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Das Steinentor
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Steinentorstrasse, Höhe Bollwerkpromenadelageplan steinentor
Abgebrochen 1865/66

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Einzgartige Toranlage

Das Steinentor nahm unter den Basler Stadttoren gleich zweifach einen besonderen Platz ein. Zum einen war seine strategisch ungünstige Lage einzigartig im Mauerring; in einer Talsohle gelegen, flankiert von zwei Hügeln, die den Stadteingang links und rechts überragten. Und kein anderes Basler Tor lag unmittelbar neben einem Fluss und seinem Wassertor in der Stadtmauer.

Dieser Fluss namens Birsig bekam im Mittelalter eine Uferbesiedlung, die sich mit der Zeit zur Steinenvorstadt entwickelte, durch die er heute eingetunnelt und unsichtbar fliesst. Wie üblich, hatte auch diese Vorstadt eine Vorstadtbefestigung; also eine eigene Schutzmauer, damit sie nicht offen und wehrlos vor der Stadtmauer lag. Zu einer solchen Mauer gehörte auch ein Tor.

das steinentor auf einem druck um 1549

Vereinfachte Darstellung der Tores von der Stadtseite im 16.Jh. A = Bollwerk "Dornimaug" B = Steinentor C = Wassertor Birsig (daneben kleines Wassertor Rümelinbach) D = Bollwerk "Wagdenhals" | Basler Stadtplan von Sebastian Münster (Sammlung altbasel.ch)

Tor der Steinenvorstadt

Dieses Tor stand an der Strasse zum Leimental, aus welchem der Birsig nach Basel fliesst. Direkt neben dem Fluss gelegen, brachte dies auch die Lage in der Talsohle mit sich, in dem der Birsig verläuft. Zum ersten Mal erscheint der Stadteingang im Anniversarienbuch des Basler Domstifts. Ein Eintrag von 1334/38 nennt ein "Hers tor", wahrscheinlich nach einem Anwohner mit Namen "Her".

Mit Varianten dieser Bezeichnung (Hertor, Herstor) erscheint das Vorstadttor, bis sie im Laufe des 15. Jahrhunderts durch den Namen "Steinentor" verdrängt wurde. In der Zeit zuvor hatten sich grosse Veränderungen ereignet. Nach dem katastrophalen Erdbeben von 1356 errichtete Basel im Zuge des Wiederaufbaus eine neue und grössere Stadtmauer, welche auch die Vorstädte umfasste.

Auch die Steinen war so nicht mehr nur durch ihre Vorstadtbefestigung geschützt, sondern lag innerhalb des neuen Mauerrings. Wahrscheinlich kam das Tor dieser neuen Mauer an den Ort des alten Hertors. Eine Liste von 1387 führt das neue Tor noch als "Hertor". Die Basler Jahresrechnung 1391 nennt abschliessende Arbeiten eines Meister Meier daran. Damit war der Neubau offenbar vollendet.

Anfangs hatte der Turm der Tores kein Dach sondern schloss nach oben mit einem Zinnenkranz ab. Erst im 17./18. Jahrhundert wurde der Turm mit einem Pyramidendach ergänzt, das 1842 wieder verschwand. Das Steinentor erhielt 1430 eine Fassadenmalerei. Meister Lawelin (gestorben vor 1454), der 1428 schon den Spalenschwibbogen schmückte, malte eine Kreuzigungsszene mit vier Figuren.

Ausbau und Schutz durch Bollwerke

Als in der Zeit zwischen 1439 und 1444 das umherziehende Heer der Armagnaken die Region bedrohte, wurde das Steinentor mit einem improvisierten Bollwerk vor der Mauer ergänzt. Ein eigentliches Vorwerk mit Dach im Stadtgraben vor dem Tor entstand wohl erst 1473. In den folgenden Jahren kam ein Torvorhof hinzu, dessen seitlichen Mauern bis zur heutigen Inneren Margarethenstrasse reichten.

Flankiert wurde das Steinentor zu seinem weiteren Schutz ab der Mitte des 16. Jahrhunderts durch zwei Bollwerke auf den Anhöhen zu beiden Seiten. Sie gingen aus früheren Türmen der Stadtmauer hervor und übernahmen deren Namen. Es waren dies auf der Nordseite (heute Steinengraben) das Bollwerk "Wagdehals" und auf der Südseite (heutige Bollwerk-Promenade) das Bollwerk "Dornimaug".

das steinentor 1745 und der ort heute

Tor mit Umfeld im 18.Jh. vom Bollwerk Dornimaug (heute Elisabethenschanze) aus gesehen. Bild anklicken für Vergrösserung mit weiteren Informationen | Bleistifszeichnung nach Emanuel Büchel

Die Wassertore

Das Wassertor neben dem Steinentor (durch das der Birsig einfloss) war mit verstellbaren Rammpfählen gesichert. Hinter ihnen lag ein Wehr, über das sich der Fluss als Wasserfall in den weiteren Lauf durch die Vorstadt ergoss. Vereinfachte frühe Ansichten zeigen einen Turm mit Flussöffnung. Realistischer sind Darstellungen ab 1590 mit einem Schnabelturm über dem Wassertor.

Das Wassertor mit Turm auf einem Wellenbrecher im Flussbett des Birsig war aber nicht das einzige in der Nachbarschaft des Steinentors. Der parallel zum Birsig angelegte kleinere Gewerbekanal Rümelinbach, hatte wenig weiter nördlich am Talhang einen eigenen Durchgang in der Stadtmauer. Er war, dem Gewässer angemessen, schlicht und ohne Turm, nur mit einem simplen Fallgatter versehen.

Pforte zum Richtplatz

Im Gegensatz zu seinem einzigartigen Ensemble mit Bollwerken und Wassertoren stand die bescheidene Nutzung des Tores. Anders als etwa das Spalentor als Pforte zum Sundgau, war das Tor zum Leimental am Birsig kein Ort des grossen Durchgangsverkehrs. So wurden hier im 19. Jahrhundert abends in der Winterzeit, wenn es zeitig dunkel wurde, auch früher die Torflügel geschlossen.

Für grösseren Andrang unter dem Torbogen sorgte allerdings hin und wieder der Richtplatz "Kopfabheini" vor dem Steinentor. Hier wurden vor viel Publikum im Juli 1653 sechs Baselbieter Anführer des Bauernaufstandes enthauptet (der siebte wurde am Galgen auf dem Gellert gehängt). Als am 4. August 1819 drei Räuber durch das Schwert starben, kamen an die 20'000 Zuschauer.

Ein erfreulicherer Publikumsmagnet brachte die erste Basler Herbstmesse im Oktober 1471. Als Werbemassnahme wurde ein Wettrennen mit Siegerpreis vor dem Steinentor organisiert. Vor den zusammengelaufenen Zuschauern rannten dort die Männer über 400 Schritt und die Frauen über 350 Schritt um die Wette. Die Idee hatte man übrigens von der Messestadt Nördlingen kopiert.

das steinentor auf einem druck um 1857

Steinentor mit Birsig (vom heutigen Auberg her gesehen) vor den Abbrucharbeiten der 1860er Jahre. Bild anklicken für Vergrösserung mit weiteren Informationen | Lichtdruck nach Johann Jakob Schneider (Sammlung altbasel.ch)

Letzte Umbauten

Eine der schönsten Darstellungen des Steinentors, eine lavierte Federzeichnung von 1745, stammt von der Hand des zeichnenden Bäckers Emanuel Büchel (1705-1775). Eine Fussnote dazu ist, dass er in seinen ersten Berufsjahren an der Steinentorstrasse hart um ein besseres Einkommen kämpfen musste, und sich 1728 um eine Zusatzstelle als Torschliesser des Steinentors bewarb.

Vom Torzoller, der seine Dienstwohnung im Turm des Tors hatte ist für 1822 belegt, dass er einen Wochenlohn von 18 Batzen bezog und das Privileg genoss, das Rebgelände vor dem Tor zu nutzen. Die kleine Fachwerk-Wachtstube im Vorwerk wurde 1831 durch einen Neubau ersetzt, der im Erdgeschoss eine neue Wachtstube mit Offizierszimmer und im Obergeschoss eine Torschreiberwohnung hatte.

Der mittelalterliche Vorhof mit seinen Gebäuden an den seitlichen Mauern wurde in noch vor der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Hälfte gekürzt. Auch der Turm bekam ein anderes Aussehen. Der Wunsch der Anwohner nach einer öffentlichen Turmuhr ging 1842 in Erfüllung. Das Dach wurde gleichzeitig und durch einen Zinnenkranz ersetzt, aus dem stadtseits ein Glockentürmchen aufragte.

Abbruch

Die Gegend vor dem Steinentor in seinen letzten Jahrzehnten wird als wenig reizvoll geschildert. Es habe dort nur ein Wirtshaus gegeben. Und an der Binningerstrasse sei man auf eine Tabakstampfe, eine Papierfabrik und eine Mechanikerwerkstätte gestossen. Noch etwas weiter traf man dann auf den alten Richtplatz, wo später die jungen Burschen von Basel ihren Turnplatz hatten.

In den 1850er Jahren begann Basel mit seiner Entfestigung. Die Stadtmauer musste weichen, damit neue Quartiere mit Anschluss an den Stadtkern entstehen konnten. Nachdem zwei Jahre zuvor noch die Barrieren des Tor erneuert wurden, fiel im Jahr 1858 der Entschluss, das Steinentor abzubrechen. Im selben Sommer wurden zunächst Vorhof mit Wachthaus und die Brücke zum Vorwerk abgerissen.

Im Jahr 1865 begann die Beseitigung der Mauern beim Wassertor des Birsig. Im selben Jahr verschwand das Vorwerk. Der entblösst in der Mauerflucht aufragende Torturm wurde von den frühen Basler Fotographen Adam Borbély Varady (1816-1889) und Jakob Höflinger (1819-1898) verewigt. Im Oktober 1866 fiel dann auch der Turm und Basel verlor für immer ein weiteres seiner Stadttore.

das steinentor 1865 und der ort heute

Steinentor von der Thorsteinen her (heute Steinentorstrasse) kurz vor dem Abbruch und die selbe Stelle heute. Bild anklicken für Vergrösserung | Lichtdruck nach Johann Jakob Schneider (Sammlung altbasel.ch)

Zusammenfassung

Das Steinentor in der Talebene des Birsig erscheint erstmals in den 1330er Jahren. Damals noch nicht als Tor der Basler Stadtmauer sondern als "Hertor" der Befestigung der Steinenvorstadt. Erst nach dem Erdbeben 1356, mit dem Bau der äusseren Grossbasler Stadtmauer, wurde auch diese Vorstadt in den neuen Mauerring einbezogen und das eigentliche Stadttor entstand.

Das Tor ist auf zwei seitlich anstossenden Höhenzügen von Bollwerken flankiert und hat auf der Seite zum Birsig hin ein Wassertor, welches den Fluss in die Stadt einlässt. Ein zweites kleineres Wassertor für den Rümelinbach lag etwas weiter über dem Birsig am Talhang. Diese Kombination aus Tieflage, Bollwerken und Wassertoren war unter den Basler Stadttoren einzigartig.

Der Torturm hatte anfangs nur einen Zinnenkranz, den spätestens im 18. Jahrhundert ein Pyramidendach ersetzte. Dieses wich 1842 dann einem neuen Zinnenkranz mit kleinem Glockenturm. Das um 1391 vollendete Steinentor wurde während kriegerischer Zeiten im 15. Jahrhundert durch ein Vorwerk im Stadtgraben mit Zugbrücke und einem langen Vorhof auf der Feldseite ergänzt.

Das Tor diente viereinhalb Jahrhunderte als Pforte zum Leimental und galt als eines der weniger frequentierten Stadttore Basels. Grössere Menschenmengen durchschritten es meist nur wenn auf dem Richtplatz vor dem Tor arme Sünder die Todesstrafe erlitten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Stadtmauern abgebrochen. Damit verschwand 1865/66 auch das mittelalterliche Steinentor.


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Beitrag erstellt 16.08.24

Quellen:

Casimir Hermann Baer, Kapitel "Basels Befestigungen", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Band 1, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Birkhäuser Verlag, Basel, 1932, Seite 152 (Bollwerke beim Steinentor), Seite 172 (Abrissjahr) und Seiten 182 bis 185 (Abbildungen Tor und Wassertor)

Emil Blum / Theophil Nüesch, Basel Einst und Jetzt, Eine kulturhistorische Heimatkunde (Textband), Verlag Hermann Krüsi, Basel, 1913, Seiten 6 bis 7 (Schilderung Gegend vor dem Tor)

Paul Bloesch, Das Anniversarienbuch des Basler Domstifts, Textband, Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte, Band 7/II, herausgegeben vom Staatsarchiv Basel-Stadt, Kommissionsverlag Friedrich Reinhardt AG, Basel, 1975, Seite 275, folg 123v, Zeilen 3 und 4 (Nennung "Hers tor")

Albert Bruckner, Die Zunft zu Brotbecken in Basel, herausgegeben vom Zunftvorstand, Kommissionsverlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1956, Seiten 117 bis 118 (zu Emanuel Büchel)

Traugott Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel - Zunftwesen und Wirtschaftgeschichte bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts, Felix Schneider, Basel, 1886, Seiten 337 (Wettrennen vor dem Steinentor)

Bernhard Harms, Der Stadthaushalt Basels im ausgehenden Mittelalter, Erste Abteilung, Band 2, H.Laupp'sche Buchhandlung, Tübingen, 1910, Seite 50, Zeilen 91 und 92 (Abschlussarbeiten am Hertor 1391)

Guido Helmig / Christoph Philipp Matt, Beitrag "Inventar der Basler Stadtbefestigung - Planvorlage und Katalog, 1. Die landseitige Äussere Grossbasler Stadtmauer", publiziert im Jahresbericht 1989 der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, herausgegeben von Rolf d'Aujourd'hui, Basel, 1991, ISBN 3-905098-10-5, Seiten 80 bis 81 (Lagepläne), 91 bis 93 (Steinentor), 106 bis 107 (Wassertore) und 119 bis 123 (Bollwerke)

Rudolf Kaufmann, Basel - das alte Stadtbild, Birkhäuser Verlag, Basel, 1936, Beiträge 5 bis 8 (Aufnahmen des Tors vor dem Abbruch)

Eugen Anton Meier, Basel Einst und Jetzt, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 3. Auflage, 1995, ISBN 3-85815-266-3, Seite 160 bis 161

Christian Adolf Müller, Die Stadtbefestigung von Basel, Teil 2, 134. Neujahrsblatt der GGG, herausgegeben von der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, Kommissionsverlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1956, Seite 34 bis 37

Hansrudolf Schwabe (Text) | Emanuel Büchel, Die Landschaft Basel, Pharos-Verlag Hansrudolf Schwabe, Basel, 1973, Seiten 7 bis 9 (zu Emanuel Büchel)

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