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Glosse Nr.7 / 11. Oktober 2003

Laptop und Rassismus

Ich sass am Fensterplatz eines Doppesitzes, nutzlos ruhte die durchgelesene Tageszeitung in meinen Händen. Während meine Gedanken leicht umherschweiften, nahmen meine Augen etwas wahr. Der junge Mann afrikanischer Herkunft auf dem Einerplatz gegenüber, stieg mit dem Natel am Ohr eilig aus dem Tram und liess dabei seine dunkle Kunstledertasche mit Laptop und einer französischen Fachzeitschrift liegen.

Da ich keine dunkle Ecke fand, wo ich mir die Alltagskleidung kraftvoll von meinem Superheldenkostüm reissen konnte, musste ich als gewöhnlicher aufmerksamer Bürger in Aktion treten. Ich packte den Mann energisch an der Schulter damit er kurz stehen blieb. Derweil machte ich zwei Schritte hin zu seiner Tasche und bevor er begriff wie ihm geschah, übergab ich ihm sein Eigentum. "Merci beaucoup monsieur, merci merci!" Soviel Dank schmeichelte mir. "Serviiiiice" flötete ich und zog mich selbstzufrieden auf meinen Sitz zurück.

Ganz berauscht von meiner guten Tat bemerkte ich erst nach einem leichten Knuff an meine linke Schulter, dass mich die beiden jungen Damen hinter mir anfeindeten. Über die Schulter blickend sah die eine von ihnen - schulterlang blondgelockt, Brillenträgerin, helle Windjacke, zotteliges Halstuch. Die Knufferin direkt hinter mir befand sich ausserhalb meines Blickwinkels. War dies eine der brutalen Mädchenbanden aus der Boulevardpresse? Würde ich zum Opfer eines bizarren Aufnahmerituals, bei dem einem kräftigen Mannsbild das pochende Herz aus der Brust gerissen werden musste?

Die Blondgelockte liess mich unvermittelt wissen, dass sie solche Scheissrassisten wie mich echt ätzend fände. Unverzüglich liess ich mich auf das Niveau ihres Vokabulars herab, und fragte sie in derben Worten, ob sie eigentlich noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sei? Ein erneuter Knuff kam als Antwort zurück. Wiederum ergriff die Gelockte das Wort, und verkündete dass solche Typen wie ich sich nur in der Gruppe stark fühlten. Nun war ich verwirrt. Trotz meines Übergewichts glaubte ich bisher, als Einzelperson gelten zu dürfen wenn mich niemand begleitete.

Zum ersten Mal hörte ich nun die Stimme der Knufferin, die da sprach dass nur dank der feigen Leute ohne Zivilcourage solche Scheissrechten wie ich in aller Öffentlichkeit einen Asylbewerber anmachen könnten. Mir wurde klar, dass ich beim Einsteigen ins Tram in ein Paralleluniversum geraten war, dessen Schöpfer in seiner kargen Bibliothek lediglich Millers "Hexenjagd" und Kafkas "Der Prozess" zur eigenen Inspiration stehen hatte. Hier galten alle Menschen dunkler Hautfarbe kategorisch als brutal bedrohte Asylbewerber und mein harmloser Zweiersitz entpuppte sich als Anklagebank.

Da mir kein Verteidiger zustand, erhob ich selber meine Stimme. "Ich habe den Mann nicht angemacht sondern ihm lediglich seine Tasche die er vergessen hatte..." Weiter kam ich nicht. Es seien solche Scheisstypen wie ich, die man rausjagen müsste, nicht die Ausländer. Mit dieser scharfen Äusserung wurde mir das Wort abgesägt. Alles klar - dies war ein Schauprozess ohne Verteidigung und Einspruch! Die Vorsitzende des Volksgerichtshofes wandte sich nun nämlich, mein Gejammer ignorierend, ans Volk. Nur weil alle immer passiv wegsähen, könnten Typen wie der Angeklagte Gewalt und Furcht verbreiten.

Beleidigt meldete sich da ein Endvierziger in jägergrüner Lederjacke und Silberschläfen, der einwarf dass er genau beobachtet habe was ich tat, und wenn ich weiter gewalttätig geworden wäre, hätte er natürlich eingegriffen. Er sei nämlich kein Wegseher. Masslos erstaunt vernahm ich, was wildfremde Menschen da an mir entdeckten. Empört schoss ich auf, meine Feinde mit deutlichen Worten zu geisseln - und stiess mir sogleich den Unterleib am überhängenden Haltegriff der vorderen Sitzreihe. Zwei dort sitzende Geschäftsherren, bislang sorgsam passiv, drehten sich zu mir um. Der mit Armani-Brille giftet mich an, dass er die Polizei rufen werde, wenn ich nun auch noch anfangen würde zu Randalieren.

Mit der Gewandtheit eines Gibbon huschte ich durch die sich öffnende Wagentür ins Freie. Bevor ich realisiert hatte dass eine Haltestelle kam, riss mich mein Selbsterhaltungstrieb aus der Feuerlinie heraus und warf mich auf den Barfüsserplatz. Die Gunst der Sekunde nutzend tauchte ich in der Steinen unter, darüber nachsinnend ob ich nicht noch sicherer vor dem Lynchmob wäre, wenn ich mich in einem Abfallcontainer im Steinenbachgässlein versteckte bis die Sonne untergegangen war.

Soll er sein blödes Laptop doch das nächste Mal auf dem Fundbüro der BVB abholen!

engel

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