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Die Malzgasse und die Basler Siechenhäuser



Herr L. / 19.Juli 2010:

In -minu's Sommersprosse Nummer 4 wurde nach der Malzgasse in der St.Albanvorstadt gefragt. Ich wollte wissen wie der merkwürdige Name der Gasse entstanden ist?

Antwort von altbasel.ch:

Der Lokalhistoriker Daniel Albert Fechter (1805-1876) führte 1856 den Namen der Gasse auf das vor 1260 entstandene Siechenhaus des Klosters St.Alban zurück.
[1] Unter den Siechen verstand man jene Unglücklichen die vom Aussatz, der Malenzei (Lepra), befallen waren. Das Siechenhaus (Fachbegriff "Leprosorium") war ein Gebäudekomplex in dem die erkrankten Insassen abseits der übrigen Bevölkerung lebten. Basel hatte mehrere derartige Einrichtungen im Mittelalter.

Ein anderes Leprosorium unterhielt das Chorherrenstift St.Leonhard nebst seinem Spital am Fuss der Leonhardsbergs. Dieses erscheint als "domus infirmorum leprosorum" im Urbar des Klosters und scheint bis spätestens 1265 existiert zu haben.
[2] Sowohl das Siechenhaus von St.Alban als auch jenes von St.Leonhard waren anfangs am Rande der städtischen Siedlung gelegen. Furcht vor Ansteckung bannte sie in Randgebiete. Noch heute kündete der Name Malzgasse davon.

In Köln zeugt der Melatenfriedfhof ebenfalls mit seinem Namen vom einstigen Siechenhaus vor der Stadt. Die Bezeichnung geht auf das französische "malade" (krank) und das lateinische "male habitus" (schlechter Zustand) zurück. Seit dem 12. Jahrhundert siedelten dort nachweislich die Aussätzigen an der Strasse nach Aachen. Ab dem 13. Jahrhundert erfolgte ein steter Ausbau der Institution, die 1767 geschlossen wurde. 1809/10 entstand dort der heutige Melatenfriedhof.
[3]

die malzgasse in basel

Blick in die Malzgasse von der St.Alban-Vorstadt her im Jahr 2004.

Die Malzgasse gehört zur St.Alban-Vorstadt; einer Siedlung vor dem Kunostor, welches am heutigen St.Alban-Graben im 13. Jahrhundert den Rand des Bezirks innerhalb der Stadtmauer markierte. Die Vorstadt selbst schützte sich damals mit einer eigenen Befestigung. Diese Wehrmauer mit Türmen schützte den Bereich zwischen dem Kunostor und dem Vrydentor, einem schlichten Flügeltor. Der Name des 1284 erwähnten Tores leitet sich vermutlich von Anwohnern namens "Briden" oder "Friden" ab.
[4]

Dieses Tor auf der Höhe der Liegenschaft St.Alban-Vorstadt 58 begrenzte den geschützten Bereich der Vorstadt. Direkt ausserhalb dieser Mauer lag jener Feldweg der heute als Malzgasse bekannt ist. Es ist bezeichnend, dass an diesem Weg, ausserhalb der ummauerten Siedlung, das Siechenhaus des Klosters St.Alban lag. Im Laufe des 13. Jahrhunderts zeichnete sich ab, dass die Siechenhäuser von St.Alban und St.Leonhard zunehmend umsiedelt wurden.

Am St.Leonhardberg entstanden immer mehr Häuser der wachsenden Talstadt. In der St.Alban-Vorstadt war es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis der Feldweg an dem das Leprosorium des Klosters lag von der Besiedlung eingeholt wird. Die Gründung des städtischen Spitals an der Freien Strasse um 1265 brachte die Einrichtung eines neuen Siechenhauses. Dieses Leprosorium entstand weit vor der Stadt zu St.Jakob. Es ersetzte die Siechenhäuser der Klöster.

Wer als Aussätziger ins städtische Siechenhaus kam war aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Er musste sich den strengen Regeln des Hauses unterwerfen. Die Gesellschaft fürchtete Ansteckung, so waren den Ausgestossenen öffentliche Gottesdienste verwehrt. Daher verfügte die Institution über einen eigenen Geistlichen, der die isolierten Siechen besuchte und an bestimmten Tagen dort die Messe zelebrierte.
[5] Auch für vornehme Aussätzige galt die Isolation, wenn auch in milderer Form.

Junker Hans Sürlin (tot 1493) gehörte einer wohlhabenden Familie an und war bis 1485 Eigentümer des Schönen Hauses am Nadelberg. Nachdem er an Lepra erkrankt war, zog er ins Siechenhaus. Dort mietete er ein spezielles "Sonderhus" von den Pflegern, womit er den Status eines "Sundersiech" erlangte.
[6] Sein Vermögen verschaffte ihn also eine gewisse Privatsphäre. Er hatte sich zu Lebzeiten einen Grabstein machen lassen, der heute noch in der St.Jakobskirche an ihn erinnert.

Wo konkret das Siechenhaus an der Malzgasse gelegen hat ist unklar. André Salvisberg gab 1999 als Standort das Haus Malzgasse 9 an.
[7] Gustav Adolf Wanner (1911-1984) stiess bei den Forschungen zur Geschichte dieser Liegenschaft aber auf keine Hinweise dazu. [8] Auch Hans Bühler (1906-1983) konnte in seiner Abhandlung zur Malzgasse dieses Leprosorium nicht lokalisieren. [9] Eindeutig ist hingegen der Ursprung des Gassennamens, der bis heute an das Leprosorium des Klosters St.Alban erinnert.

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Beitrag erstellt 21.07.10

Anmerkungen:

[1] D.A. Fechter, Abschnitt "Kloster St.Alban", in "Topographie mit Berücksichtigung der Cultur- und Sittengeschichte", publiziert in Basel im vierzehnten Jahrhundert, Basel, 1856, Seite 103

[2] K. Baas, Abschnitt "Infirmarien der Klöster, der städtischen Spitäler, der Aussätzigenhäuser", publiziert in Gesundheitspflege im mittelalterlichen Basel, Zürcher Medizinalgeschichtliche Abhandlungen, Band 6, Zürich, Leipzig und Berlin, 1926, Seite 90

[3] F. Irsigler/A. Lassotta, Kapitel 3 "Aussätzige", publiziert in Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker - Aussenseiter in einer mittelalterlichen Stadt, München, 1993, Seiten 69 bis 71

[4] G.A. Wanner, Abschnitt "Das Haus Beym Bridenthor", publiziert in Häuser Menschen Schicksale, Band 3, Basel, 1988, Seite 24

[5] R. Wackernagel, Kapitel 7 "Lebensformen und Gesinnung", 8. Buch publiziert in Geschichte der Stadt Basel, Band 2/II, Basel, 1916, Seiten 934 bis 935

[6] R. Riggenbach, Beitrag "Der Grabstein Hans Sürlins und der Chor des Kirche von St.Jakob", in Abschnitt "Jahresberichte über die Jahre 1943 und 1944", publiziert in Freiwillige Denkmalpflege 1943/44, Basel, 1945, Seiten 20 bis 23

[7] A. Salvisberg, Beitrag "Malzgasse", publiziert in Die Basler Strassennamen, Basel, 1999, Seite 275

[8] Gustav Adolf Wanner, Abschnitt "Alt-Beginenhaus", publiziert in Häuser Menschen Schicksale, Band 3, Basel, 1988, Seite 104

[9] H. Bühler, Beitrag "Die Malzgasse", publiziert im Basler Jahrbuch 1964, Basel, 1963, Seite 132


Quellen:

Karl Baas, Gesundheitspflege im mittelalterlichen Basel, Zürcher Medizinalgeschichtliche Abhandlungen, Band 6, herausgegeben von G.A. Wehrli, Orell Füssli, Zürich, Leipzig und Berlin, 1926, Seite 90

Hans Bühler, Beitrag "Die Malzgasse", publiziert im Basler Jahrbuch 1964, herausgegeben von Gustav Steiner, Valentin Lötscher und Adolf Portmann, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1963, Seite 132

Daniel Albert Fechter, "Topographie mit Berücksichtigung der Cultur- und Sittengeschichte", publiziert in Basel im vierzehnten Jahrhundert, herausgegeben von der Basler Historischen Gesellschaft, H.Georg's Verlag, Basel, 1856, Seite 103

Franz Irsigler/Arnold Lassotta, Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker - Aussenseiter in einer mittelalterlichen Stadt, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 5. Auflage, 1993, ISBN 3-423-30075-2, Seiten 69 bis 71

André Salvisberg, Die Basler Strassennamen, Christoph Merian Verlag, Basel, 1999, ISBN 3-85616-104-X, Seite 275

Rudolf Riggenbach, Beitrag "Der Grabstein Hans Sürlins und der Chor des Kirche von St.Jakob", publiziert in Freiwillige Denkmalpflege 1943/44, Druckerei Cratander AG, Basel, 1945, Seiten 20 bis 23

Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, Band 2/II, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1916, Seiten 934 bis 935

Gustav Adolf Wanner, Häuser Menschen Schicksale, Band 3, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1988, ISBN 3-85815-173-4, Seiten 24 und 104

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