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Das Käppelijoch
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Mittlere Rheinbrücke lageplan

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Die Kapelle auf der Brücke des Bischofs

Es ist unsicher, ab wann die durch Bischof Heinrich von Thun (gestorben 1238) geschlagene Basler Rheinbrücke eine Kapelle besass. Die erste urkundliche Erwähnung geht zurück auf das Jahr 1392. Cuntz Huckerer erhielt damals aus der Kasse der Stadt 14 Pfund "an die capellen uf der bruggen". Cuntz, beziehungsweise Conrad Huckerer war damals der amtierende Rheinzoller.

Huckerer wurde später Salzmeister und Ratsherr der Zunft zu Spinnwettern. Im Jahr 1392, als unter anderem Gross- und Kleinbasel vereinigt wurden, war er offenkundig als Rheinzoller auch für die Brücke zuständig. Die kurze Erwähnung in den Finanzunterlagen enthüllt indes nicht, ob mit den 14 Pfund eine erste Kapelle gebaut, oder ob eine bereits bestehende saniert wurde.

Da die Brücke nach ihrem Bau mit dem Rhein auch eine wichtige Grenze überspannte, ist möglich dass es schon früh eine Kapelle gab, welche Gottes Segen für das kühne Bauwerk sichern sollte. Vermutlich war das Bauwerk bis ins 15. Jahrhundert aus Holz. Die Brücke ruhte damals auf der tieferen Grossbasler Hälfte auf in den Rheingrund gerammten Holzpfeilern.

Auf der seichteren Kleinbasler Seite des Rheines hatte man schon im Mittelalter Pfeiler (genannt "Joche") aus Stein erstellt. Auf dem fünften und damit äussersten Steinpfeiler war das Käppelijoch errichtet worden. Mit dem Bärenfelserjoch wurde 1457 ein zusätzlicher Steinpfeiler in den Rhein gebaut, womit die Kapelle nicht länger auf dem äussersten Steinfpfeiler stand.

das kaeppelijoch auf der bruecke um 1615

Die Rheinbrücke mit Käppelijoch um 1640. Für grössere Ansicht mit Erklärungen Bild anklicken. | Stich von Matthäus Merian

Die Brückenkapelle des Spätmittelalters

Im Jahr 1478 wurde, gemäss den Basler Finanzunterlagen, die Kapelle auf ihrem Pfeiler neu erbaut. Ist ein anzunehmen, dass sie dabei in Stein errichtet wurde. Die kompakte und geschlossene Kapelle stand an ihrem Ort bis zum Bau eines neuen Bärenfelserjochs im Jahr 1840. Sie wirkte als zusätzliches stabilierendes Gewicht für den Brückenpfeiler auf dem sie ruhte.

Die Vorgängerkapelle war vermutlich ein Bau mit einem Satteldach, der zur Strassenseite hin mit einem breiten Bogen geöffnet war. In ihrem Inneren standen, einer historischen Abbildung gemäss, eine Kreuzigungsdarstellung, mit Johannes und Maria an den Seiten. Für die offene Bauweise der Kapelle spricht ein Vorfall vom 23. Januar 1433, während des Konzils zu Basel.

Die zum Konzil nach Basel kommenden Hussiten waren sehr kirchenkritisch und lehnten viele kirchliche Traditionen ab. So erregte auch die Kapelle auf der Rheinbrücke mit dem Gekreuzigten ihren Unwillen so sehr, dass sie im Vorbeiziehen die Darstellung mit Schneebällen und Fausthieben entweihten. In eine geschlossene Kapelle hätte man kaum Schneebälle werfen können.

Die 1478 errichtete Kapelle wurde im Jahr 1512 mit einer farbigen Ausstattung versehen. Zusätzlich schoss der Rat von Basel noch eine Summe zu Gunsten des für den Unterhalt bestimmten Opferstocks der Brückenkapelle bei. Diese Zulage war mit der Bedingung verbunden, dass die bescheidenen Einkünfte der Kapelle künftig in die Staatskasse fliessen sollten.

Wie bereits erwähnt, wurde 1840 das alte Bärenfelserjoch neu gebaut. Der Pfeiler war durch die Fluten des Rheines so geschwächt, dass die Gefahr eines Einsturzes bestand. Nach dem der massivere neue Pfeiler errichtet war, versetzte man die Brückenkapelle. Vom Nachbarpfieler, auf dem sie seit 1478 stand, verschob man sie auf den neuen und starken Pfeiler.

Die Brückenkapelle bestand so mehr oder weniger unverändert bis ins frühe 20. Jahrhundert. Historische Ansichten zeigen einen balkonartigen Gang um die Kapelle herum. Das ermöglichte wohl auch die Pflege des alten Volksglaubens, dass jemand mit Zahnschmerzen diese loswürde, wenn er dreimal um das Käppelijoch gehe. Mit dem Neubau 1903/05 fiel der umlaufende Balkon weg.

zeichnung des kaeppelijoch um 1890

Das Käppelijoch auf dem äussersten Steinpfeiler alten Rheinbrücke um 1890 mit seinem umlaufenden Balkon. | Illustration von Albert Wagen

Ehren- und Sühnestrafen beim Käppelijoch

Das mittelalterliche Käppelijoch war auch ein Ort des Strafvollzugs. Zum einen wurde dort die Ehrenstrafe des Schwemmens vollzogen, zumeist an Prostituierten, Frauen die der Zauberei beschuldigt wurden oder an Wiedertäufern. Die Verurteilten wurden an einem Seil von der Brücke hinabgelassen, und dreimal unter ihr durch geschwemmt, was lebensgefährlich sein konnte.

Ein Fall von 1425 berichtet von einem Weberknecht, der versucht habe sich das Leben durch Erhängen zu nehmen, aber noch rechtzeitig gerettet werden konnte. Für die Sünde der versuchten Selbsttötung wurde er an das Halseisen gestellt, danach geschwemmt und dann auf ewig der Stadt verwiesen. Hierzu ist auch aufschlussreich, wie bei vollendetem Suizid verfahren wurde.

Die Leichen von Leuten die sich das Leben genommen hatten wurden ebenfalls dem Rhein übergeben. Dies belegt der Fall einer Frau, die 1439 von einem Hausdach sprang, und zunächst ordentlich in geweihter Erde bestattet wurde. Der Rat beschloss dann aber, sie wieder ausgraben zu lassen, um die Leiche in den Rhein zu werfen. Oft tat man die Toten dazu in ein Fass.

Das Ertränken beim Käppelijoch

Neben diesen Schand- und Sühnestrafen wurde beim beim Käppelijoch auch die Strafe des Ertränkens vollstreckt. Während Männer oft am Galgen endete, war der Wassertod überweigend den Frauen vorbehalten. Dies hatte mutmasslich seinen Grund in der Wahrung weiblicher Ehre und einem verbreiteten Schamgeühl, denn einer Frau am Galgen konnte unter den Rock geschaut werden.

In Basel wurden die Verurteilten gefesselt von der Brücke gestossen. Anders als zuweilen vermutet, waren von dieser Strafe seltener Frauen betroffen die man der Hexerei bezichtigte. In solchen Fällen drohte meist der Feuertod auf dem Scheiterhaufen. Allerdings gab es Fälle, wie jener der Adelheid Joli, die 1550 vom Verbrennen zum Ertränken "begnadigt" wurde.

Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit traf die Todesstrafe des Ertränkens meist Kindsmörderinnen (Frauen die ihre unerwünschten Neugeborenen töteten). Dieses Ertränken musste allerdings nicht zwingend mit dem Tod enden, denn im Prinzip war es eher eine Art Gottesurteil. Den gefesselten Verurteilten wurden vor dem Sturz in den Rhein luftgefüllte Rindsblasen angebunden.

Nachdem die Unglücklichen von der Brücke gestossen wurden, trieben sie hinab Richtung St.Johann. Dabei folgten ihnen zwei mit Fischern besetzte Weidlinge, bis die Verurteilten auf die Höhe des Thomasturms beim St.Johanns-Tor getrieben waren. Dort wurden sie in den Fischerkahn gezogen und ans Ufer gebracht, wo die Totengräber bereits auf sie warteten.

Die Aufgabe der Totengräber war es, den leblosen Verurteilten die Fesseln aufschneiden und alles zu tun um sie wiederzubeleben. Gelang dies, sei ihr Tod von Gott nicht gewollt gewesen. Zahlreiche Verurteilte verdankten den Totengräbern so ihr Leben, wie beispielsweise im Jahr 1634 Madlen Egerin aus Riehen. Bei ihr gelangte die Wasserstrafe letztmals Anwendung.

das heutige kaeppelijoch auf der bruecke

Die beim Brückenbau von 1903/05 neu erstellte Kapelle wie sie noch heute auf der Mittleren Brücke steht.

Das heutige Käppelijoch

Mit dem Neubau der Mittleren Rheinbrücke 1903/05 verschwand das alte Käppelijoch. Ihm folgte eine Kopie die aus nachgefertigten Teilen der alten Kapelle und aus Neuschöpfungen kombiniert wurde. Die alten Originalteile wurden vom Historischen Museum zur Aufbewahrung übernommen. Man ersetzte sie durch Repliken. Bemerkenswert ist das Relief über dem Portal.

Im Zentrum des Reliefs steht heute eine Skulptur von Bischof Heinrich von Thun, der die erste Basler Rheinbrücke erbauen liess. Das Standbild wurde im Jahr 1920 von Alfred Peter (1877-1959) geschaffen und ersetzte eine ältere Darstellung von Ferdinand Preckle (1823-1863) von 1857. Ursprünglich könnte dort ein auferstandener Christus seinen Platz gehabt haben.

Das Zentrum des Reliefs ist von zwei Engeln flankiert, von denen der eine ein leeres Kreuz und der andere eine heilige Lanze hält. Beide weisen zur Mitte hin, wo ein entfaltetes Tuch einmal die zentrale Figur umgab. Der Schluss liegt nahe, dass hier einst die Skulptur des dem Grabe entstiegenen Christus stand, der wohl mit dem Bildersturm der Reformation entfernt wurde.

Das Käppelijoch spielt beim beim Kleinbasler Brauch des Vogel Gryff eine prominente Rolle. Die Glocke seines Türmchens erklingt dann wenn bei der Talfahrt des Wilden Mannes dessen Floss die Wettsteinbrücke passiert. Vor viel Publikum findet dann wenig später zur Mittagsstunde der Tanz der drei Ehrenzeichen auf der Mittleren Brücke vor der Brückenkapelle statt.

Beliebtheit erlangte die kleine Brückenkapelle im 21. Jahrhundert unter den Liebenden. Nachdem 2007 ein erstes Liebesschloss einsam am Gitterportal hing, vermehrten sich diese Liebesbeweise ab 2013 so rasant, dass sie zu einer Belastung wurden. Im Juli 2018 liess die Stadt schliesslich rund 2000 Liebsschlösser im Gewicht von ca einer halben Tonne vom Gittertor entfernen.

das relief ueber dem portal des kaeppelijoch

Das Relief über dem Portal des Käppelijoch mit der Skulptur von Bischof Heinrich von Thun als Brückenbauer in der Nische im Zentrum.

Zusammenfassung

Erstmals belegt ist die Kapelle auf der Basler Rheinbrücke für 1392, wobei sie schon zuvor existiert haben könnte. Im Mittelalter ruhte etwa die halbe Brücke auf der seichteren Kleinbasler Seite des Rheins auf Steinpfeilern. Auf der tieferen Seite verwendete man in den Grund gerammte Holzpfeiler. Bis 1457 stand das so genannte "Käppelijoch" auf dem äussersten Steinpfeiler.

Die frühe Kapelle war vermutlich ein zur Strassenseite offenes Holzhäuschen das im Inneren eine Kreuzigungsszenerie zeigte. Während des Konzils von Basel wird das Käppelijoch 1433 erwähnt, anlässlich seiner Schändung durch vorbeiziehende Hussiten. 1478 wurde das Bauwerk neu errichtet, vermutlich erstmals ganz in Stein und ungefähr dem heutigen Aussehen entsprechend.

Nachdem 1840 ein neues massiveres Bärenfelserjoch gebaut wurde, versetzte man das Käppelijoch auf diesen Pfeiler. Bei der Kapelle wurden die Leichen von Leuten die sich das Leben genommen hatten in den Rhein geworfen. Auch stiess man dort Frauen gefesselt in den Rhein, die ihre Neugeborenen getötet hatten und Prostituierte wurden an Seilen unter der Brücke durch das Wasser gezogen.

Als 1903/05 Die Rheinbrücke neu gebaut wurde, erstellte man auf dem Neubau eine Kopie des Käppelijoch. Sie spielt bis heute eine wichtige Rolle beim Kleinbasler Brauch des Vogel Gryff. Seit 2007 wurde das eiserne Gitter der Kapelle mit Liebeschlössern behängt, die so zahlreich wurden, dass sie ein Gewicht von einer halben Tonne erreichten und man sie 2018 entfernen musste.




Beitrag erstellt 21.09.19

Quellen:

Emil Blum / Theophil Nüesch, Basel Einst und Jetzt, Eine kulturhistorische Heimatkunde (Textband), Verlag Hermann Krüsi, Basel, 1913, Seite 170 bis 175

Casimir Hermann Baer, "Das Rheinbrücke zu Basel", publiziert in Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Band 1, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Birkhäuser Verlag, Basel, 1932, Seite 316 bis 332

Daniel Albert Fechter, "Topographie mit Berücksichtigung der Cultur- und Sittengeschichte", publiziert in Basel im vierzehnten Jahrhundert, herausgegeben von der Basler Historischen Gesellschaft, H. Georg's Verlag, Basel, 1856, Seite 132

Hans Rudolf Hagemann, Basler Rechtsleben im Mittelalter, Helbing & Lichtenhahn, Basel/Frankfurt am Main, 1981, ISBN 3-7190-0797-9, Seite 286 (Selbstmörder) und 308 (Ertränken, Frauenstrafe)

Bernhard Harms, Der Stadthaushalt Basels im ausgehenden Mittelalter, Erste Abteilung, Band 2, H.Laupp'sche Buchhandlung, Tübingen, 1910, Seiten 53, Spalte 1, Zeile 44 und 45 (Huckerer, 14 Pfund)

Paul Koelner, Basler Friedhöfe, Verlag der National-Zeitung, Basel, 1927, Seite 29 und 30 (Wasserstrafen)

Walther P. Mosimann / Ernst Graf, Die Basler Rheinbrücken, Verlag Schiffahrt und Weltverkehr AG, Basel, 1962, Seite 15 bis 18 und 20 bis 21

engel

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