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Glosse Nr.31 / 23. Juni 2008

Die Tücken des Sonnenscheins

Jetzt kommt der Sommer also doch noch. Ich oute mich an dieser Stelle als Freund gemässigter Temperaturen (also Maxiumum 25 Grad Celsius). Heisse Tage und tropische Nächte waren nie meine Sache, auch nicht als ich noch kleinere Hemdgrössen trug. Wenn es kalt wird, kann man sich warm anziehen. Wird's heiss, ist das Quantum ablegbarer Kleidung durch die Schicklichkeit jedoch limitiert, was allerdings viele Zeitgenoss/innen nicht daran hindert praktisch nackt raumzulaufen.

Ich mache mir das Leben in dieser Hinsicht mit strengen Direktiven selbst schwer. Zum Beispiel besagt eine davon, dass kurze Hosen, vulgo "Shorts", eine für einen Gentleman absolut untragbare Beinbekleidung sind, sofern er nicht Lawrence heisst und im Nahen Osten wilde Araberstämme in den Kampf führen muss. In diesem Zusammenhang verbietet mir ein Appendix der obengenannten Direktive auch, mich jemals auf eine Brough Superior Model SS100 zu setzen um damit zur Post zu fahren.

Jedenfalls kann mich auch die grösste Hitze höchstens dazu bewegen, lange Beinkleider mit leichterem Stoff zu tragen. Mit kurzen Hosen sieht man nämlich so furchtbar schnell aus wie der bollerige Nachbar von Peter Lustig beim Grillen. Und ausserdem haben lange Hosenbeine den Vorteil dass einem die Zecken nicht so schnell beissen. Diese Gefahr ist in der urbane Asphaltwelt zwar ohnehin gering, aber Argumente für das Tragen langer Hosen in der Hitze sind halt eher dünn gesät.

Nachdem die moderne Medizin ausgeschlossen hat dass ich Vampirgene in mir trage, ist es vermutlich schlicht die Furcht vor einem Sonnebrand die mich so sonnenscheu macht. Als Blondling sei ich angeblich besonders gefährdet, und in der Tat braucht es nicht viel um mich auch nur anzubraten. Es war im Mai als ich bei meinem Freund und Mentor Dr.Edv in dessen Geschäft auf der Terrasse zur Mittagsgrillade eingeladen war. Tolle Tischgarnitur, schöner Grill - aber kein Sonnenschirm.

Da es einer der ersten richtig schönen Tage des Jahres war, machte ich mir, der menschlichen Natur entsprechend, keine Gedanken um die Gefahr die meiner lauerte. Das ist aber immer so - Wenn Sie schon lange nicht mehr von einer Dampfwalze überfahren wurden, verlieren Sie ihre Furcht davor bis Ihnen der Leichtsinn eines Tages zum Verhängnis wird. Und wenn das Schicksal seine Wahl erstmal getroffen hat, nützt es Ihnen auch nichts dass Dampfwalzen kurze Bremswege haben.

So erging es mir auf der Terrasse. Die direkte Sonnenbestrahlung sprang mich von vorne links an, aber die einzige Massnahme die ich ergriff, war dass ich die PET-Flasche mit dem Blubberwasser unter den Tisch in den Schatten stellte. Ich selbst sass rund dreiviertel Stunden bei bester Laune bei Tisch und spies. Mit einem Sonnenbrand verhält es sich ja heimtückisch. Solange man ihn nicht bemerkt, spürt man ihn auch nicht. Und er benötigt eine Weile um vollkommen erblühen zu können.

Man denkt sich nichts Böses, bis man abends in den Spiegel sieht, oder einem jemand unter Anrufung des Himmels fragt ob dies denn nicht ganz furchtbar weh tue. Der Blick in den Spiegel offenbart dann gewöhnlich, wie erstaunlich sich die Haut von käsbleich in krebsrot zu verwandeln mag. Und was bislang noch als samtener Schleier geschmeidig und zart unsere Gesichtsmuskeln überspannte, wird plötzlich zur Ursache grässlicher Pein wenn man schon nur den Mund vor Entsetzen auftut.

Das sind die Momente in denen man feststellt wieviel Haut man beansprucht um auch nur die kleinste Regung im Gesicht zu zeigen. Und jeder eingermassen begabte Sherlock konnte sehen wie ich in der Sonne gesessen hatte. Ein gleichmässiger Sonnenbrand liesse noch irgendwie eine prestigeträchtige Reise in den Süden vermuten, aber ein Sonnenbrand von links oben, mit unversehrter und bleicher Kopfhälfte rechtsseitig, sieht bloss nach Dämlichkeit auf der Dachterrasse aus.

engel

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