneiders Privatleben war geprägt von schweren Erfahrungen. Seine erste Gattin Emilie Meyer, die nach der Hochzeit 1845 zwei Kindern das Leben schenkte, starb früh. Ihre Tante Emilie Gyssler half bei der Pflege der halb verwaisten Kinder und mehr aus Zweck denn aus Liebe heiratet der Witwer sie 1851. Ihre gemeinsame Tochter Julie Mathilde kam im Februar 1852 zur Welt.
Die Ehe verlief unglücklich und im Januar 1855 starb mit siebeneinhalb Jahren auch noch Schneiders Tochter aus erster Ehe, Rosina Emilie. Einige Jahre drauf begann er seine Heimatstadt Basel in Zeichnungen zu verewigen. Sein Sohn Samuel Rudolf Emil zeigte das väterliche Talent zum Zeichnen. Oft arbeiteten sie gemeinsam an Zeichnungen zum Basler Stadtbild.
Mit nur 21 Jahren starb sein von ihm sehr geliebter Sohn 1867 an Lungenschwindsucht. Seine schwierig verlaufende Ehe endet neun Jahre später mit der Scheidung. Schneider floh offenbar in den Jahren der Prüfungen in eine intensive Zeichnerei. Eine stetig wachende Zahl seiner Darstellungen Basels legt Zeugnis ab, von einer Stadt die sich im intensiven Wandel befand.
Auf der Aeschenschanze mit Blick zum Aeschentor um 1840. Neufassung Schneiders nach einer älteren Vorlage eines anderen Künstlers. | Lichtdruck v. Gebrüder Bossert nach Johann Jakob Schneider (Sammlung altbasel.ch)
Chronist des alten Stadtbildes
Der Zeichenstift Schneiders dokumentierte Bauwerke die bald verschwinden sollten. So fanden Stadttore, Zunfthäuser und Strassenzüge ihren Weg auf das Papier, die einige Jahre darauf nur noch Erinnerungen waren. Obschon dem Künstler aus der jungen Fotographie ein gnadenlos objektiver Rivale erwuchs, fuhr er fort die Stadt abzubilden, poetischer als es jede Kamera vermochte.
Nachdem er den frühen Tod seines Sohnes überwunden hatte, begann Schneider in den 1870er Jahren eine intensive Schaffensphase. Sie war wohl auch durch zahlreiche Abbrüche und Veränderungen im Stadtbild angefacht, denen er als Zeichner zuvorkam, um festzuhalten was bald vergehen sollte. Vielfach hielt er in seinen Werken Gassen der Stadt aus beiden Richtungen fest.
Auf der Grundlage der Skizzen die er vor Ort aufnahm machte Schneider Aquarelle, die er den Datierungen gemäss oft in den Wintermonaten ausführte, während er nicht draussen auf den Gassen unterwegs sein konnte. So entstanden Alben mit Stadtansichten, an denen sein Bekanntenkreis Gefallen fand. Einige verschenkte, andere verkaufte er. Manche Motive fertige er mehrfach.
Die Bilder erlangten breitere Aufmerksamkeit und schliesslich erwarb der Regierungrat 1884/88 auf Empfehlung des Staatsarchivars Rudolf Wackernagel (1855-1925) aus Schneiders Sammlung 248 Aquarelle zum Preis von 6785 Franken. Von seinen rund 400 Bildern blieben viele im Besitz des Künstlers. Er begann 1885 diese selbst herauszugeben und hatte damit unerwarteten Erfolg.
Abonnenten erhielten monatlich einen Satz zu vier Bildern. Sie entstanden als Lichtdrucke bei den Gebrüdern Bossert am Mühlenberg 19. Die Beliebtheit der Serie spornte ihn an, sie um ältere Ansichten zu erweitern. Diese fertigte er nach Vorlagen anderer Künstler, wie etwa Peter Dussing/Toussaint (1793-1865). Viele Illustrationen auf altbasel stammen aus dieser Lichtdruckserie.
Die Augustinergasse um 1843. Eine Neufassung Schneiders nach einer älteren Vorlage von Johann Jakob Neustück | Lichtdruck v. Gebr. Bossert nach Johann Jakob Schneider (Sammlung altbasel.ch)
Ausklang
Schneider heiratete im Herbst seines Lebens 1880 Katharina Elisabeth Hartmann. Die glückliche Ehe brachte einen kleinen Sohn hervor. Der Absatz seiner Bilderserie lief gut und brachte ein Zusatzeinkommen. Obwohl sich die Gesundheit des Künstlers verschlechterte, konnten sich seine Abonnenten monatlich auf vier Basler Ansichten freuen, geliefert in einem blaugrünen Umschlag.
Seine angeschlagene Gesundheit stärkte Schneider mit Badekuren. Nach einem geselligen Abend mit Freunden starb er während einer solcher am 5. Juni 1889 in Bad Ettingen. Seine Werke zählten nie zur grossen Kunst, aber fanden einen umfangreichen Kreis interessierter Leute. Vielleicht auch, weil sie Motive boten, die überall am verschwinden waren. Seine Bilder hielten sie lebendig.
Zusammenfassung
Geboren 1822 führte Johann Jakob Schneider sein Zeichentalent zu einer künstlerischen Ausbildung als Dessinateur in einer Bandfabrik. Seine Begabung brachte ihn nebenberuflich dazu, ab den 1850er Jahren das Basler Stadtbild in Zeichnungen und Aquarellen festzuhalten. Sein Schaffen fiel in eine Zeit des Wandels, in der viele alte Bauwerke verschwanden und neue erbaut wurden.
Schneiders Darstellungen sind geprägt von einer gewissen Romantisierung, die seiner Liebe zu Basel geschuldet sein mag. Der Wunsch, attraktive Motive die Absatz finden zu schaffen hat wahrscheinlich auch eine Rolle gespielt. Seine Bilder der Stadt fanden auch Interessenten. In den 1880er Jahren erwarb der Regierungsrat 248 seiner Aquarelle die ins Staatsarchiv gelangen.
Die übrigen einer damals rund 400 Bildern begann Schneider mit Erfolg selbst zu vermarkten in dem er Lichtdrucke der Motive anfertigen liess. Diese wurden in Vierersätzen monatlich an Abonnenten geliefert und fanden weite Verbreitung in Basel. Während dieser fruchtbaren Arbeit starb Schneider im Sommer 1889 in Bad Ettingen in der Folge seiner langjährig geschwächten Gesundheit.
Schneider hinterliess eine Frau mit Tochter aus seiner dritten Ehe. Die vorangegangene Ehe endete nach langen unglücklichen Jahren in der Scheidung. Seine erste Gattin, die er 1845 geheiratet hatte, starb nach der Geburt zweier Kinder. Von diesen starb die Tochter mit siebeneinhalb und der Sohn mit 21 Jahren. Die Schicksalsschläge fanden Linderung in seiner letzten glücklichen Ehe.
Beitrag erstellt 28.06.22
Quellen:
Christian Adolf Müller, Beitrag "Johann Jakob Schneider 1822-1889", publiziert in Freiwillige Basler Denkmalpflege 1958-1960, Druckerei Chratander AG, Basel, 1962, Seiten 17 bis 4
o.A. Beitrag "Sammlung Schneider", publiziert in Bildgeschichten - Aus der Bildersammlung des Staatsarchivs Basel-Stadt 1899-1999, Verlag Schwabe & Co AG, Basel, 1999, IBSN 3-7965-1418-9, Seiten 86 bis 90
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