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Konklave / Papstwahl 1439 in Basel
Eines der wichtigsten Ereignisse des Konzils zu Basel 1431-48 war die Wahl von Papst Felix V. (1383-1451). Vorausgegangen war ein sich stetig vertiefendes Zerwürfnis zwischen Papst Eugen IV. (1383-1447) in Rom und dem Konzil zu Basel. Ein im Januar 1438 in Ferrara eröffnetes Unionskonzil sollte nach dem Willen Eugens das alte Konzil ablösen. Die loyal zum Papst stehenden Teilnehmer verliessen Basel um in die norditalienische Universitätsstadt zu eilen.
Unbeirrt tagte indes die nunmehr zum Gegenkonzil gewordene Basler Synode weiter. Man tat sich aber schwer an der harten Erkenntnis, dass Eugen die vom Konzil zu Basel beanspruchte generelle Kompetenz über die ganze Kirche offenbar nicht anerkannte. Verbittert warf man dem Papst daher vor, dass er die aus dem Konzil zu Konstanz hervorgegangene Lehre von der Superiorität des Konzils leugne. Am 25. Juni 1439 erklärte man ihn daher für abgesetzt.
Diese Zuspitzung des Zerwürfnisses kam einer in einer Zeit schwerer Heimsuchung - seit Ostern wütete 1439 die Pest in Basel. Zudem hatten Missernten in den Vorjahren das Brot knapp und teuer gemacht, und neben der Pest herrschte auch noch eine ausserordentliche Dürre. Die Menschen in Basel waren verzweifelt und versammelten sich zu Gebeten und Prozessionen. Dass man gerade dabei leichter Gefahr lief sich mit der Pest anstecken war noch nicht bekannt.
Inmitten dieser Stimmung fasste das Konzil zu Basel einen Entschluss. Um den eingeschlagenen Weg konsequent zu verfolgen, musste es nun ein eigenes Kirchenoberhaupt wählen, einen Gegenpapst. Eine solche Wahl musste an einem hermetisch abgeriegelten Ort stattfinden, den man als Wahllokal auch als Konklave (aus dem Lateinischen "cum clave" - "mit dem Schlüssel". Später auch auf die Gemeinschaft der Wählenden übergegangene Bezeichnung) ansprach.
Das Haus zur Mücke (hell hervorgehoben) auf einer Stadtansicht um 1642. Die Liegenschaft wurde im 16. Jahrhundert umgebaut, dürfte aber danach in wesentlichen Zügen noch dem Haus in dem das Konklave von 1439 abgehalten wurde entsprochen haben. | Stich von Matthäus Merian
Die abgeschirmte Papstwahl
Der Gedanke des Konklave war es, die Wähler völlig abzuschirmen damit sie sich ohne äusseren Einfluss auf einen Papst einigten. Man möchte meinen, dass sich eingsperrte Wähler in eigenem Interesse möglichst speditiv auf einen Kandidaten einigen sollten. Dem war aber schon beim ersten Konklave zur Wahl von Coelestin IV. (gestorben 1241) nicht so. Zwei Monate wurde beraten, ehe man sich auf ihn einigte. Er starb übrigens, bevor er sein Amt antreten konnte.
Der Wahl von Papst Gregor X. (gestorben 1276) war 1271 sogar eine Vakanz von beinahe drei Jahren vorausgegangen. Um die saumseligen Kardinäle bei ihrer Wahl zu einer raschen Lösung zu motivieren, sollen sie die ungeduldigen Bürger von Viterbo schliesslich unter Bewachung ohne Nahrung in den Papstpalast gesperrt haben. Als keine Besserung eintrat, deckte man den Kardinälen auch noch das Dach über dem Kopf ab, damit die Witterung ihre Entschlusskraft fördere.
Das Haus zur Mücke wird für die Papstwahl hergerichtet
Natürlich hoffte man in Basel auf eine schnellere Entscheidung. Man fand im Haus zur Mücke am Schlüsselberg ein geeignetes Gebäude für das Konklave. Vorab waren einige bauliche Massnahmen nötig, um die erforderliche Abgeschiedenheit der Wähler zu gewährleisten. Die Fenster des Hauses wurden vermauert, nur kleine Luftlöcher blieben offen, durch die spärlich das Licht des Tages in die Düsternis im Inneren fiel. Absperrungen wurden um das Haus errichtet.
Zwischen Absperrung und Haus standen Wachen die niemanden an das Gebäude liessen. Es gab nur einen Zugang, eine Art Schleuse die als Schalter eingerichtet war. Er war mit drei Schlössern gesichert. Zum Öffnen benötigte man von den Protektor und den Vizekämmerer mit den Schlüsseln für die beiden Schlösser von aussen, und Kardinal Louis Aleman, Erzbischof von Arles (ca 1390-1450), der als Vorsitzender des Konklave den Schlüssel für das Schloss innen hatte.
Zweimal täglich wurde durch den Zugang das Essen geliefert. Der Vizekämmerer brachte die Speisen in Kistchen (zuvor auf schriftliches Schmuggelgut durchsucht) zum Schalter. Diese trugen die Wappen der Empfänger und wurden vom Zeremonienmeister hinter dem Schalter entgegengenommen. Zugelassen war nur was dem Speiseplan entsprach. Wieder herausgereichten Speisereste gab man den Armen. Am Schalter durfte nur laut und deutlich in Latein gesprochen werden.
Im Haus zur Mücke wurden im Erdgeschoss und um ersten Stock für die Wähler 34 kleine Zellen mit Tannenholzwänden eingerichtet. Sie boten Raum für ein schmales Bett und ein Tischlein boten. Die Zellen im ersten Stock lagen im heizbaren Wintersaal der Mücke, während es im Erdgeschoss unangenehm kalt und feucht war. Durch die spärlichen Öffnungen der fast völlig vermauerten Fenster drang so wenig Licht, dass die Zellen im Kern des Hauses in Dunkelheit lagen.
Das Haus zur Mücke im 21. Jahrhundert. Es wurde 1862 um ein zusätzliches Geschoss aufgestockt um als Schulhaus genutzt zu werden. Zur Zeit der Papstwahl 1439 hatte die Liegenschaft ein Erd- und ein Obergeschoss, wo die Zellen der Wähler eingerichtet wurden.
Das Konklave in der Mücke
Als im Herbst 1439 die Pest in Basel ausklang, führte das Konzil die Papstwahl durch. Nach der Zeit des Leidens kamen Erleichterung und Hoffnung über die Stadt, und die Wahl war wie ein Wendepunkt. Am 29. Oktober wurde die Liste der Wähler festgelegt. Am Tag drauf eröffnete ein Hochamt im Münster das Lonklave. Wer teilnahm und für einen guten Ablauf der Wahl betete, dem wurde ein Ablass von seinen Sündenstrafen versprochen. Kirche und Münsterplatz waren voll.
Nach der Messe wurden die Wähler vereidigt. Dann begab man sich in einer feierlichen Prozession zum Haus zur Mücke. Die Wähler gingen hinter dem Kardinal von Arles, der zu diesem in Mitra und Goldgewand gekleidet war. Ihnen voraus schritten Basler Geistliche mit verschiedenen Reliquien. Vor ihnen gingen Konzilsherren, der Klerus von Basel und weiss gewandete Knaben. Die Wähler betraten das Haus, dessen Tor abends um neun Uhr verriegelt wurde.
Unter der Leitung des Erzbischof von Arles waren nun elf Bischöfe, sieben Äbte, und 14 Theologen dazu berufen in der Abgeschiedenheit der Mücke einen neuen Papst zu wählen. Da die Wähler je nach Stand ein bis zwei Diener mitbrachten, beherbergte das Haus mit weiterem Personal 86 Personen. Als Zeremonienmeister fungierte Enea Silvio Piccolomini (1405-1464), der im August 1458 selbst in einem dreitägigen Konklave zu Papst Pius II. gewählt werden sollte.
Piccolomini nahm jeweils auch die Kisten mit dem Essen für die Wähler entgegen. Zugelassen war für jede Mahlzeit entweder Fisch oder Fleisch, oder statt dessen Käse und Eier. Die Ernährung im Konklave war also eintönig und bescheiden. Dazu kam dass die Wähler im Erdgeschoss wegen das Steinbodens besonders unter feuchter Kälte litten. Heizen mit Feuer war wegen der Brandgefahr nicht gestattet. Rheumatische Beschwerden und fortwährendes Husten waren die Folgen.
Morgens zwischen vier und fünf Uhr waren die Wählern angehalten, den Tag mit Beten oder mit einer Einzelmesse zu beginnen. Es folgte eine gemeinsame Messe und ein Hymnus auf den Heiligen Geist. Danach schritt man zur Beratung und zur Wahl. Der folgte das Essen und Mittagsruhe bis 15.00 Uhr. Danach besprach man bis 19.00 Uhr die Kandidaten die auf den Wahlzetteln aufgetreten waren. Schliesslich folgte dem Abendessen die Nachtruhe ab 22.00 Uhr.
Wahlgänge im Konklave
Um gewählt zu werden musste ein Kandidat eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen auf sich vereinigen. Auf Wahlzettel schrieb beim Wahlgang jeder ein bis zwei Kandidaten und seinen eigenen Namen. Die Zettel wurden in ein Silberbecken geworfen, welches auf einer kleinen Bank vor dem Vorsitzenden Kardinal Louis Aleman beim Altar stand. Dann verlas der dieser die Zettel, während vier Schreiber Protokoll führten. Man wählte tagelang ohne ein klares Votum.
Schliesslich zeichnete sich der fromme Herzog Amadeus von Savoyen als Kandidat mit den besten Chancen ab. Er kam nicht auf die Zweidrittelmehrheit, vereinigte aber die meisten Stimmen auf sich. Eine Woche war ohne Ergebnis vergangen. Die Stadt draussen wurde unruhig. Am 5. November zog dann gegen zehn Uhr morgens eine Prozession vor dem Haus zur Mücke auf, um den Allmächtigen um Rat und Eingebung für die Wahl des Papstes zu bitten.
Es soll angeblich just zu dieser Zeit geschehen sein, dass der letzte Wahlgang im Konklave mit 26 von 33 gültigen Stimmen Herzog Amadeus von Savoyen mit der nötigen Mehrheit gewählt wurde. Sogleich liess man die vermauerten Fenster zum Münsterplatz hin aufbrechen. Mit Äxten habe man die verrammelten Türen aufgehauen und aus dem Fenster über dem Eingang hielt man als Zeichen der gelungenen Wahl ein silbernes Kruzifix. Das Konklave hatte sieben Tage gedauert.
Der glücklose Gegenpapst Felix V. nach einem Holzschnitt der Chronik Wurstisen. Gewählt 1439 wurde Amadeus von Savoyen 1440 auf dem Münsterplatz zum Papst gekrönt. Ohne richtig an Einfluss und Anerkennung gewonnen zu haben, dankte er im April 1449 ab und starb im Januar 1451.
Habemus papam - Wir haben einen Papst
Der Vorsitzende verlas der wartenden Menge den Namen des Gewählten und hielt eine Ansprache, die der Basler Domdekan ins Deutsche übersetzte, und gab dem Volk den Segen. Die Wähler stimmten im Haus das Tedeum an und man begann die Kirchenglocken zu läuten. Um 15.00 Uhr versammelte sich die Geistlichkeit im vollen Ornat vor dem Haus, um die Wähler zu empfangen. Diese seien nach einer Woche im Dunkeln bleich und schlotternd herausgekommen.
Feierlich zog die ganze Gemeinschaft vom Schlüsselberg über den Münsterplatz ins Münster, um dort die Wahl mit Gesang und Gebet zu feiern. Eine Abordnung suchte den Gewählten auf, der die Wahl annahm. Herzog Amadeus von Savoyen kam nach Basel um am 24. Juli 1440 zu Papst Felix V. gekrönt zu werden. Die Krönung wurde wegen Platzmangel unter freiem Himmel auf dem Münsterplatz vollzogen. Das Volk begrüsste den Papst mit einem vielfachen "Vivat papa!".
Beitrag erstellt 04.04.05 / leicht überarbeitet 05.11.21
Quellen:
Valentin Lötscher, Beitrag "Das Haus zur Mücke" publiziert im Basler Jahrbuch 1958, herausgegeben von Gustav Steiner und Andreas Staehelin, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1957, Seiten 108 bis 112
Martin Anton Schmid, Beitrag "Das Basler Konzil - Ursachen, Verlauf, Bedeutung", publiziert im Basler Stadtbuch 1981, herausgegeben von der Christoph Merian Stiftung, Christoph Merian Verlag, Basel, 1982, ISBN 3-856-16-013-2, Seiten 175 bis 177
Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, Band 1, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1907, Seiten 524 bis 530
Christian Wurstisen, Bassler Chronick, Sebastian Henricpetri, Basel, 1580, Seiten 357 bis 366
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