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Rudolf Riggenbach "Dingedinge"

1882 - 1961


Ein Filzhut, einen Hauch zu klein, krönte seinen Basler Charakterkopf. Der Mantel, eher ein Gehrock, war meistens offen und diente zur Unterbringung von allerlei Geschriebenem, Gedrucktem und Abgebildetem aus dem weiten fachlichen Feld des Trägers. Und da war die Linke Innentasche - sie barg eine ganze Batterie der unverzichtbaren Zigarren; Partagas und Legitimos.

Ein Schirm oder ein Stock ergänzten jeweils die Garderobe des voluminösen Gelehrten der im Basler Dialekt auch schon als "Ranzeruedi Riggebach" betitelt wurde. Sein bekannterer Zweitnamen lautete jedoch "Dingedinge", und rührte daher, dass er bei seinen Vorträgen zuweilen einen Begriff als "e Ding, e Ding" umschrieb, bis ihm kurz danach wieder der eigentliche Name in den Sinn kam.

Rudolf Riggenbach war ein Weihnachtskind - er erblickte das Licht der Welt am 24. Dezember des Jahres 1882 als Sohn des Pfarrers und Theologieprofessors Bernhard Riggenbach und der Anna, geborenen Oser. Von 1893 bis 1901 besuchte er das Gymnasium und das Paedagogium um sich danach bis 1907 dem Studium von Archäologie, Geschichte und schliesslich Philosophie zu widmen.

Mit einer Dissertation über den Maler und Zeichner Wolf Huber promovierte Riggenbach 1907 zum Doktor und beschloss so seine Studienzeit, die ihn nach Berlin, München, Göttingen und auch in die Reihen der Studentenverbindung Zofingia führte. Sein Hang zur Kunst manifestierte sich 1909 in der Mitgliedschaft im Basler Kunstverein, für den er 1914/22 als Bibliothekar tätig war.

Zu jenen welche schon früh die junge Kunst in Basel unterstützten gehörte auch Rudolf Riggenbach. Er war kein Mann der nur in der Welt mittelalterlicher Wandmalerien lebte (obschon es ihm diese zeitlebens besonders angetan hatten). Seine Offenheit brachte ihm Freundschaften zu aufstrebenden Vertretern der Basler Kunstszene ein - so etwa Carl und Paul Burckhardt oder Numa Donzé.

Seiner Neigung zur Kunst entsprach die Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent im Kupferstichkabinett ab 1916. Im Jahr 1918 stieg er zum Vorsteher der Sammlung auf, die ihm bis zu seinem Rücktritt 1927 anvertraut blieb. In der Zeit danach wurde er immer öfter bei der Restauration alter Basler Kunstdenkmäler um Rat angegangen. Riggenbachs Zukunft zeichnete sich ab.

Basler Denkmalpfleger

Bereits ab 1919 war er Beisitzer der Freiwilligen Basler Denkmalpflege, der er von 1933 bis zu seinem Tod 1961 dann als Leiter vorstand. Aus dieser Institution ging 1932 die Öffentliche Basler Denkmalpflege hervor, zu deren Führung man Riggenbach gewann. Über zwei Jahrzehnte sollte er als Staatlicher Denkmalpfleger des Kantons Basel-Stadt wirken.

Das Domizil dieser Institution war zu Beginn eine arg vergammelte Angelegenheit - das Kleine Klingental war nur noch ein Schatten seiner Vergangenheit als Frauenkloster. Nun sollte es die Denkmalpflege und ein noch zu schaffendes Stadt- und Münstermuseum aufnehmen. Riggenbach nahm sich des verwahrlosten Gebäudekomplexes an.

Fünf Jahre vor Riggenbachs Berufung zum Denkmalpfleger hatte er in der Eberlerkapelle der Peterskirche mittelalterliche Wandmalereien entdeckt. Die Kapelle wurde damals noch als Heizraum genutzt und war in einem traurigen Zustand. Auch hier wurde Riggenbach gleich zu Beginn seiner Amtszeit aktiv. Ab 1935 wurde sie unter der Leitung von Architekt Ernst Vischer restauriert.

Wandgemälde untersuchte Rudolf Riggenbach auch im Basler Rathaus, wofür er eigens beurlaubt wurde. Zu den frühen Projekten die er begleitete gehörten ferner die Renovation des Spalentors und die Freilegung der Statuen an der Pfalz 1933. Eine von Riggenbachs grössten Niederlagen war 1937 der Abriss des alten Zeughauses, für dessen Erhalt er leidenschaftlich gefochten hatte.

Stadt- und Münstermusem

Andererseits gedieh die Restaurierung des Kleinen Klingentals gut und war bis 1939 abgeschlossen. Am 11.März dieses Jahres konnte darin das Stadt- und Münstermuseum eröffnet werden, welches binnen fünf Monaten 9000 Besucher anlockte, bevor der Krieg die eben geöffneten Museumstüren zuschlug. Doch auch in jenen schweren Jahren war Riggenbach mit der Denkmalpflege unentwegt aktiv.

Im Kriegsjahr 1940 konnte die restaurierte Eberlerkapelle in der Peterskirche eröffnet werden. Im Jahr 1942 wurde mit der vollendeten Sanierung der Klingentalmühle die Restauration des ganzen Klingentalkomplexes abgeschlossen. Das Vorhaben war von Riggenbach besonders hingebungsvoll gefördert und vorangetreiben worden. Im selben Jahr erreichte ihn der Ruf der Eidgenossenschaft.



die eberlerkapelle in der peterskirche

Die Eberlerkapelle in der Kirche von St.Peter in Basel, wo Riggenbach 1927 mittelalterliche Wandmalereien entdeckte. Die Kapelle wurde von 1935 bis 1940 restauriert, zuvor diente sie als Heizraum.

Die Restaurierung der Eberlerkapelle war mit Bundeshilfe möglich geworden, womit Riggenbach ins Blickfeld Berns rückte. So wurde er von 1942 bis 1947 Mitglied der Eidgenössischen Kommission für die Erhaltung historischer Kunstdenkmäler. Er nahm sich in dieser Funktion nicht nur baslerischer Bauten an, sondern wirkte weit über die Kantonsgrenzen hinaus.

An diversen Projekten war er in der Folge beteiligt. Sei es die Restauration der Johanniterkapelle in Rheinfelden 1942, jene der alten Kirche Dornachs 1946/47 oder die Begleitung der ersten Etappe der Sanierung des Stockalperpalastes in Brig 1946. Zum Wallis pflegte Riggenbach eine besondere Beziehung, war er doch seit 1932 Mitglied der Bruderschaft vom Osterlamm in Brig.

Vieles hatte er zum Schutz von Altertümern im von ihm so geliebten Wallis getan. Erwähnt sie hier nur die aus dem 15.Jh stammende Supersaxo-Bibliothek, die er bereits vor seiner Zeit als Basler Denkmalpfleger auf einem Dachboden entdeckte. Schon 1925 hatte er einen Vortrag zu Walliser Kunstwerken des 15./16.Jh verfasst.

Ziegel für Deutschland

Anno 1944 ernannte ihn die Universität von Basel zum Ehrendozenten. Ins selbe Jahr fiel eine verhängnisvolle Bombardierung von Freiburg im Breisgau. Am 27.November zerstörte ein Bombenangriff grosse Teile der Freiburger Altstadt. Die Druckwellen der Detonationen rissen fast alle Ziegel vom Münster der Stadt. Riggenbach setzte sich für Hilfe ein.

Er trieb die Organsation von Ziegeln voran, die schliesslich zum einen dem Freiburger Münster und zum anderen dem St.Stephansmünster in Breisach zuguten kommen sollten. Wegen der Wirren zum Kriegsende konnte die Spende erst Ende 1945 abgesegnet werden. Im Januar 1946 erreichten 80'000 Schweizer Zeigel die geschädigten Gotteshäuser. Besonders schlimm waren die Schäden in Breisach.

Der Turm war stark beschädigt und das ganze Dach war weg. Ein weiterer Winter drohte das Gewölbe zu zerstören. Gemeinsam mit Vertretern der französischen Militärregierung und der lokalen Behörden setzte sich Rudolf Riggenbach erfolgreich für die Rettung des Münsters ein. Sein Einsatz wurde ihm 1956 mit der Verleihung des Grossen Bundesverdienstkreuzes der BRD gedankt.

Eine besondere Episode der Nachkriegszeit bildet der Streit um neue Münsterscheiben. Riggenbach setzte sich sehr für die Entwürfe des Basler Künstlers Karl (später "Charles") Hindenlang ein, der den späteren Denkmalpfleger bereits 1929 erstmals als Fasnachtssujet verewigte. Die evangelische Gemeinde liess sich jedoch nicht überzeugen, und lehnte in einer Abstimmung die Entwürfe ab.

Berühmt war Rudolf Riggenbach für seine Führungen, bei denen er zahllose Interessierte zu altem Basler Gemäuer führte, und es verstand in Wort und Gestik Vergangenes zu vermitteln. Nicht zuletzt bei solchen Anlässen wurde sein "e Ding, e Ding" im breiten Kreis berühmt, was schliesslich dazu führte dass man ihn liebevoll "Dingedinge" nannte.

Ruhestand

Nach über zwanzig Jahren im Amt trat Rudolf Riggenbach im Jahr 1954 den verdienten Ruhestand an. Nicht nur bei Führungen war er in Basel anzutreffen, er hatte auch seine Stammplätze in lokalen Lokalen. Im "Schlüssel" weilte er oft. Dort sass er jeweils an den Fasnachtstagen um etwa vier Uhr Nachmittags mit Haiggi Müller, Max Sulzbachner und Charles Hindenlang beisammen.

Bei dem Sitzungen dieses sogenannten "le petit comité" stachelte Riggenbach auch gerne einmal die anwesenden Künstler dazu auf, seine eigene Person treffend als Fasnachtsmotiv zu verewigen. Nach dem Umbau des Lokals legte er allerdings den Schwur ab, dass er den Schlüssel nie wieder betreten wolle. Sein eigentliches Stammlokal war der Braune Mutz am Barfüsserplatz.

Dort genoss er jeweils seinen Schlummerbecher, bevor er mit dem letzten Tram der Linie sechs, welches gelegentlich sogar extra auf "Dingedinge" wartete, nach Hause fuhr. In seinen späten Jahren begegnet man Riggenbach im Restaurant des Hotels Jura oder auch in der Urbanstube am Blumenrain, der er jedoch nach einem Wechsel des Besitzers ebenfalls den Rücken kehrte.

Schwer krank lag Rudolf Riggenbach im Frühjahr 1961 im Claraspital, umsorgt von seiner jüngeren Schwester Marianne. Geduldig habe er seine Krankheit ertragen, und so weit es ihm sein Leiden gestattete bewahrte er sein Wesen. Gerne hätte er als Weihnachtskind noch seinen 80. Geburtstag gefeiert. Sein Herz, dass so lange für Basel geschlagen hatte, stand jedoch am 19. Mai 1961 still.



die geburtstagskarte von max sulzbachner

Rudolf Riggenbach, sich selber post mortem zum 80. Geburtstag gratulierend. Gezeichnet von seinem Freund Max Sulzbachner ("Sulzbi") zur Riggenbach-Ausstellung im Kleinen Klingental im Dezember 1962.

Dingedinge hat Basel jedoch nicht ganz verlassen. Einige Jahre nach seinem Tod tauchte er wieder auf, mit typischer Gestik referierend, auf dem Leonhardskirchplatz stehend. Dort kann man ihm noch heute begegnen, als Bronzeskultur von Peter Moillet.



Weitere Basler Geister im Pantheon:

>> Mundartpoet Theobald Baerwart

>> Journalist und "Glopfgaischt" Robert B. Christ

>> Lokalhistoriker Paul Koelner

>> Lokalhistoriker Eugen A. Meier

>> Lokalhistoriker Gustaf Adolf Wanner



Beitrag erstellt 23.09.04

Quellen:

Diverse Autoren, Rudolf Riggenbach - Gesehen von Photographen, Freunden und Fachgenossen, herausgegeben von der Freiwilligen Basler Denkmalpflege, 1965, Helbing & Lichtenhahn

Rudolf Sutter, Nachruf auf Rudolf Riggenbach, publiziert im Basler Stadtbuch 1962, Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1961, Seiten 174 bis 178

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