der leu

zurueck

fragen zum alten basel
Der Ernauerhof am St.Alban-Graben



Frau B. / 27. April 2006:

Lieber Briefkastenonkel,

Kannst Du mir bitte sagen, um welche Strasse es sich beim Bild (siehe unten) handelt. Ein Haus ist, so glaube ich, mit Ernauerhof angeschrieben.


aquarell des ernauerhofes im 19. jahrhundert

Der Ernauerhof um 1865 mit Blick zum heutigen Bankenplatz. Über den Dächern erkennt man hinten den eingerüsteten Turm der von Christoph Merian gestifteten Elisabethenkirche, die sich kurz vor der Vollendung steht

Antwort von altbasel.ch:

Es handelt sich tatsächlich um den Ernauerhof. Das Haus, das bis zu seinem Abriss am St.Alban-Graben 4 stand, ging auf Vorgängerliegenschaften zurück, die "zum roten Mühlenrad" und "zum Samson" hiessen. Der spätere Name stammt von einem Hausherrn des 17. Jahrhunders, der aus dem Kärntner Geschlecht der Von Ernau stammte und sich im Exil in Basel niedergelassen hatte.

Ebenfalls aus der Fremde stammte ein Hausherr, der dem Ernauerhof besondere Bedeutung für seine Nachkommen gab. Der Pfarrherrensohn Franz Leissler‏‎-Werthemann (1644-1712) kam als junger Handlungsdiener aus seiner Heimat Frankfurt nach Basel und machte hier als tatenlustiger und risikofreudiger Kaufmann sein Glück. Der Erfolg verlangte nach entsprechendem Domizil.

Stammsitz der Leissler

Leissler erwarb 1684 den Ernauerhof am St.Alban-Graben und machte ihn zum Stammsitz seiner Familie. Nach seinem Tod gelangte die Liegenschaft in die Hand des einzigen Sohnes Achilles Leissler-Ortmann (1680-1737), der ein vermögender Basler Seidenbandherr war. Nach seinem Ableben erbte Achilles Leissler-Hofmann (1723-1784) als wiederum einziger Sohn den Ernauerhof.

Er liess sich um 1745/51 den Landsitz Sandgrube bauen, und pendelte seither zwischen diesem und dem Ernauerhof. Im Alter zog er sich auf die Sandgrube zurück und verkaufte 1781 die Stadtliegenschaft am St.Alban-Graben. 1782 liess Ratsherr Emanuel Bienz-Eheinger (1731-1806) den Ernauerhof neu bauen. Lange blieb er nicht im selben Besitz. 1790 wurde er verkauft.

Firmensitz der Burkckhardt

Zum Preis von 50'000 Pfund wurde der Fabrikant und Kaufmann Leonhard Burckhardt-Mieg, -von Schwenksfeld (1729-1817) neuer Eigentümer des Ernauerhofs. Er machte aus der Liegenschaft den Sitz der Firma Burckhardt & Sohn. Während der Zeit fremder Besatzung und Durchmärsche wurden hier 1799 französische Offiziere und 1814 Österreicher und Russen einquartiert.

Eine weitere Handänderung brachte 1820 den Ernauerhof in den Besitz von Christoph Merian-Hoffmann (1769-1849), genannt "der reiche Merian". Der Kaufmann und Bankier liess den Ernauerhof gründlich und luxuriös sanieren. Im folgenden Jahr zog sein Sohn Christoph Merian-Burckhardt (1800-1858) ins später geerbte Elternhaus, wo er bis zu seinem Tod wohnen sollte.

Merian ist bis heute bekannt für seinen Hang zur Landwirtschaft und für die Wohltaten die er Basel erwies, sowohl zu Lebzeiten als auch in seinem Testament. Nach dem er im August 1858 im Ernauerhof starb, lebte seine Witwe alleinstehend bis zu ihrem Tod 1886 in der Liegenschaft. Nach ihrem Tod trat die Christoph Merian-Stiftung ins Leben, die bis heute existiert.

Abriss für den Bankverein

Danach wechselten sich verschiedene Eigentümer ab, bis der Ernauerhof im Jahr 1924 in den Besitz des Schweizerischen Bankvereins kam. Dieser liess das barocke Herrenhaus 1950 abreissen um Raum für einen Erweiterungsbau zu gewinnen. Zusammen mit historischen Nachbarhäusern musste der Ernauerhof verschwinden, um Platz für die heutigen Bankgebäude zu machen.


Beitrag erstellt 05.05.06 / überarbeitet 21.02.19

Quellen:

Daniel Burckhardt-Werthemann, Bilder und Stimmen aus dem verschwundenen Basel, Verlag Friedrich Reinhard AG, Basel 1946, Seiten 19 (Foto) so wie 73 bis 79

Hans Bühler, Basel im Wandel, Band 1, Birkhäuser Verlag, Basel, 1967, Beitrag 43, St.Alban-Graben,"Ernauerhof"

Paul Leonhard Ganz, Die Sandgrube - von einem Basler Landsitz zum kantonalen Lehrerseminar, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1961, Seiten 14 bis 20

Eugen Anton Meier, Basel in der guten alten Zeit, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1972, ISBN 3-7643-0641-6, Seite 68

Eugen Anton Meier, Verträumtes Basel, Birkhäuser Verlag, Basel, 1974, ISBN 3-7643-0730-7, Seite 36 (Hausnamen)

Eugen Anton Meier, Basel Einst und Jetzt, 3. Auflage, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1995, ISBN 3-85815-266-3, Seite 79

Jacqueline Portmann, "Das Geschlecht im 18. Jahrhundert", publiziert in ckdt. (BASEL) - Streiflichter auf Geschichte und Persönlichkeiten des Basler Geschlechts Burckhardt, herausgegeben von der Burckhardtschen Familienstiftung, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1990, ISBN 3-85815-204-8, Seiten 88 bis 90

Rudolf Suter, Die Christoph Merian Stiftung 1886-1986, Christoph Merian Verlag, Basel, 1985, ISBN 8-856-16-025-6, Seiten 13 bs 15

engel

zurück zu fragen & antworten | zum schlagwortkatalog