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Die Wehrkirche St.Arbogast in Muttenz
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Kirchplatz 1

Tram 14: Muttenz Dorf / Bus 60: Mittenza


Das frühe Gotteshaus

Das hohe Alter der Kirche St.Arbogast in Muttenz ist sicher. Ob das Gotteshaus aber ein auf römischen Mauern errichteter Nachfolgebau ist, konnte bisher nicht bewiesen werden. Zwar deuten Funde auf dem Kirchhof und um ihn herum auf eine römische Siedlung in Muttenz hin. Ausgrabungen 1972/73 in der Kirche brachten zum Beispiel Keramik und Münzen aus der späten Antike an den Tag.
[1] Aber Gebäudereste aus jener Epoche wurden an dieser Stelle noch keine entdeckt.

Ein im Mauerwerk verarbeiteter römischer Stein mit Inschrift bildet keinen Ansatzpunkt für die Theorie eines römischen Vorgängerbaus. Solche Steine wurden in späteren Zeiten oft von aufgegebenen römischen Anlagen (zum Beispiel in Augst) entfernt um sie wo anders beim Bau wiederzuverwenden. Man spricht dabei von Spoilen. Wenn auch keine römische Mauern gefunden wurden, so stiessen die Archäologen immerhin auf den ältesten belegbaren Kirchenbau am Ort.

gesamtansicht der kirche

Die Wehrkirche St.Arbogast von Norden gesehen. Gut erkennbar sind die Wehrmauer des 15. Jahrhunderts und der im 17. Jahrhundert aufgestockte Kirchturm. Hinter den Bäumen verbirgt sich das Nordtor der Ringmauer.

Das frühe Gotteshaus in Muttenz war eine längliche Saalkirche. Ihr Schiff war durch einen Triumphbogen vom etwas schmaleren quadratischen Chor getrennt. Der Chor mit dem Altar muss in dieser Kirche erhöht gelegen haben. Man blickte vom Schiff zu ihm auf. Einen Anhaltspunkt für die Datierung der ersten fassbaren Kirche in Muttenz gaben gefundene Gräber. In der Kirche und ausserhalb stiess man auf Steinplattengräber aus dem frühen Mittelalter.

Frühmittelalterliche Gräber

In den Gräbern fanden sich mehrheitlich die sterblichen Überreste von Kindern. Dies zeugt von der hohen Kindersterblichkeit jener Tage. Zugleich ist interessant, dass gerade Kinder im Kircheninnern bestattet wurden. Heraus sticht ein Grab in dem um das Jahr 700 oder wenig später ein Knabe bestattet wurde. Man beerdigte ihn offenbar mit einem Messer am Gürtel. Es ist das einzige in der frühen Kirche gefundene Grab mit einer derartigen Beigabe.
[2]

Die Plattengräber aus dem 8. Jahrhundert belegen, dass in Muttenz zur Zeit der Karolinger bereits eine schlichte Kirche aus Stein stand. Es ist unsicher welchem Patron das damalige Gotteshaus geweiht war. Fachleute gehen davon aus, dass der heilige Bischof Arbogast erst nach dem Jahr 1000 als Patron übernommen wurde.
[3] Eventuell anlässlich der Erlangung einer Reliquie des Heiligen, oder bei der Eingliederung des Dorfes ins Bistum Strassburg.

Bischof Arbogast von Strassburg entstammte der Überlieferung gemäss dem fränkischen Adel. Er sei um 550 ins Elsass gekommen. Dort habe er die erste Kathedrale von Strassburg und das Kloster Surburg erbauen lassen.
[4] Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts kündeten zwei Fresken in der Muttenzer Kirche von der Arbogast-Legende mit der Erweckung des Königssohnes Siegbert. Die Tresskammer mit der Heiligenreliquie lag hinter den beiden Fresken. [5]

Noch während jener Zeit in der Plattengräber üblich waren, wurde die Kirche ausgebaut. Der Anbau ist ein Kuriosum. Angefügt am Westende des Schiffes, brachte er mit seinen dickeren Mauern zusätzlichen Raum von gerade einmal 120 Zentimetern Tiefe. Den einzigen Aufschluss für den Sinn dieses Bauwerks liefert das 30 Zentimeter breite Plattengrab eines Kindes darin.
[6] Eventuell handelte es sich bei diesem Anbau um eine Art Bestattungskammer. [7]

Die Kirche der Jahrtausendwende

Rund zwei Jahrhunderte später kam an die Stelle der ersten nachweisbaren Steinkirche ein zweites Gotteshaus. Mit ungewöhnlich starken Mauern entstand vermutlich im 10. Jahrundert ein Neubau. [8] Eventuell hängt der Bau dieser neuen Kirche mit veränderten Herrschaftsverhältnissen am Hochrhein zusammen. Muttenz könnte ein wichtiger Teil des hochburgundischen Reiches gewesen sein. Ein Indiz dafür ist eventuell ein Gipfeltreffen im 11. Jahrhundert.

In der rekonstruierten Chronik Gesta Chuonradi II. imperatoris habe der Hofkaplan Wipo (vor 1000 - nach 1046) die Taten seines Kaisers Konrad II. (ca 990-1039) festgehalten. Darin wird auch ein Treffen zwischen dem erbenlosen König Rudolf III. (ca 970-1032) von Hochburgund und Kaiser Konrad II. geschildert. Sie hätten sich 1027 auf einem Feld vor Muttenz getroffen um den Übergang des Königreichs Hochburgund an das Kaiserreich zu besprechen.
[9] [*]

Wenn ein derart wichtiges Treffen bei Muttenz stattfand, spräche einiges für die gehobene Bedeutung des Dorfes. Und eben hier wurde in der Zeit der hochburgundischen Herrschaft die neue Kirche erbaut. Ein drittes Gotteshaus ersetzte wohl im späten 12. Jahrhundert diesen zweiten Bau. Die dritte Kirche in Muttenz hatte Mauern aus Sandsteinquadern und wies starke Gemeinsamkeiten mit dem romanischen Basler Münster seiner Tage auf.
[10]

langhaus und chor von st.arbogast

Blick vom Langhaus in Chor und Altarhaus ganz hinten. Das Langhaus wurde beim Erbdbeben 1356 stark beschädigt und musste weitgehend neu aufgebaut werden. Im Chor haben noch viele romanische Teile aus dem 12. Jahrhundert überlebt.

Die erste Erwähnung der Kirche von Muttenz fällt ins 14. Jahrhundert. Eine Urkunde vom 5. Februar 1303 behandelt die Schenkung von Ackerland an die Feldsiechen durch den Marschalk von Wartenberg. Dabei wird "...das gotshus ze Mutenze ze sant Arbegast..." genannt.
[11] Damals war die romanische Kirche bereits rund zweihundert Jahre alt. Sie hatte einen Kirchturm, aber noch nicht jenes wehrhafte Aussehen das ihr später ihren speziellen Charakter gab.

Unter der Herrschaft der Münch

Das schwere Erbeben vom 18. Oktober 1356 beschädigte die Kirche St.Arbogast stark. Vermutlich stürzte das Schiff weitgehend ein. In Chor, Turm und Altarhaus überlebten romanische Mauerreste des 12. Jahrhunderts. Offenbar wurden diese Partien von Schäden verschont. In der Zeit nach dem Erdbeben gelangte Muttenz in die Hände der Münch von Münchenstein. Sie erlangten die Herrschaft teilweise 1359 um sie 1374 vollständig in ihre Hand zu bekommen.

Vom diesem Lehenswechsel zeugt im Chorgewölbe von St.Arbogast ein Schlusstein. Er zeigt das Wappen von Konrad VIII. Münch (1324-1378) und seiner Gattin Katharina von Löwenburg. Konrad hatte begehrliche Blicke auf Muttenz und den Wartenberg mit seinen Burgen geworfen. Diese waren in der Hand des Hauses Habsburg-Laufenburg, aus der er 1359 einen Teil des Lehens erhielt. Erst 1374 gelang es Konrad den Rest des Muttenzer Lehens zu erwerben.
[12]

In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde St.Arbogast zur Wehrkirche ausgebaut. Die Kirchhofmauer stockte man auf eine Höhe von bis zu sieben Metern auf. Sie erhielt einen Zinnenkranz und wurde von der Friedhofsumfassung zu einer eigentlichen Wehrmauer. Auch baute man zwei Tortürme, welche die beiden Zugänge zum ummauerten Kirchhof schützten. In den selben Zeitabschnitt fiel der Bau eines neuen Kirchturms mit drei Geschossen.

Der Kirchturm ist zwischen 1420 und 1435 erbaut worden.
[13] Ein Allianzwappen an ihm ist ein Indiz für die Bauherrschaft, denn es zeigt das Wappen der Münch und der Von Eptingen. Dahinter verbergen sich Hans Thüring I. Münch (1394-1448), und Fröwelina von Eptingen. Hans Thüring war der einzige überlebende Sohn des um 1399 verstorbenen Johans IV. Münch. Wie seine beiden Brüder Wölfelin und Hartmann ergriff er ursprünglich eine geistliche Laufbahn.

Ausbau zur Wehrkirche im 15. Jahrhundert

Hans Thüring war Domherr zu Basel. Auch bekleidete er das Amt eines Erzpriesters und 1410 erscheint er als Propst von St.Ursanne/JU. Doch das Leben eines keuschen Klerikers war seine Sache nicht. Davon zeugt der pikante Umstand dass er mit Fröwelina von Eptingen eine Mätresse in Delsberg/JU hatte. Nachdem seine Brüder verstorben waren, drohte dem Familienzweig das Aussterben. Hans Thüring legte seine geistlichen Ämter nieder und heiratete Fröwelina.
[14]

Die Ehe wurde um 1420 geschlossen. Hans Thüring verdankte seiner Gattin viel. 1396 war das Lehen Wartenberg-Muttenz an den Basler Kaufmann und Bürgermeister Jakob Zibol veräussert worden. Am 9. Mai 1419 kaufte "Jungfrow Fröwlins von Eptingen genant von Wildenstein" für Hans Thüring das Lehen für 2200 Gulden von Zibols Erben.
[15] Muttenz mit Gut und Leuten und der Wartenberg mit der vorderen und der mittleren Burg waren den Münch gesichert.

wappelmalereien muench und loewenburg am triumphbogen

Malereien im Triumphbogen des Chors, mit Wappen die wohl mit Konrad VIII. Münch und seiner Gattin Katahrina von Löwenburg in Zusammenhang stehen. Unter Konrad erlangen die Münch im 14. Jahrhundert die Herrschaft Muttenz.

Die erwähnten Burgen auf dem Wartenberg waren allerdings zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend bedeutungslos geworden. Mochten sie früher der Dorfbevölkerung als Refugium in kriegerischen Zeiten gedient haben, so hatte nun die Wehrkirche diese Aufgabe übernommen. Als 1465 die Solothurner das Dorf überfielen, bot den Leuten von Muttenz ihre Kirche Zuflucht.
[16] Hans Thüring Münch stiftete "seiner" Kirche auch einen Altar zu Ehren Marias.

Eine Urkunde vom 28. Januar 1444 belegt die Stiftung eines Marienaltars zu St. Arbogast in Muttenz. Zugleich holte Hans Thüring Münch die Stiftung einer Frühmesse nach. Sein verstorbener Vater plante dies zu Lebzeiten für sein Seelenheil und jenes seiner Altvorderen. Doch er versäumte dies und überliess die Aufgabe mit seinem letzten Willen seinem Sohn.
[17] Im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts erlebten die Münch einen Niedergang.

Die Zeit vor der Reformation

Nach den Münch erlangte Peter zum Luft (gestorben 1474) die Kirchenherrschaft über St.Arbogast, von dem aus sie nach dessen Tod an Arnold zum Luft (ca 1453-1517) weiterging.
[18] Peter zum Luft war Chorherr des Basler Stifts St.Peter. Er wirkte 1459 an der Gründung der Universität Basels mit und war 1461 und 1467 ihr Rektor. Zum Luft war nicht nur in Muttenz sondern auch in Hauingen bei Lörrach Kirchenherr und Chorherr in St.Ursanne/JU. [19]

Nach dem Tod von Peter zum Luft ging die Kirchenherrschaft über St.Arbogast am 5. Dezember 1474 an Arnold zum Luft weiter. Er musste im selben Jahr gegen das Domkapitel vor Gericht ziehen um, weil man ihm dort als Bürgerlichen die Aufnahme verweigerte, bis er sich im November 1475 durchsetzen konnte. Unter anderem bekleidete er das Amt des Universitätsrektors 1500 und 1508/09. Von 1501 bis 1507 war zum Luft ferner Generalvikar von Konstanz.
[20]

Auf die Zeit von Peter und Arnold zum Luft geht das mit prachtvollen Fresken ausgestattete Beinhaus auf dem Kirchhof zurück. Es wird angenommen, dass es sowohl als Kapelle der Marienbruderschaft wie auch zur Aufnahme der Gebeine vom Friedhof genutzt wurde. Die Fresken mit Darstellungen des Jüngsten Gerichts und der Legende von den dankbaren Toten stammen von 1513. Zur selben Zeit entstand die Holzdecke mit Flachschnitzereien im Beinhaus.

Neben den Arbeiten am Beinhaus wurden in der Zeit Arnold zum Lufts auch an der Kirche Neuerungen vorgenommen. Das Schiff wurde erhöht und bekam 1504 eine Holzdecke. Die Wände des Schiffs wurden 1507 mit zusätzlichen Malereien versehen. Nach dem Tod von Arnold zum Luft fiel die Kirchenherrschaft 1517 an Basel.
[21] Damit nahte die Reformation, die das Gotteshaus seiner Ausstattung und seines mittelalterlichen Kirchenschatzes berauben sollte.

Reformation und Verlust des Kirchenschatzes

Ein Verzeichnis des 15. Jahrhunderts offenbart den Umfang des Muttenzer Kirchenschatzes. Aufgezählt werden unter anderem 22 Messgewänder und 68 Altartücher. Auch vier Kelche, acht Leuchter und ein Kupferkreuz werden genannt. Ebenso die Armreliquie des St.Arbogast, dem Kirchenpatron. Nach der Reformation 1529 wurde der Schatz für 49 Pfund und 14 Schilling verkauft.
[22] Die Reliquie zerstörte man und die Kirchenfresken wurden übertüncht.

Am 25. August 1530 erhielt St.Arbogast mit Heinrich Schön den ersten reformierten Pfarrer. Er bekleidete das Amt nur bis 1531. Ihm folgte mit Balthasar Vögelin (gestorben 1539) ein Ostschweizer aus Walenstadt. Als Geistlicher wirkte er vor der Reformation im Elsass und war schliesslich von 1527 bis 1531 Helfer zu St.Leonhard in Basel. Er blieb Pfarrer von Muttenz bis 1537. Ihm folgte Johannes Grell, der bis ins Jahr 1559 das Amt innehatte.
[23]

suedtor der ringmauer und beinhaus

Südtor der Ringmauer (links) und spätmittelalterliches Beinhaus (rechts, im Kirchhof), an dem die Fresken des 16. Jahrhunderts sichtbar sind. Der Kirchhof diente bis 1860 als Bestattungsplatz von Muttenz.

In die Tage von Pfarrer Johannes Grell fällt die Anschaffung von neuem Kirchengestühl 1538. Das Wachstum von Muttenz brachte eine steigende Zahl von Kirchgängern. Mit der Zeit hatten sie in der Kirche zu wenig Platz. Nach 1620 wurden immer wieder die beengten Verhältnisse beklagt. Schliesslich sollte der Einbau einer Empore an der Westwand um 1630 zusätzliche Plätze schaffen, und grössere Fenster brachten mehr Licht in die Kirche.

Platznot in der Kirche

Ebenfalls 1630 wurde der Kirchturm um ein weiteres Geschoss aufgestockt. Auch bekam er einen Spitzhelm, der das alte Dach ersetzte. Dieser Helm wurde 1646 steiler gemacht und erhielt an den Ecken Bleiverkleidungen. Die Dächer von Chor und Beinhaus wurden 1689 zusammen mit dem Zinnenkranz der Mauer neu gedeckt. St.Arbogast bekam 1651 zusätzliche Kirchenstühle. Weiterhin vermehrte sich die Zahl der Kirchgänger und der Platz wurde erneut knapp.

Bereits 1663 musste die Empore erweitert werden um mehr Raum zu schaffen. Im 18. Jahrhundert wurden dann die Verhältnisse prekär. Eine 1711 geforderte Erweiterung wurde zurückgeweisen. Es blieb weiterhin eng in der Kirche, bis die Gemeinde 1747 verlangte dass etwas geschehe. Sie schlug vor den Aufgang der Empore nach draussen zu verlegen. So wäre die Treppe im Inneren weggefallen. Das hätte der Kirche vierzig zusätzliche Plätze gebracht.

In der Folge wurden einige Gegenvorschläge laut. Diese regten den Bau einer zweiten Empore über der ersten an, wozu aber die Kirche schlicht zu niedrig war. Auch wollten andere das Kirchenschiff auf Kosten den Chors verlängern. Das wurde abgelehnt weil man den massiven Chor nicht abbrechen wollte. Auch eine Verbreiterung des Schiffs oder dessen Verlängerung nach Westen mit einem Anbau wurde verworfen. Stattdessen tat man gar nichts.

Wiederentdeckung der Fresken

Eine spätere Verlegung des Aufgangs zur Empore nach draussen an der Nordwand, und die Errichtung einer Seitenempore innen an der selben Wand brachten mehr Plätze. Bei Sanierungen 1880 wurden die Nordempore wieder entfernt und der Aufgang zur Empore an der Westwand kam wieder ins Kircheninnere. Bei der selben Sanierung kamen die Fresken aus der Zeit vor der Reformation wieder an Licht. Sie wurden abgepaust und erneut übermalt.

Nur die Darstellung des Jüngsten Gerichts an der Westwand bei der Empore liess man sichtbar. 1630 war das damals übertünchte Wandgemälde im Bereich der Christusfigur beschädigt worden, als man dort ein Rundfenster in die Wand brach um mehr Licht für die neue Empore ins Innere zu lassen. Das Fenster war nun wieder vermauert, und man liess den Kunstmaler Karl Jauslin (1842-1904) 1884 das Gemälde an der Fensterstelle ergänzen und wiederherstellen.

Geplanter Abbruch der Kirchhofmauer

In der Mitte des 19. Jahrhunderts geriet das Ensemble der Wehrkirche in ernsthafte Gefahr. An der Gemeindeversammlung wurde die Forderung erhoben die Mauer um die Kirche abzubrechen. Ein ärztliches Gutachten vom 25. März 1853 zeigte sich besorgt wegen der hohen Mauer um den Bestattungsplatz.
[24] Man war damals der Meinung, dass bei der Verwesung Bestatteter gefährliche Dämpfe enstünden. Diese müssten sich frei zerstreuen können.

Demnach war der Kirchhof von Muttenz ein richtiger Kessel voller Leichengase. Dort wurde seit Jahrhunderten innert dieser Ringmauer bestattet. Wäre die Mauer weg, könnten sich die Ausdünstungen der Leichen besser auflösen und verteilen. Die kantonale Sanitätskommission hiess den Abbruch gut, worauf der Vorschlag dem Regierungsrat vorgelegt wurde. Anstelle der Mauer hätte ein eiserner Hag um die Kirche erstellt werden sollen.

nordtor mit wachtstube

Das Nordtor (Hintergrund) dessen Torturm im Jahr 1913 niederbrannte und neu aufgebaut werden musste. Im Vordergrund ist an der Ringmauer die neuzeitliche Wachtstube des Dorfes zu erkennen.

Glücklicherweise liess man das Vorhaben aber wieder fallen. Der Kirchhof von St.Arbogast wurde nur noch wenige Jahre zur Bestattung genutzt. Bald fanden die Toten ihre letzte Ruhe auf dem am 28. Oktober 1860 eingeweihten Gottesacker, der heute noch genutzt wird. Gegen den geplanten Abbruch der Kirchhofmauer wandte sich später auch der namhafte Zürcher Kunsthistoriker Johann Rudolf Rahn (1841-1912).
[25] Die Mauer blieb Muttenz erhalten.

St.Arbogast im 20. Jahrhundert

Im Jahr 1913 brannte der nördliche der beiden Tortürme in der Wehrmauer aus. Er wurde mit seinen vier Geschossen wieder aufgebaut, wodurch die Anlage ihren Charaker behielt. Die Kapelle des Beinhauses im Kirchhof wurde als Abstellraum und Feuerwehrmagazin genutzt. Im Jahr 1908/09 konnte sie mit Subventionen des Bundes renoviert werden. Dabei wurden auch ihre Fresken von 1513 wieder freigelegt. Eine weitere Sanierung erfolgte 1955/56.

Die Beinhausfresken wurden bei einer Sanierung 2008/09 aufwendig restauriert. Bei der Renovation wurden Fehler in der Materialwahl von 1955/56 korrigiert. Die Kirchenfresken sind seit 1975 alle wieder sichtbar. Das Kirchenportal bekam 1948 eine offene Vorhalle. Im selben Jahr wurden zwei Glocken gegossen, welche die anderen vier Glocken aus der Zeit zwischen 1436 und 1841 ergänzten. 2005/06 erfolgte die letzte Innenrenovation von St.Arbogast.

Zusammenfassung

Die Wehrkirche St.Arbogast in Muttenz geht nach aktuellen Erkenntnissen auf eine kleine Saalkirche des frühen Mittelalters zurück. Sie hatte ein längliches Schiff und einen quadratischen Chor. In und um die Kirche gefundene Steinplattengräber lassen den Schluss zu, dass das Gotteshaus bereits im 8. Jahrhundert existierte. Dieser erste greifbare Kirchenbau wurde etwa im 10. Jahrhundert durch eine neue Kirche mit massiveren Mauern ersetzt.

Ein weiterer Neubau trat ungefähr im 12. Jahrhundert an die Stelle dieser Kirche. Der Patron der frühen Kirche ist bis heute unbekannt. Es ist anzunehmen, dass St.Arbogast erst nach der Jahrtausendwende übernommen wurde. Der Heilige war Bischof von Strassburg. Von ihm wurde in der Kirche zu Muttenz ein Armreliquiar aufbewahrt, welches mit der Reformation zerstört wurde. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche erfolgt im Jahr 1303.

Im Laufe des 14. Jahrhunderts kamen Kirche und Dorf in die Hand eines Zweiges der Adlesfamilie der Münch. In diese Zeit fällt auch der Wiederaufbau der Kirche, die beim Erdbeben von 1356 schwer beschädigt wurde. Mehrere Wappen erinnern zu St.Arbogast an den 1378 verstorbenen Konrad VIII. Münch und seine Gattin Katharina von Löwenburg, so wie an Hans Thüring I. Münch der zwischen 1420 und 1435 einen neuen Kirchturm bauen liess.

Hans Thüring gelang es mit Hilfe seiner Gattin Fröwelina von Eptingen das verpfändete Lehen Wartenberg-Muttenz für die Familie zurückzuerlangen. In der erste Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgte der Umbau des Gotteshauses zur Wehrkirche mit Ringmauer zum Schutze der Bevölkerung. Damit ersetzte die Kirche wohl die Burgen auf dem Wartenberg. Eine belegte Nutzung in diesem Sinne fand 1465 bei einem Überfall durch die Solothuner auf Muttenz statt.

Mit der Verarmung der Münch kam die Kirchenherrschaft über St.Arbogast an Peter zum Luft, Chorherr zu St.Peter in Basel. Nach dessen Tod 1474 folgte ihm Arnold zum Luft als Kirchenherr. Unter diesen beiden Männern erhielt die Wehrkirche ihr Beinhaus mit Kapelle. Das Kirchenschiff wurde erhöht und bekam eine Holzdecke eingezogen. Auf diese Zeit gehen mehrere Fresken in Kirche und Beinhaus zurück. Mit dem Tod Arnolds zum Luft 1517 wurde Basel Kirchenherrin.


vorhalle von 1948

Die im Jahr 1948 erbaute offene Vorhalle ermöglichte den Kirchenbesuchern das Warten vor dem Kirchenportal, etwa bei einer Hochzeit, ohne dass man der Witterung schutzlos ausgesetzt war.

Mit der Reformation 1529 verlor St.Arbogast seinen Kirchenschatz mit samt dem Reliquiar des Kirchenpatrons. Auch wurden die Fresken übermalt. Der erste Pfarrer in Muttenz nach der Reformation war Heinrich Schön, dem 1531 Balthasar Vögelin folgte, der wiederum von Johannes Grell abgelöst wurde. Letzterer war bis 1559 Pfarrherr in Muttenz. Mit dem 17. Jahrhundert machte die das Wachstum der Bevölkerung bemerkbar. Die Dorfkirche des wurde zu klein.

In einem Umbau 1630 wurde der Kirchturm um ein Geschoss erhöht und mit einem Spitzhelm gekrönt. Zugleich baute man an der Westwand der Kirche offenbar eine Empore ein, die mehr Kirchgängern Platz bieten sollte. 1663 wurde die Empore vergrössert. Im 18. Jahrhundert erwog man, die Kirche zu verlängern oder zu verbreitern. Schliesslich begegnete man der Raumnot unter anderem mit dem Einbau einer Seitenempore an der Nordwand des Schiffes.

Im 19. Jahrhundert plante man den Abbruch der Wehrmauer, um den Kirchhof als Bestattungsort aus gesundheitspolitischen Erwägungen von seiner Umfriedung zu befreien. Das Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Ab 1860 wurde der Kirchhof ohnehin nicht mehr für Beerdigungen genutzt. Ferner setzte sich der Zürcher Kunsthistoriker Johann Rudolf Rahn für den Erhalt des historischen Baudenkmals ein. So blieb St.Arbogast das seltene Bauwerk erhalten.

In den 1880er Jahren wurden die Fresken in der Kirche wiederentdeckt, aber bis auf die Darstellung des Jüngsten Gerichts an der Westwand wieder übertüncht. Mit der Renovation 1973/75 wurden sie dauerhaft freigelegt. Das Beinhaus wurde 1908/09 sowie 1955/56 saniert. Aufwendig wurden 2008/09 die Beinhausfresken renoviert. Das Nordtor der Wehrmauer brannte 1913 aus und wurde wiederaufgebaut. Das Kircheninnere wurde 2005/06 renoviert.


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Beitrag erstellt 27.06.09 / Flüchtigkeitsfehler korrigert 01.09.11

Anmerkungen:

[1] R. Marti, Unterabschnitt "Muttenz - Pfarrkirche St.Arbogast", Abschnitt "Muttenz", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Katalogband), Archäologie und Museum Band 41B, Liestal, 2000, Seite 189

[2] R. Marti, Unterabschnitt "4.2.7 Muttenz, St.Arbogast" in Abschnitt "4.2. Kommentare zu den frühchristlichen Kirchen" in Kapitel "4. Kirchen und Kirchengräber", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Textband), Archäologie und Museum Band 41A, Liestal, 2000, Seite 170, Spalte 1

[3] R. Marti, Unterabschnitt "4.2.7 Muttenz, St.Arbogast" in Abschnitt "4.2. Kommentare zu den frühchristlichen Kirchen" in Kapitel "4. Kirchen und Kirchengräber", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Textband), Archäologie und Museum Band 41A, Liestal, 2000, Seite 169, Spalte 2

[4] F.W. Bautz, Beitrag "Arbogast, Bischof von Strassburg", publiziert in Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 1, Hamm, 1990, Spalte 205

[5] H.R. Heyer, Unterabschnitt "Ausstattung", in Beitrag "Reformierte Pfarrkirche St.Arbogast", in Abschnitt "Muttenz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, Basel, 1969, Seite 343

[6] R. Marti, Unterabschnitt "Muttenz - Pfarrkirche St.Arbogast", Abschnitt "Muttenz", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Katalogband), Archäologie und Museum Band 41B, Liestal, 2000, Seite 191

[7] R. Marti, Unterabschnitt "4.2.7 Muttenz, St.Arbogast" in Abschnitt "4.2. Kommentare zu den frühchristlichen Kirchen" in Kapitel "4. Kirchen und Kirchengräber", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Textband), Archäologie und Museum Band 41A, Liestal, 2000, Seite 170, Spalte 2

[8] R. Marti, Unterabschnitt "4.2.7 Muttenz, St.Arbogast" in Abschnitt "4.2. Kommentare zu den frühchristlichen Kirchen" in Kapitel "4. Kirchen und Kirchengräber", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Textband), Archäologie und Museum Band 41A, Liestal, 2000, Seite 170, Spalte 2

[9] Wipo, Kapitel 21, Quod rex Burgundiae imperatorioccurrebat Basileae, in Gesta Chuonradi II. imperatoris, publiziert im Internet von der Hochschule für angewandte Wissenschaften (Fachhochschule Augsburg) unter der URL: http://www.hs-augsburg.de/~Harsch/Chronologia/Lspost11/Wipo/wip_vit0.html

[*] Es gibt auch Theorien die davon ausgehen, dass das Treffen 1032 stattgefnden habe.

[10] R. Marti, Unterabschnitt "4.2.7 Muttenz, St.Arbogast" in Abschnitt "4.2. Kommentare zu den frühchristlichen Kirchen" in Kapitel "4. Kirchen und Kirchengräber", publiziert in Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Textband), Archäologie und Museum Band 41A, Liestal, 2000, Seite 171, Spalte 1

[11] H. Boos, Urkunde 210, publiziert in Urkundenbuch der Landschaft Basel, Basel, 1881 Seite 158/4

[12] W. Meyer, Unterabschnitt "1 - Die Münch von Löwenberg bis zum Beginn des 15. Jahrunderts", in Abschnitt "C - Die Zeit der Münch von Löwenberg", publiziert in Die Löwenburg im Berner Jura, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 113, Basel und Stuttgart, 1968, Seite 44

[13] H.R. Heyer, Unterabschnitt "Baugeschichte", in Beitrag "Reformierte Pfarrkirche St.Arbogast", in Abschnitt "Muttenz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, Basel, 1969, Seite 331

[14] W. Meyer, Unterabschnitt "3 - Die Krise zu Beginn des 15. Jahrunderts und ihre Überwindung", in Abschnitt "C - Die Zeit der Münch von Löwenberg", publiziert in Die Löwenburg im Berner Jura, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 113, Basel und Stuttgart, 1968, Seiten 52 bis 53

[15] H. Boos, Urkunde 613, publiziert in Urkundenbuch der Landschaft Basel, Basel, 1881 Seiten 717 bis 718

[16] W. Meyer, Unterabschnitt "1 - Die Herrschaft", in Abschnitt "D - Adliges und ländliches Leben unter den Münch", publiziert in Die Löwenburg im Berner Jura, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 113, Basel und Stuttgart, 1968, Seite 159

[17] H. Boos, Urkunde 720, publiziert in Urkundenbuch der Landschaft Basel, Basel, 1881 Seite 850

[18] H.R. Heyer, Unterabschnitt "Baugeschichte", in Beitrag "Reformierte Pfarrkirche St.Arbogast", in Abschnitt "Muttenz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, Basel, 1969, Seite 331

[19] G.P. Marchal, Fussnote Nummer 65, in Abschnitt "Der liber statutorum ecclesie sancti Petri Basiliensis", in Teil "C - Der Text", publiziert in Die Statuten des Weltlichen Kollegiatstifts St.Peter in Basel, Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte, Band 4, Basel, 1972, Seiten 202 bis 203

[20] G.P. Marchal, Fussnote Nummer 1, in Unterabschnitt "Die Inkorporationen", in Abschnitt "Das Statuarium von St.Peter", in Teil "C - Der Text", publiziert in Die Statuten des Weltlichen Kollegiatstifts St.Peter in Basel, Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte, Band 4, Basel, 1972, Seiten 512 bis 513

[21] H.R. Heyer, Unterabschnitt "Baugeschichte", in Beitrag "Reformierte Pfarrkirche St.Arbogast", in Abschnitt "Muttenz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, Basel, 1969, Seite 331

[22] H.R. Heyer, Unterabschnitt "Übrige Ausstattung", in Beitrag "Reformierte Pfarrkirche St.Arbogast", in Abschnitt "Muttenz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, Basel, 1969, Seiten 352 bis 353

[23] K. Gauss, Basilea Reformata, Basel, 1930, Seite 31 (Liste der Muttenzer Pfarrer) / Seite 78 (Johannes Grell) / Seite 138 (Heinrich Schön) / Seite 156 (Balthasar Schön)

[24] B. Hunger, Unterabschnitt "4.2. Medizin", in Abschnitt "4 Friedhof", publiziert in Diesseits und Jenseits - die Säkularisierung des Todes im Baselbiet des 19. und 20. Jahrhunderts, Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft, Band 53, Liestal, 1995, Seite 209

[25] H.R. Heyer, Unterabschnitt "Baugeschichte", in Beitrag "Reformierte Pfarrkirche St.Arbogast", in Abschnitt "Muttenz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, Basel, 1969, Seite 333


Quellen:

Friedrich Wilhelm Bautz, Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon, Band 1, Hamm, 1990, ISBN 3-88309-013-1, Spalte 205

Heinrich Boos, Urkundenbuch der Landschaft Basel, herausgegeben von Heinrich Boos, C.Detloffs Buchhandlung, Basel, 1881 Seiten 158, 717 bis 718 und 850

Karl Gauss, Basilea Reformata, Verlag der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft, Basel, 1930, Seiten 31, 78, 138 und 156

Guy P. Marchal, Die Statuten des Weltlichen Kollegiatstifts St.Peter in Basel, Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte, Band 4, herausgegeben vom Staatsarchiv Basel-Stadt, Kommissionsverlag Friedrich Reinhardt AG, Basel, 1972, Seiten 202 bis 203 und 512 bis 513

Hans Rudolf Heyer, Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Band 1, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Birkhäuser Verlag, Basel, 1969, Seiten 331, 333, 343 und 352 bis 353

Bettina Hunger, Diesseits und Jenseits - die Säkularisierung des Todes im Baselbiet des 19. und 20. Jahrhunderts, Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft, Band 53, Verlag des Kantons Basel-Landschaft, Liestal, 1995, ISBN 3-85673-241-1, Seite 209

Reto Marti, Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Textband), Archäologie und Museum Band 41A, Liestal, 2000, ISBN 3-905069-36-9, Seiten 169 bis 171

Reto Marti, Zwischen Römerzeit und Mittelalter (Katalogband), Archäologie und Museum Band 41B, Liestal, 2000, ISBN 3-905069-37-7, Seiten 189 bis 191

Werner Meyer, Die Löwenburg im Berner Jura, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 113, herausgegeben von Edgar Bonjour und Werner Kaegi, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel und Stuttgart, 1968, Seiten 44, 52 bis 53 und 159

Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, publiziert im Internet von der Hochschule für angewandte Wissenschaften (Fachhochschule Augsburg) unter der URL: http://www.hs-augsburg.de/~Harsch/Chronologia/Lspost11/Wipo/wip_vit0.html

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