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Der Spalengottesacker / Botanischer Garten
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Schönbeinstrasse / Botanischer Gartenlageplan
Tram 3 - Spalentor Bus 30 / 33 - Spalentor


Friedhöfe vor der Stadt

In den 1820er Jahren herrschten auf den überfüllten Kirchhöfen von St.Leonhard und St.Peter schon länger unhygienische Zustände. Bereits zwischen 1769 und 1775 wurde es notwendig, die Verstorbenen auf dem aufgehobenen alten Friedhof des Klosters Gnadental am Petersgraben beizusetzen, um den überlasteten Kirchhofböden etwas Zeit zu geben, sich zu erholen. Nach 1808 bekam St.Leonhard sogar einen provisorischen Friedhof auf der Steinenschanze.

Um dem Flickwerk der Provisorien ein Ende zu bereiten, begann man neue Friedhöfe am Rand der Stadt anzulegen, wo es noch genug unbelasteten Boden gab. Der Gottesacker St.Elisabethen der Münstergemeinde beim Aeschenbollwerk machte 1817 den Anfang. Als zweiter Friedhof nach diesem Konzept folgte 1825 der Spalengottesacker. Er war der erste Gottesacker vor der Stadtmauer, und wurde vor dem Spalentor auf dem Area der Gass'schen Reben angelegt.

Der Umstand, dass Trauerzüge nun einen längeren Weg, durch ein Stadttor hindurch, zurücklegen mussten, weckte Kritik. Doch war man im Allgemeinen froh, wieder einen ordentlichen Friedhof zu haben. Die Freude liess indes nach einigen Jahren nach, als man merkte, dass in zu kleinen Dimensionen geplant worden war. Unterwartet rasch war der Gottesacker voll, und es drohten sie selben Probleme, die bereits zu St.Peter und zu St.Leonhard für Grausen gesorgt hatten.

Abhilfe sollte auf etwas unlautere Weise geschaffen werden - zwischen zwei alten Gräbern hob man ein neues aus. Als sich die Stadt Bern, wegen der Reform ihres Bestattungswesens, in Basel nach den Verhältnissen erkundigte, hielt Pfarrer Daniel Krauss (1786-1846) von St.Leonhard hierzu fest, dass er es vorzöge den Bernern nichts davon zu erzählen wie man auf dem Gottesacker Gräber mache. Er wäre vielmehr froh wenn man schon in der Stadt Basel nicht davon spräche.

Erweiterungen

Um 1835 entschloss man sich zu einer ersten Erweiterung des Spalengottesackers. Dieser folgte 1845 eine zweite. Dazu musste das umliegende Areal aufgekauft werden, namentlich das Müller'sche Rebgelände sowie das Kündig'sche und das Meyer-Hoffmann'sche Gütlein. Der Friedhof, der anfangs zwischen der heutigen Schönbeinstrasse und dem Spalengraben lag, erstreckte sich schliesslich mit den Erweiterungen bis hinab zur heutige Bernoullistrasse und zum Bernoullianum.

plan des einstigen friedhofs im heutigen umfeld

A - Bernoullistrasse / B - Schönbeinstrasse (durch ehem. Gottesacker verlaufend) / C - Missionsstrasse / 1 - Älteste Partie des Gottesackers (rot eingefärbt), 1825 angelegt / 2 - Partien der Erweiterungen von 1835 und 1845 (blau eingefärbt) / 3 - Gottesackerkapelle von C. Riggenbach, 1851/52 erbaut, 1943 abgerissen / 4 - Universitätsbibliothek, 1896 auf Friedhofsareal gebaut, Neubau 1968 / 5 - Viktoriahaus im Botanischen Garten, 1898 auf Friedhofsareal erbaut / 6 - Botanisches Institut, 1896 auf Friedhofsareal erbaut / 7 - Tropenhaus / 8 - Spalentor / 9 - Stachelschützenhaus, Institut für Mikrobiologie und Hygiene

Die ursprüngliche Friedhofsmauer blieb bestehen, bekam jedoch ein zusätzliches Portal. Sie trennte nunmehr den alten vom neuem Gottesackerteil. Entlang dieser Scheidemauer befanden sich beidseits die Gräber gehobener Klassen mit Backsteingrüften. Die Mauer war daher wichtig, weil an ihr damals die exklusiveren Grabsteine und Epitaphe angebracht wurden. Getrennt durch einen Kiesweg, lagen im Inneren des Friedhofs die schlichteren Riehengräber einfacher Leute.

Nachlässigkeiten bei Bestattungen

Der Platz in einer noblen Backsteingruft war keine Garantie für eine gewissenhafte Beisetzung. Bei Ausgrabungen 1987 fand man in Gruft 29 des alten Gottesackers zwei Bestattungen. Eine war offenkundig nachlässig verrichtet worden. Der Sarg lag verkehrt herum im Grab. So fanden sich nach über hundert Jahren, als das Holz der Särge längst vergangen war, zwei Skelette nebeneinander. Die Füsse des Nachbarn lagen jeweils auf Augenhöhe des anderen.

Eine Reihengrab-Bestattung, in der Partie der Erweiterung von 1835, offenbarte zwei Merkwürdigkeiten. Auf den Sarg des Toten wurde eine Münze gelegt. Kurios mutet aber die Dreikantfeile an, die der Leiche quer auf den Bauch gelegt wurde. Es wird wohl ein ewiges Geheimnis bleiben, weshalb man dem Toten dieses Werkzeug mit ins Grab gegeben hatte. Die Gräber waren rund 140 cm tief, das Erdreich mit Spuren des vormaligen Garten- und Rebgeländes durchsetzt.

Bei Trauerzügen kam es beim Spalentor immer wieder zu Szenen die Anlass zu Kritik gaben. Die Soldaten der Standestruppe, eilten oft aus dem Wachtlokal beim Tor, um vor dem vorbeiziehenden Sarg das Gewehr zu präsentieren. Das war an sich gern gesehen, wenn nicht zugleich jeweils einer der Soldaten an die Trauernden herangetreten wäre, um mit hohler Hand ein Entgelt für das Ehrenspalier zu verlangen. Dagegen wurde schliesslich ein Verbot erlassen.

Friedhofskapelle von Christoph Riggenbach

Eine Ergänzung aus der Zeit nach der zweiten Erweiterung von 1845 war die "Spalenkapelle". Um die Abdankungen würdig auf dem Friedhof abhalten zu können, trugen die Kirchgemeinden St.Peter und St.Leonhard Spendengeld zusammen, für den Bau eine Kapelle auf den Gottesacker. Das Projekt wurde vom Basler Architekten Christoph Riggenbach (1810-1863) realisiert. Er sollte später den Bau der Elisabethenkirche leiten; die sein letztes Bauprojekt war.

Die Kapelle auf dem Spalengottesacker wurde von Riggenbach 1851/52 im Stil der Neugotik erbaut. In den 1860er Jahren spürte das wachsende Basel einmal mehr, dass die vorhandenen Friedhöfe nicht mehr dem Bedarf genügten. Immer neue Erweiterungen waren keine Lösung. So fasste man grössere Gottesäcker ins Auge. Diese sollten wiederum weiter vor Stadt liegen, die nun um jene Friedhöfe gewuchert war, die fünfzig Jahre zuvor noch auf offenem Feld gelegen hatten.

hotel spalentor, wo frueher die abdankungskaplle stand

Das Hotel Spalentor an der Missionsstrasse. An seiner Stelle lag die 1851/52 von Christoph Riggenbach erbaute Kapelle, die 1943 abgerissen wurde, um Platz für den Neubau zu schaffen.

Mit der Eröffnung des Gottesackers Kannenfeld im Juni 1868 brach eine neue Epoche im Bestattungswesen an. Zu weit lag dieser Friedhof nun vor der Stadt, um die Särge noch auf Schultern ans Grab tragen zu können. Die Leichenwagen kamen auf, und zugleich schlug auch die letzte Stunde einer ganzen Reihe veralteter Basler Friedhöfe. Sie wurden geschlossen und aufgehoben. Unter ihnen auch der Spalengottesacker, dem nun ein Vierteljahrhundert der Ruhe gegönnt war.

Bibliothek und Botanischer Garten

Mit der Ruhe war es dann vorbei, als 1894/97 die Bibliothek der Universität mitten die Partie der Erweiterung von 1845 hinein gebaut wurde. Zahlreiche der jüngsten Gräber wurden geräumt. In der nördlichen Hälfte wurde 1896 das Botanische Institut gebaut, genau über der Trennmauer des alten Friedhofs und der Erweiterung von 1835. Über dem ursprünglichen Teil des Gottesackers von 1825 entstand in der Folge 1897 der Botanische Garten mit seinen Gewächshäusern.

Länger als der Gottesacker widerstand die Kapelle dem Gang der Zeiten. Während vor ihrem Portal der Verkehrsstrom vor dem Spalentor stärker und lauter wurde, erinnerte sie an die Tage als die Trauerzüge durch das Stadttor hinaus traten. 1920 wurde die Kapelle zum Domizil der Basler Stadtmusik. Diese liess 1940 eine Zwischendecke einziehen. Im Jahr 1943 kam auch für Riggenbachs Kapelle das Ende. Sie wurde abgerissen und durch einen Wohnblock ersetzt.

Wo einst die Verstorbenen ihre letzte Ruhe fanden, bietet heute der Botanische Garten der Universität eine Oase der Natur. Neben der Vielfalt an Pflanzen (wie zuweilen dem Titanwurz), kann man mit dem Viktoriahaus eine architektonische Attraktion sehen, und zugleich tropisches Klima erleben. Es handelt sich dabei um ein 1996 renoviertes Gewächshaus, welches 1898 von Kantonsbaumeister Viktor Flück (1862-1941) eigens für die Riesenseerose Viktoria gebaut wurde.

Bei Aushubarbeiten für einen Neubau im Botanischen Garten fanden sich 2022 Reste des einstigen Friedhofes. Die neue Baugrube drang so tief in den Boden ein, dass sie noch immer vorhandene Gräber berührte. Neben den Ost-West ausgerichteten Bestattungen 9 Erwachsener kamen unter anderem Einzelknochen, Sargreste und ein Rosenkranz an den Tag. Die dicht beisammen liegenden Skelette bestätigen die schon früher beobachtete Überbelegung des Gottesackers.

viktoriahaus im botanischen garten

Das Viktoriahaus im alten Teil des ehemaligen Gottesackers. Das Gewächshaus in Kuppelform wurde 1896 von Viktor Flück für die Riesenseerose "Viktoria" gebaut. 1996 renoviert, ist es heute wieder originalgetreu zu besichtigen.

Zusammenfassung

Um die längst überfüllten Kirchhöfe zu St.Leohhard und St.Peter zu ersetzen, wurde auf einem Rebgelände vor dem Spalentor der Spalengottesacker angelegt. Er folgte dem neuen Konzept der Friedhöfe am Stadtrand, und war der erste vor der Stadtmauer. Bereits zehn Jahre nach seiner Eröffnung 1825 war eine erste Erweiterung notwendig, denn die wachsende Platznot zwang bereits dazu, im freien Raum zwischen bereits bestehenden Gräbern neue Gräber auszuheben.

Einer ersten Erweiterung um ein Drittel 1835, folgte 1845 eine zweite, die praktisch eine Verdoppelung der ursprünglichen Fläche brachte. Entlang der Friedhofsmauern lagen die gemauerten Backsteingrüfte, mit exklusiven Grabmälern vermögender Verstorbener. In inneren Bereich befanden sich die Durchschnittsgräber. 1851/52 bekam der Gottesacker eine eigene Abdankungskapelle im neugotischen Stil. Sie wurde von Rudolf Riggenbach entworfen und 1943 abgerissen.

Als 1868 der weit vor dem Spalentor gelegene Friedhof Kannenfeld eröffnet wurde, konnte der Spalengottesacker geschlossen werden. Für knapp dreissig Jahre ruhten die Gräber ungestört, bis der Bau der Universitätsbibliothek 1894/97 und des Botanischen Gartens 1897 das Gelände beanspruchten. Die heutige Schönbeinstrasse führt zum grossen Teil über jene einstigen Partien des Gottesackers, die nach den Erweiterungen 1835 und 1845 entstanden waren.




Beitrag erstellt 26.05.05 / nachgeführt 13.01.24

Quellen:

Othmar Birkner, "Friedhof - Bestattungspark - Volksgarten", publiziert in Gärten in Basel, herausgegeben von der Öffentliche Basler Denkmalpflege, Basel, 1980, ISBN 3-85556, Seite 44

Othmar Birkner / Hanspeter Rebsamen, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920 - Basel, von der Christoph Merian Stiftung ermöglichter Seperatdruck aus Band 2 der Gesamtreihe, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Zürich, 1986, Seiten 209 und 210 (Schönbeinstrasse / Spalengottesacker / Universitätsbibliothek)

Emil Blum / Theophil Nüesch, Basel Einst und Jetzt, Eine kulturhistorische Heimatkunde (Textband), Verlag Hermann Krüsi, Basel, 1913, Seiten 11 und 12

Rolf Brönnimann, Basler Bauten 1860-1910, Verlag Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1973, ISBN 3-7190-0624-7, Seite 172

Karl Gauss / Hans Schäfer / Fritz LaRoche, Basilea Reformata 2002, herausgegeben von den Kirchenräten der Evangelisch-reformierten Kirchen Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Basel und Liestal, 2002, ISBN 3-9522134-0-4, Seite 219 (Pfarrer Daniel Krauss)

Bruno Kaufmann und Reto Marti, "Schönbeinstrasse 6 (Botanisches Institut)", im Jahresbericht 1987 der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt, publiziert in der Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 88. Band, Verlag der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft, Basel, 1988, Seiten 196 bis 202

Lara Lenz, Beitrag "2022/23 Spalengraben 8 (Botanischer Garten)" in Fundchronik Abschnitt Innerstadt, in Jahresbericht 2022 der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt, herausgegeben von der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, Basel, 2023, ISBN 978-3-905098-71-6, ISSN 1424-4535, Seiten 55 und 56

Paul Koelner, Basler Friedhöfe, Verlag der National-Zeitung, Basel, 1927, Seiten 70 bis 71

Eugen Anton Meier, Basel Einst und Jetzt, 3. Auflage, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1995, ISBN 3-85815-266-3, Seite 188

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