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Ratsversammlungen im Augustinerkloster
aktueller Bezug: externe Grossratssitzung in Kleinbasel wegen COVID-19

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Der Grosse Rat war schon in früheren Zeiten ausserhalb der Rathausmauern zusammengetreten. Beim Umbau des Rathauses 1898/1904 wurde der alte Ratssaal durch einen Neubau ersetzt. Vorübergehend wurde der Museumsbau von Melchior Berri (1801-1854) an der Augustinergasse zum Tagungsort. An seiner Stelle stand einst das Augustinerkloster, das schon früher den Rat beherbergte.

die augustinergasse um 1843

Die Augustinergasse um 1843 mit früherer Kirche und ehemaligem Kloster der Augustiner (rechte Bildhälfte). Heute steht dort der Berri-Museumsbau | Lichtdruck v. Gebr. Bossert nach Johann Jakob Schneider (Sammlung altbasel.ch)

Zu wenig Platz im Rathaus

Das mittelalterliche Rathaus von Basel war auch nach dem Wiederbau wegen des Erdbebens 1356 ein räumlich beengter Amtssitz. Für Vesammlungen des Rats war schlicht nicht genügend Platz darin. Wie der Rechtshistoriker Andreas Heusler (1834-1921) 1860 in seinem Werk zur Basler Verfassungsgeschchte festhielt, war die Einberufung des Grossen Rats im Rathaus nicht möglich.

Zu klein war die Ratsstube um über zweihundert Ratsherren Raum zu bieten. Der Rat wurde deswegen nicht sehr oft zu Versammlungen gerufen. Wenn dies aber der Fall war, dann geschah es ausserhalb des Rathauses in einem Kloster. Die Ordenssitze der Stadt verfügten nämlich über Räumlichkeiten die gross genug waren, um sämtliche Mitglieder des Basler Rates aufzunehmen.

Hierzu muss man wissen, dass im Grossen Rat die alten und neuen so genannten Sechser der fünfzehn Zünfte sassen, was pro Zunft ein Dutzend Ratsherren ergab. Zu diesen 180 Leuten gesellten sich Räte der Behörden und Kleinbasels, womit man schnell über 200 Personen beisammen hatte. Dies überstieg die beengten Möglichkeiten des alten Basler Rathauses bei weitem.

Verbundenheit zwischen Rat und Augustinern

Wie erwähnt hatten indes Klöster Lokalitäten zu bieten, wo genug Raum für solch grosse Versammlungen vorhanden war. Unter den in Basel niedergelassenen Orden pflegten die Augustiner Eremiten auf dem Münsterhügel eine besonders gute Beziehung zum Rat der Stadt. Der Augustinerkonvent hatte bei Konflikten immer Augenmass bewahrt und war stets für die Gläubigen da.

Als das Basler Domkapitel wider den Willen von Papst Clemens V. (gestorben 1314) einen eigenen Bischof wählte, exkommunizierte der Heilige Stuhl 1310 Bürgermeister und Räte der Stadt und verhängte über Basel das Interdikt. Eine schreckliche Bestrafung für die Gläubigen, denn sie bedeutete dass Einstellen aller seelsorgerischen Betreuung durch die Kirche.

Kirchen wurden geschlossen, Sünden nicht mehr vergeben und Sterbende sanken ohne geistlichen Beistand und Hoffnung auf das Jenseits ins Grab. Doch die Basler Augustiner hielten weiterhin die Pforten zu ihren Gottesdiensten offen. Dafür erlangten sie die Dankbarkeit der Bevölkerung. Bei einer ähnlichen Krise 1317 handelte der Konvent auf die selbe Weise.

Die offenen Pforten der Augustinerklosters waren das Zeugnis einer tiefen Verbundenheit zwischen Stadt und Kloster. Es erstaunt daher nicht, dass der Rat seine Sitzungen mit Vorliebe in diesem Kloster nahe des Münsters abhielt. Bis das neue Rathaus im Jahr 1521 einen genügend grossen Saal zu bieten hatte, blieb der Konvent der Ort für Versammlungen und Beratungen.

das ehemalige augustinerkloster auf einem stich um 1640

Zwischen Münster und St.Martin (mit rotem Rahmen hervorgehoben) das ehemalige Augustinerkloster um 1640 | Stich von Matthäus Merian

Tagungen, Wahlen, Friedensverhandlugen

Alle Jahre am Sonntag vor St.Johannis (24. Juni) wurden im Refektorium des Klosters jene Vertreter gewählt, welche dem Bischof von Basel als Stadtherrn die neuen Häupter und Ratsherren zur Ernennung vorlegen sollten. Das Augustinerkloster war unter anderem ein Angelpunkt bei den Ratswahlen und ein bevorzugter Versammlungsort bei ausserordentlichen Geschehnissen.

Als im November 1409 Basler Truppen die österreichische Festung Isein gemeinsam mit Berner und Solothurner Unterstützung nach einem Tag der Belagerung einnahmen (und später zerstören liessen), verpflichtete sich am Morgen danach der im Augustinerkloster zusammengetretene Grosse Rat feierlich dazu, das eroberte feindliche Schloss nicht mehr aus der Hand zu geben.

Nach der Schlacht von St.Jakob an der Birs 1444 trafen sich am 6. September 1444 Vertreter Basels im Konvent mit Gesandten des Dauphins, darunter Jean de Bueil (1406-1477) dem Heerführer der Armaganken (und einstigem Kampfgefährten der Jeanne d'Arc). Unter Aufsicht zweier Kardinälen des Konzils zu Basel wurden im Augustinerkloster Friedensverhandlungen geführt.

Gunst des Rates und Ende des Klosters

Für ihre Gastfreundschaft erfuhren die Augustiner vom Rat auch exklusive Zuwendungen. So konnten sie sich zum Augustinertag über Weingeschenke freuen und bekamen immer wieder Zuschüsse zu Unterhalt, Ausbau und Ausstattung des Klosters. 1396 stiftete der Rat den Katharinenaltar und 1439 jenen zu Ehren von St.Sebastian mit einer Pfründe zur Befreiung von der Pest.

Mit der ersten Sitzung im Ratssaal des neuen Rathauses am 21. März 1521 endet die lange Geschichte des Klosters als Tagungsort des Basler Grossen Rates. Im Vorfeld der Reformation treten der Prior und die letzten fünf Brüder des Basler Konvents aus dem Orden aus und übergeben das Kloster an Bürgermeister und Rat der Stadt. Das Augustinerkloster war damit Vergangenheit.




Beitrag erstellt 20.04.20 / Design überarbeitet 15.03.22

Quellen:

Casimir Hermann Baer, Beitrag "Das Rathaus zu Basel", publiziert in Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 1, herausgegeben von der Schweizerischen Gesellschaft für Erhaltung historischer Kunstdenkmäler, Birkhäuser Verlag, Basel, 1932/1971 Seiten 339 bis 343

Casimir Hermann Baer, "Kirche und Kloster der Augustiner", publiziert in Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Band 3, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Birkhäuser Verlag, Basel, 1941, Seiten 164 bis 165 und 169

August Bernoulli / Hans Brüglinger, "Hans Brüglingers Chronik im Zunftbuche der Brodbecken 1444-1446", publiziert in Basler Chroniken, Band 4, herausgegeben von der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft in Basel, Verlag von S. Hirzel, Leipzig, 1890, Seite 182

Andreas Heusler, Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter, Bahnmaier's Buchhandlung, Basel, 1860, Seite 383

Werner Meyer, Beitrag "Die Schlacht bei St.Jakob an der Birs - Hintergründe, Verlauf und Bedeutung", publiziert in Ereignis - Mythos - Deutung 1444-1994 St.Jakob an der Birs, herausgegeben von Werner Geiser, Druckerei Klingental AG, Basel, 1994, ISBN 3-9520120-4-1, Seiten 46 bis 47

Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, Band 2/I, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1911, Seite 252

Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, Band 2/II, Helbing & Lichtenhahn, Basel, 1916, Seite 688 und 689

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