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Glosse Nr.1 / 03. Juni 2003

Essverbot im Tram

Es ist vollbracht, die Bevölkerungsschicht der sich mobil ernährenden Basler/innen (meB) traf der Bannstrahl der BVB. Die Fahrgasträume gehören nun den Gratisgazetten, die konkurrenzfrei als herrenloses Altpapier aus jeder Ritze der Sitzbänke spriessen können. Ess- und Trinkverbot in den öV.

Wegen der Exzesse einiger Schmutzfinken sind nun alle "meB" zur sozialen Randgruppe mutiert. Auch ich werde künftig mein kohlesäurefreies Mineralwasser und das Schinggesilserli verstohlen beim Warten aufs Tram vertilgen, um dann beim Einsteigen die Hände tief in die Taschen zu stecken, damit niemand den Essgeruch an ihnen wahrnimmt.

Stoisch wie ein russischer Rübenbauer werde ich auch diese Bürde zu tragen wissen, man lernt das Leiden wenn man in diesem Kanton Einkommen und Wohnsitz hat. Dennoch suchen mich neuerdings nächtens Höllenvisionen heim. Der Grund liegt bei meinem kleinen Sohn, der noch keine zwei Lenze zählt.

Eine genetische Eigenheit ist dafür verantwortlich, dass von den männlichen Angehörigen meiner Sippe keinerlei Gefahr ausgeht, solange der Tisch vor ihnen ordentlich gedeckt ist. Dies nutzte ich bislang dazu, meinen Sohnemann bei längeren Tramfahrten mit einem Fläschlein Kindertee und einem Vollkornbrötchen zu beglücken. Bisher war es stets so, dass er mit vollen Backen dasass - Brötchen in der einen, Flasche in der anderen Hand - und sich seines Lebens freute, während das urbane Leben draussen vorbeizog.

Jetzt blicken in jedem Tramwagen drohende Piktogramme auf mich herab, jegliche Nahrungsaufnahme untersagend. In langen Monaten habe ich den destruktiven Tatendrang meines Erstgeborenen heranwachsen sehen. In den heimischen Wänden sind diese dunklen Kräfte mittlerweile dank intensiver Verhaltensstudien beherrschbar. Auch für Ausflüge in die Öffentlichkeit wurden Strategien entwickelt, um den Godzilla-Effekt von Basel fernzuhalten. Nun soll dies alles umsonst gewesen sein?

Vor meinem geistigen Auge breitet sich Dantes Inferno zwischen den Fahrgastbänken aus. Ohne ein beruhigendes Mahl wird der kleine Sohnemann womöglich der väterlichen Kontrolle entgleiten. Gleich dem unglaublichen Hulk wird er die Fahrgasträume durchstreifen, Mensch, Mobiliar und Rollmaterial bedrohend. Und wer da glaubt, das Tramschaukeln berauschter Fussballfans sei eine Plage - er wird erfahren müssen dass nicht bloss Schiffe kentern können...

Dann wache ich üblicherweise auf und freue mich dass alles nur ein böser Traum war, bis auf das Ess- und Trinkverbot der BVB. Vielleicht sollte ich das Tram meiden bis mein Sohn gelernt hat Auto zu fahren.

engel

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